Eishockey:Der unglücklichste Gewinner

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Gerrit Fauser (vorne) im olympischen Eishockey-Finale gegen das Team aus Russland. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Gerrit Fauser schien mit Olympia-Silber auf dem Höhepunkt seiner Karriere zu sein. Doch im ersten Spiel danach verletzt sich der Wolfsburger schwer und verpasst die WM. Dass er nicht jammert, passt zu seiner Art.

Von Christian Bernhard, Wolfsburg/München

Eines steht schon vor dem letzten Hauptrunden-Spieltag der Deutschen Eishockey Liga (DEL) am Sonntag fest: 24 Olympia-Silbermedaillengewinner von Südkorea haben noch die Chance, ihre ohnehin schon überragende Saison mit dem diesjährigen DEL-Titel zu krönen. 24 haben mit ihren Klubs zumindest die Pre-Playoffs erreicht, in denen kommende Woche die letzten zwei Viertelfinalisten ermittelt werden.

Einer, der 25., weiß jetzt allerdings bereits, dass er in den Playoffs nicht auf dem Eis sein wird: Gerrit Fauser. Der Wolfsburger Angreifer zog sich im ersten Spiel nach der Olympia-Pause gegen die Straubing Tigers eine Schulterverletzung zu und fällt für den Rest der Saison aus. Er wird auch die Weltmeisterschaft im Mai in Dänemark verpassen. Für Fauser sei das eine "Wahnsinns-Story", im negativen Sinne, sagte Wolfsburgs Trainer Pavel Gross. "Am Sonntag wurde er noch richtig gefeiert und war vielleicht am Höhepunkt seiner Karriere - und dann passiert so was." Und Kapitän Sebastian Furchner sagte: "Wir fühlen alle mit ihm."

Fauser selbst sagte bislang öffentlich nichts. Der 28-Jährige war am Mittwoch nach einem Zweikampf mit Straubings Alexander Oblinger auf die linke Schulter gefallen und direkt mit schmerzverzerrtem Gesicht in die Kabine gegangen. Schon im Jahr 2016 hatte Fauser Probleme mit der Schulter gehabt. Nun ist eine Operation unumgänglich. Gejammert habe er nicht, ist aus Wolfsburg zu hören. Das sei nicht sein Stil.

Ein Puck traf ihm im Gesicht, kurz darauf stand er mit genähter Lippe auf dem Eis

Die Verletzung markiert für Fauser das traurige Ende einer turbulenten Zeit. Da seine Eishockey-Ausrüstung mit zwei Tagen Verspätung in Südkorea eingetroffen war, hieß es für Fauser zunächst: Individuelles Training im Fitnessraum statt Mannschaftstraining. Trotz der Startschwierigkeiten fügte sich der Stürmer perfekt ins deutsche Team ein. Er bestritt alle sieben Spiele auf dem Weg zu Silber und lieferte eines der Bilder, das den Kampfgeist der Mannschaft von Marco Sturm symbolisierte: Im Achtelfinale gegen die Schweiz musste er zwischenzeitlich blutend in die Kabine, weil er vom Puck im Gesicht getroffen worden war. Kurze Zeit später stand er mit genähter Lippe aber schon wieder auf dem Eis - und ging wie gewohnt keinem Zweikampf aus dem Weg. Wie nur wenige belegt Fauser die Weisheit, dass harte Arbeit oft Talent schlägt.

Der Kampf auf dem Eis ist fester Teil von Fausers Spielweise. Franz Steer, Fausers Stiefvater und Trainer des Zweitligisten Dresdner Eislöwen, sagte nach dem Halbfinale gegen Kanada, der Angreifer habe aufgrund der physischen Spielweise der Kanadier "wie ein Streuselkuchen" ausgeschaut. Gestört hat Fauser das nicht. Der gebürtige Nürnberger, der beim EV Landshut alle Jugendmannschaften durchlief, hat sich auch dank seiner Furchtlosigkeit in den vergangenen Jahren zu einem Schlüsselspieler der Wolfsburger Mannschaft entwickelt, die sich zuletzt als Außenseiter zweimal ins DEL-Playoff-Endspiel spielte. Er nimmt in Gross' System wichtige Rollen in Über- und Unterzahl ein. "Durch seinen Ehrgeiz, seine Vielseitigkeit und seinen Fleiß hat er sich bei uns zu einem der wichtigsten Spieler entwickelt", sagt Wolfsburgs Sportdirektor Karl-Heinz Fliegauf.

Mit 18 Toren und acht Vorlagen spielte Fauser seine statistisch gesehen beste Saison in der DEL, zusammen mit Straubings Jeremy Willimas erzielte er die meisten Überzahl-Tore der Liga (neun). "Mir ist einfach wichtig viel Energie auf das Eis zu bringen und somit die anderen Jungs mitzureißen", sagt Fauser über sich selbst. Das gelang ihm in Wolfsburg und bei der Nationalmannschaft.

Bevor er am kommenden Mittwoch operiert wird, zeigt er sich noch einmal von seiner kämpferischen Seite. Zusammen mit Teamkollege Björn Krupp ist er am Sonntag trotz Verletzung im NDR-Sportclub zu Gast, um noch einmal über die sensationelle Silbermedaille zu sprechen. "Die Jungs möchten das und es ist ja auch alles für die Operation vorbereitet", erklärte Fliegauf gegenüber regionalsport.de. Wenn der Eingriff gut verlaufe, sei Fauser "planmäßig" für die kommende Saison wieder fit. Er wird vermutlich weiterhin keinem Zweikampf aus dem Weg gehen.

© SZ vom 04.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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