Doping im Radsport:Kohl beschuldigt weitere Sportler

Lesezeit: 3 min

Radprofi Bernhard Kohl gesteht, Kunde der geheimnisumwitterten Wiener Blutbank Humanplasma gewesen zu sein, und belastet seinen früheren Manager schwer.

Der österreichische Sportmanager Stefan Matschiner, 34, der in der Nacht zum Dienstag von einer "Sonderkommission Doping" verhaftet wurde, ist inzwischen von seinem ehemaligen Klienten, dem Radprofi Bernhard Kohl, ebenso wie Ende vergangener Woche bereits von der Triathletin Lisa Hütthaler schwer belastet worden. Der Österreicher Kohl, der als Dritter der vergangenen Tour de France des Dopings mit dem Epo-Nachfolgepräparat Cera überführt und für zwei Jahre gesperrt worden war, gab am Dienstagabend auf einer Pressekonferenz in Wien zu, dass er seit seinem ersten Kontakt mit Matschiner im Jahr 2005 dopt. Matschiner habe ihm Epo, Wachstumshormone, Insulin und Testosteron besorgt und Blutdoping für ihn organisiert, erklärte Kohl.

Bernhard Kohl beschuligt seinen früheren Manager schwer. (Foto: Foto: AFP)

Kohl gab zudem an, Kunde der geheimnisumwitterten Wiener Blutbank Humanplasma gewesen zu sein. Er sei mit Matschiner dreimal in der Wiener Plasmapherese-Station im 9. Bezirk gewesen und sei dort mit manipuliertem Eigenblut versorgt worden. Die letzte Bluttransfusion habe im September 2008 stattgefunden. Insgesamt habe er "rund 50 000 Euro" für die Dienste seines früheren Managers gezahlt, behauptete Kohl.

Außerdem soll Kohl bei seiner Aussage beim Bundeskriminalamt zwei weitere österreichische Sportler belastet haben. Laut österreichischen Medienberichten soll einer der Sportler Christian Hoffmann sein, Langlauf-Olympiasieger von 2002. Dieser wehrte sich jedoch empört. "Was? Was hat der gemacht? Ich kenne weder eine Blutzentrifuge noch Bernhard Kohl. Ich meine persönlich - ich kenne ihn nur aus dem Fernsehen", sagte Hoffmann der Kronen-Zeitung. Hoffmann nannte die Vorwürfe "absoluter Wahnsinn" und er "werde wohl einen Anwalt einschalten müssen".

Nach Angaben des früheren Gerolsteiner-Teamchefs Hans-Michael Holczer soll Bernhard Kohl während seines Höhenflugs bei der Tour de France 2008 keine Bluttransfusionen vorgenommen haben. "Das hat er ganz klar verneint", sagte Holczer am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur dpa. Über Kohls umfassendes Geständnis sagte Holczer nach einem Telefonat mit dem Radprofi: "Es unterstreicht meine Gewissheit: Es ist nicht kontrollierbar." Kohl sei "nicht einmal auffällig" gewesen.

Der mit einer Amerikanerin verheiratete Matschiner war gerade erst aus Florida in seine Heimat nach Oberösterreich zurückgekehrt, wo er offenbar bereits von Polizisten erwartet wurde: Unmittelbar nach seiner Einreise wurde der ehemalige Leichtathlet in Gewahrsam genommen. Der Haftbefehl wurde gegen ihn wurde mit dem "dringenden Verdacht der Weitergabe von Doping-Mitteln" begründet, "Matschiner wurde wegen Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr festgenommen", erklärte Staatsanwalt Gerhard Jarosch. Die Verdachtslage habe sich hinreichend erhärtet, seitdem die ebenfalls wegen Dopings gesperrte Triathletin Lisa Hütthaler Matschiner Ende der vorigen Woche in einem Interview mit der Zeitung Kurier beschuldigt hatte, sie mit dem Dopingmittel Epo versorgt zu haben.

Matschiner, der bislang alle Doping-Vorwürfe stets bestritt, hatte Dienstagnachmittag während der mehrere Stunden dauernden Vernehmung durch Beamte der Soko Doping des Bundeskriminalamtes Wien noch vor Kohls Pressekonferenz laut seinem Anwalt Franz Essl die Beteiligung an Bluttransfers für den ehemaligen Radprofi gestanden. Er bestreite aber die Weitergabe von Dopingpräparaten wie Epo. "Bei der umfassenden Hausdurchsuchung im Wohnhaus von Matschiner in Laakirchen wurden nach Angaben der Ermittler aber keine Dopingmittel oder Ähnliches vorgefunden", sagte Essl. Das Landesgericht für Strafsachen in Wien werde vermutlich an diesem Mittwoch über die Verhängung der U-Haft über Matschiner entscheiden.

Gerhard Jarosch, der Sprecher der Wiener Staatsanwaltschaft, sagte gegenüber Österreichs Nachrichtenagentur APA, die Ermittlungen der Wiener Soko hätten ergeben, "dass Matschiner noch im letzten Dreivierteljahr mit Doping-Mitteln gehandelt haben könnte" - also noch nach dem Inkrafttreten von Österreichs neuem Antidoping-Gesetz. Demzufolge kann die Weitergabe von Blutdoping-Mitteln mit Gefängnis von bis zu fünf Jahren bestraft werden.

In einem Telefongespräch mit der SZ am vorigen Freitag - nach Bekanntwerden von Hütthalers Vorwürfen - hatte sich Stefan Matschiner noch optimistisch gegeben. Auf die Frage, ob er nicht befürchte, dass ihn bei der Rückkehr nach Österreich die Polizei erwarten könnte, antwortete er: "Nein." Bei dieser Gelegenheit sagte er auch: "Es hat noch mehr Verhaftungen gegeben als die drei bisher bekannten."

Schon acht Verhaftungen

Wegen des Verdachts, gegen das neue Antidoping-Gesetz verstoßen zu haben, wurden bereits der ehemalige Skilanglauftrainer Walter Mayer, ein Radprofi aus Kärnten sowie ein Apotheker aus Wien verhaftet. Michaela Schnell, Pressesprecherin der Wiener Staatsanwaltschaft, bestätigte dem Wiener Kurier: "Es ist augenscheinlich, dass es da ein Netzwerk gegeben hat." Tatsächlich war am Dienstag aus Wiener Behördenkreisen zu erfahren, dass Matschiner bereits der achte Verhaftete in diesem Zusammenhang sein soll.

Aus ermittlungstaktischen Gründen will die Staatsanwaltschaft freilich keine weiteren Namen bekanntgeben. Aus Österreichs Bundeskriminalamt war zu hören, dass es mindestens zehn Zugriffe geben werde, "dann sehen wir weiter", sagte ein Sprecher. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft sind ihr inzwischen "mehrere Sportler" bekannt, die Matschiner mit verbotenen Substanzen beliefert haben soll.

Auch der Däne Michael Rasmussen - bei der Tour 2007 als Spitzenreiter wegen erdrückender Verdachtsmomente auf Unterlaufen des Kontrollsystems nach der 16. Etappe von seinem Team Rabobank aus dem Rennen genommen und suspendiert - war ein Klient des umtriebigen Stefan Matschiner.

© SZ vom 01.04.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Tour de France 2008
:Die große Doping-Schleife

Die 95. Ausgabe konnte die Schatten des Dopings nicht vertreiben, und auch einige Wochen nach der Tour de France werden immer neue Fälle bekannt. Aktuell sorgt ein Österreicher für Schlagzeilen.

Jetzt entdecken

Gutscheine: