Eishockey:"Deutschland wird wieder respektiert"

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Eine WM bedeutet: Auch mal über die Grenze zu gehen, wie hier Korbinian Holzer schwungvoll vorführt. (Foto: Grigory Dukor/Reuters)

Seine erste WM ist gleich die beste des DEB-Teams seit fünf Jahren: Bundestrainer Sturm führt die Nationalmannschaft auf den siebten Platz.

Von Johannes Kirchmeier, Moskau/München

Eine ganz eigene Sicht auf die Bundesrepublik Deutschland offenbarte jüngst der Eishockey-Weltverband IIHF. Nach dem starken Abschneiden der Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) in der Vorrunde der Weltmeisterschaft in Russland forderte der IIHF nämlich nichts weniger als: "Sturm for Chancellor!" Eine Reaktion der amtierenden Bundeskanzlerin Angela Merkel steht noch aus, ernst nehmen muss man die Forderung aber nicht: Bundestrainer Marco Sturm, 37, will seinen Wohnort im Großraum Miami, im sonnigen Florida, wohl eher nicht gegen kurze Sommer in Berlin eintauschen. Außerdem veröffentlichte der IIHF die Forderung im Rahmen des "Power Rankings", einem humoristischen Format für Fans und Experten.

Und Sturm fehlt ja auch die Zeit für Regierungsaufgaben. Für die Nationalmannschaft ist er so etwas wie Bundeskanzler und Bundespräsident in einer Person. Sportlich hat der Trainer und General Manager seit dem vergangenen Jahr das alleinige Sagen. Mit einem erfolgreichen siebten Platz hat der gebürtige Niederbayer seine erste WM nun abgeschlossen, die DEB-Auswahl war so stark wie seit fünf Jahren nicht mehr. "Es hat einen Riesenspaß gemacht. Ich habe viel gelernt und kann mich nur bei der Mannschaft bedanken", sagte Sturm nach dem letzten Spiel, einer 1:4-Niederlage gegen Gastgeber Russland im Viertelfinale. Und er machte Hoffnung auf die Zukunft: "Ich weiß, da steckt noch mehr drin in der Mannschaft. Wir sind noch lange nicht da, wo wir hinwollen."

Marco Sturm hat die größte Prüfung noch vor sich: die Qualifikation für Olympia 2018

Gegen den Turnierfavoriten Russland machte sich nach der überraschenden Führung durch Patrick Reimer (6.) ab dem zweiten Drittel allerdings ein Klassenunterschied bemerkbar: Die Sbornaja überrollte im Moskauer Eispalast - angefacht vom eishockeyverrückten Publikum - die deutsche Mannschaft. Am Ende hatte sie 37 Schüsse aufs Gehäuse von Thomas Greiss abgefeuert. Eine Überraschung, die Sturm fast schon herbeireden wollte ("Wir sind hier, um zu gewinnen"), wäre nur möglich gewesen, wenn Leon Draisaitl eine Hereingabe seines Kollegen Daryl Boyle Sekunden vor der ersten Drittelpause statt an den Pfosten ins Tor gelenkt hätte.

Unter Sturm präsentierte sich das DEB-Team aggressiv und offensivstark, am Ende stehen starke 23 Tore. "Wir können sehr positiv in die Zukunft gehen", sagte Verteidiger-Ass Christian Ehrhoff, "Marco hat ein super erstes Turnier gecoacht." Anders als die früheren Trainer Uwe Krupp, Greg Poss oder Jakob Kölliker, die einst Verteidiger waren, setzt der ehemalige NHL-Angreifer auf eine attraktive Spielweise. "In der ganzen Szene wird Deutschland wieder respektiert. Sie merken, dass wir nicht mehr nur die Zerstörer sind", sagte DEB-Präsident Franz Reindl.

Vor allem, dass Sturm nun als erster DEB-Trainer fünf NHL-Spieler für eine WM begeistern konnte, rechnen sie ihm hoch an. Reindl meinte schon im vergangenen Jahr: "Wenn ein Marco Sturm anruft, dann hebt jeder General Manager der NHL den Hörer ab." Er hat recht behalten. Besonders bei Greiss' Team New York Islanders brauchte es Überredungskunst. Am Ende war der Schlussmann da und überzeugte als einer der stärksten Torhüter des Turniers, von vier Spielen mit dem 95-Kilogramm-Kraftpaket im Tor verlor Deutschland nur gegen Russland. Sturm hat zudem bewiesen, dass er konsequent handelt. Als der Start mit zwei Niederlagen gegen Frankreich und Finnland misslang, stellte er die deutschen Angriffsreihen um und bildete so die deutsche Paradereihe drei mit Patrick Hager, Philip Gogulla und Felix Schütz, die insgesamt 21 Scorerpunkte sammelte. Sturm schaffte es allerdings nicht, den begabtesten deutschen NHL-Spieler Draisaitl in WM-Form zu kriegen: Der 20-Jährige kam mit den Erwartungen an ihn bei diesem Turnier nicht ganz zurecht und agierte glücklos.

Das soll sich bei den anstehenden Aufgaben ändern: Im kommenden Jahr werden die besten Teams der Welt zur WM nach Köln kommen. Sturms Meisterprüfung findet vorher statt, im September in Lettland: Dann kämpft die DEB-Auswahl um die Olympia-Qualifikation. Präsident Reindl bezeichnet die Teilnahme im südkoreanischen Pyeongchang in zwei Jahren als "Meilenstein", nachdem das DEB-Team die Winterspiele in Sotschi 2014 verpasste. In Wirklichkeit ist klar: Sturm darf nicht scheitern. Deutschland muss nach Pyeongchang, sonst droht dem Eishockey der Bedeutungsverlust. Die Sportart steht ja im Wettbewerb mit Basketball und Handball um Deutschlands zweitliebste Mannschaftssportart hinter Fußball. Sturm plant mit dem besten Kader, auch mit den NHL-Profis. Er wird wieder bei den General Managern der NHL anrufen. Mal schauen, ob dann jeder abhebt.

© SZ vom 21.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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