Eishockey:Alter Finne

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Ihm gegenüber verzweifeln schon mal die Stürmer: Petri Vehanen hinter der grimmigen Eisbären-Torwartmaske. (Foto: Peter Schatz/imago/ActionPictures)

In der DEL-Finalserie setzt Berlin auf die Paraden eines Unikats: Torwart Petri Vehanen isst fünf Mal am Tag, schweigt gern und trainiert mit 40 Jahren wie mit 20.

Von Sebastian Fischer

Wer nach Eishockeyspielen der Eisbären Berlin noch etwas in der Arena bleibt, aus welchem Grund auch immer, stößt in den Katakomben auf einen freundlichen Jogger. Es handelt sich dabei, auch wenn das nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist, um einen alten Finnen. Das darf man durchaus so sagen. Der Berliner Torhüter Petri Vehanen, 40, ist die Anspielungen auf sein Alter gewohnt. Damit er sie souverän zu kontern weiß, geht er ja joggen. Um nur ein Beispiel zu nennen.

An diesem Mittwoch ist Berlin zum dritten Spiel der Best-of-seven-Finalserie der Deutschen Eishockey Liga (DEL) in München zu Gast, es steht 1:1. Nach dem Sieg der Münchner am Sonntag in Berlin sprachen alle Beteiligten davon, dass sie eine ausgeglichene und enge Serie erwarten, trotz der Favoritenrolle des zweimaligen Meisters München. Enge Serien, heißt es, entscheiden die Torhüter.

Berlins Trainer Uwe Krupp nennt Vehanen "unser Rückgrat"

Laut Statistik ist zwar Münchens Danny aus den Birken der bessere der beiden. Wie schon in der Hauptrunde, hat der deutsche Nationaltorhüter auch in den Playoffs im Schnitt weniger Gegentore kassiert (2,33 zu 2,96) und mehr Scheiben gefangen (91,71 zu 90,35 Prozent der Schüsse). Doch über Vehanen sagen sie in Berlin, dass er umso stärker wird, je entscheidender die Spiele sind; dass er der Mann für die richtungsweisenden Paraden ist. In der Halbfinalserie gegen Nürnberg parierte er so gekonnt gegen allein auf ihn zufahrende Stürmer, dass sie zu verzweifeln drohten. Am Sonntag beim 4:5 wurde er nach dem fünften Gegentor zwar ausgewechselt. Doch das ist im Eishockey nicht ungewöhnlich, und es bedeutet nicht, dass er am Mittwoch nicht wieder im Tor stehen wird. Uwe Krupp, seit 2014 Trainer der Eisbären, sagte vor den Playoffs: "In den letzten zwei Jahren war er besser als in den ersten Jahren meiner Amtszeit." Berlin steht erstmals seit fünf Jahren wieder im DEL-Finale. Krupp nennt Vehanen: "unser Rückgrat".

Wenn man Vehanen fragt, warum er im Alter stärker zu werden scheint, anstatt nachzulassen, erzählt er zuerst von seinen zwei Töchtern, die in Berlin zur Schule gehen. Sie wurden 2008 und 2009 geboren. "Dann war Hockey für mich nicht mehr das Wichtigste, dann wurde meine Karriere besser." 2010 gewann er mit dem russischen Klub Kasan die Meisterschaft in der KHL, der zweitstärksten Liga der Welt. 2011 wurde er Weltmeister mit Finnland. 2014 wechselte er nach Berlin.

Ein guter Torwart war er eigentlich schon immer, seit er als Junge in seiner Heimatstadt Rauma auf der Eisfläche übte, die nur 150 Meter von seinem Zuhause entfernt lag. Doch in den Jahren, in denen andere Sportler es sich langsam gut gehen lassen, begann er, sein Talent zu hüten wie einen Schatz. "Ich muss jeden Stein umdrehen, um fit zu bleiben", sagt er. "Ich versuche, wie ein Athlet zu leben, zu essen, zu schlafen, mich genug auszuruhen." Er läuft nach jedem Spiel eine Viertelstunde aus, macht viel individuelles Krafttraining. Der B.Z. verriet er seinen Speiseplan: "Süßkartoffeln, Gemüse und Fisch. Fünf Mahlzeiten pro Tag, um den Energiespeicher wieder aufzuladen."

Wenn man den Berliner Torwarttrainer Sebastian Elwing nach Vehanens Disziplin fragt, dann lacht er. Natürlich sei der Torwart immer der Erste in der Kabine. Doch es ist nicht nur das. Elwing spricht auch von Vehanens Wissenshunger, sich dem modernen Sport anzupassen. Als er das Eishockeyspielen lernte, standen Torhüter nur im Tor und reagierten. Heute müssen sie antizipieren, anders am Pfosten stehen, am Spiel teilnehmen, beweglicher sein. "Es ist alles viel schneller", sagt Vehanen. Beim ersten Puck, der angeflogen kommt, schon daran denken, zu verhindern, dass der nächste geflogen kommt - aber am besten gar nicht mehr denken, sondern einfach machen. So ungefähr beschreibt es Elwing.

Man muss über Vehanens Stärken übrigens mit seinem Torwarttrainer sprechen, da er selbst das nicht so gerne macht. "Ich bin nicht so der große Redner", sagt Vehanen. Elwing nennt ihn sogar einen "bescheidenen Menschen", was im nicht selten von großen Egos dominierten Eishockey eine schöne Abwechslung darstellt.

Zum Ende der Hauptrunde hat Elwing seinen Torhütern ein Video mit den besten Paraden zusammengestellt und mit historischen Zitaten unterlegt, "es geht ums Gewinnen und was alles möglich ist, wenn man nie aufhört." Dass Vehanen nie aufhört, ist unwahrscheinlich. Wie im vergangenen Sommer wird er nach der Saison wieder über sein Karriereende nachdenken. Als Meister aufzuhören, wäre sicher nicht die schlechteste Option. Doch Elwing sagt: "So wie er spielt, so wie er trainiert, kann er noch zwei Jahre weitermachen."

© SZ vom 18.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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