Eishockey:Düster wie eine Wilhelmsburger Nebelnacht

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Bittere Niederlage: Den Hamburger Eishockey-Profis ist die Enttäuschung nach dem 1:2 gegen Düsseldorf anzusehen. (Foto: Axel Heimken/dpa)

Trotz des Ausscheidens im Playoff-Viertelfinale umgibt die Hamburg Freezers eine Atmosphäre der Zufriedenheit.

Von Thomas Hahn, Hamburg

Ein Pfostenschuss ist gefallen. Er hallt hinein in die Nacht, und Adam Mitchell, der ihn abgegeben hat, versucht, nicht mehr zu viel darüber nachzudenken. Er steht im Kabinengang der großen Arena, in der die anderen gewonnen haben, und nimmt die Frage auf, der er sich nicht entziehen kann. Für einen Augenblick ist er, Mitchell, Flügelspieler der Hamburg Freezers, Herr über das Geschehen gewesen im siebten Spiel des Playoff-Viertelfinales gegen die Düsseldorfer EG vor heimischem Publikum. Als er nämlich fünf Minuten vor dem Ende beim Stand von 1:2 allein vors Tor lief, den Puck an der Kelle, Düsseldorfs Schlussmann Tyler Beskorowany in banger Erwartung vor sich. Es war die ideale Gelegenheit, um die Freezers zurück in die Partie zu bringen. Und dann? "Ich glaube, ich habe einen guten Schuss gemacht", sagt Mitchell, und es ist, als höre er jetzt noch einmal, wie der Puck hart gegen die Innenseite der Torstange prallt. Kein Tor. Kein Ausgleich. Kein glückliches Ende für dieses Spiel, diese Serie, diese Saison. "Ja", sagt Adam Mitchell, Eishockey-Profi aus Ontario, in seinem freundlichen Kanadier-Deutsch: "Es tut mir weh."

Am Dienstagabend hat die Deutsche Eishockey-Liga (DEL) ihre letzten Halbfinalisten ermittelt. Zwei Endspiele der Best-of-7-Serie fanden ihre Sieger, wobei das eine recht schmerzlos verlief. Meister Ingolstadt setzte sich daheim gegen die Iserlohn Roosters 6:1 durch. Es war ein Favoritensieg mit leichtem Wackler, weil sich Iserlohn die Frechheit einer frühen Führung erlaubt hatte. In Hamburg hingegen ging es knapp zu, anschließend hat man tief bewegte Männer erleben dürfen, die viel von Moral und Mannschaftsgeist erzählten.

Leicht ist es nicht in Hamburg neben dem HSV, dem FC St. Pauli und den Handballern

Die Düsseldorfer EG hat sich in dieser Saison ohnehin schon den Comeback-Preis verdient mit ihrer Stehauf-Qualität. Nah-Pleite-Erfahrungen und ausgedehnte Niederlagenserien haben die jüngere Geschichte des Traditionsvereins geprägt. Jetzt ist die DEG plötzlich wieder wer, und man kann keineswegs sagen, dass ihr 2:1 in der Hansestadt nur dem Pech des Gegners geschuldet war. Vor allem im Unterzahlspiel machten die Düsseldorfer den Hamburgern was vor, sogar das 1:0 durch Manuel Strodel (30.) schaffte die DEG mit einem Mann weniger auf dem Eis. Trainer Christof Kreutzer war so überwältigt von der Auferstehungsgeschichte seines Klubs, dass er sie schon wieder platt fand. Er sagte: "Für ein Drehbuch wär's zu kitschig."

Aber auch die Hamburger sind ziemlich gerührt von sich selbst gewesen. Sie hatten nicht ihren besten Tag, schon gar nicht in der Offensive, das wussten sie selbst. Ihr einziger Treffer war das Ergebnis einer eher unkoordinierten Wurschtelei, nach der Kevin Clark zum Torschützen ernannt wurde (13.). Beim 1:2 durch Travis Turnbull ließen sie sich kurz nach der zweiten Drittelpause überrumpeln. Und groß war ihre Enttäuschung, den Heimvorteil nicht zum zweiten Halbfinal-Einzug in Serie genutzt zu haben, was vor allem zum Ausdruck kam, als Kapitän Christoph Schubert das Aus kommentierte. Dies tat Schubert nämlich mit einer Miene, die so düster war wie eine Wilhelmsburger Nebelnacht, und ohne beim Reden die Lippen auseinanderzukriegen. Schubert nuschelte: "Wir haben uns heute wieder ein bisschen schwerer getan, Tore zu schießen."

Trotzdem umgab die Verlierer auch eine Atmosphäre der Zufriedenheit. "Tolle Saison" nannte Geschäftsführer Uwe Frommhold die DEL-Runde, die für die Freezers gerade so jäh geendet hatte. Trainer Serge Aubin sprach von einem "sehr, sehr guten Jahr". Was war los? Haben sich die Freezers damit abgefunden, dass es für sie nach ganz oben nicht reicht?

Bestimmt nicht, aber die Wahrheit ist eben auch, dass gerade aus der Retorte geborene Sportunternehmen ein Kerngeschäft zu bewältigen haben, das mit Titel-Ehrgeiz zunächst wenig zu tun hat. Eine Geschichte zu sein, Aufmerksamkeit zu gewinnen, das ist die Aufgabe, die in Hamburg nicht einfach ist neben den Fußball-Traditionsklubs HSV und FC St. Pauli sowie den örtlichen Bundesliga-Handballern. Schon gar nicht für die Freezers aus dem Hause des US-Konzerns Anschutz Entertainment Group, die vor ihrer Ankunft in Hamburg 2001 als München Barons am anderen Ende der Republik tätig waren.

Die meisten der 9500 Zuschauer feierten die Freezers nach dem Ausscheiden

Und diese Aufgabe haben die Freezers erfüllt. Sie hatten ihre Krise zu Beginn der Saison, die dazu führte, dass Cheftrainer Benoit Laporte seinem Assistenten Aubin weichen musste. Aber anschließend begann eine Phase mit vielen Siegen, die auch viel Verletzungspech kaum störte. Mit ersatzgeschwächtem Kader kämpften sich die Freezers auf Platz vier in der Punkterunde - das ergab den Eindruck eines charakterstarken Teams, das sich nicht unterkriegen lässt. "Wir haben bewiesen, dass wir immer einen Ausweg finden", sagt Aubin. Und Frommhold verweist auf die 9500 Zuschauer auf den Rängen, von denen die meisten nach dem Aus ihre Freezers feierten. "Wenn die Fans nach einer Niederlage singen: ,Wir sind stolz auf unser Team' , dann haben wir viel erreicht. Es gab Zeiten, in denen man nicht zwingend stolz auf die Hamburg Freezers war."

So gesehen haben die Freezers schon recht: Mission erfüllt, wenn auch nicht mit dem ganz großen Spektakel. "Am Schluss ist uns ein bisschen der Saft ausgegangen", sagt Serge Aubin. Und das Glück auch.

© SZ vom 26.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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