Deutschland bei der Volleyball-EM:Angekommen im Rausch

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Erfolgreich gegen Kroatien: Heike Beier (links) und Kathleen Weiß. (Foto: dpa)

In beeindruckender Manier erreichen die deutschen Volleyballerinnen das Halbfinale bei der Heim-EM. Trainer Giovanni Guidetti lobt den großen Mannschaftsgeist - er ist auch außerhalb des Spielfelds auf ein funktionierendes Team angewiesen.

Von Saskia Aleythe

Giovanni Guidetti muss immer aufpassen, wenn er sich freut. Der Coach der deutschen Volleyball-Frauen gehört zur Spezies der modernen Trainer und ist technisch hochwertig ausgestattet. Guidetti tingelt am Spielfeldrand auf und ab, immer im Arm: ein Brett mit befestigtem Tablet-Computer. Als Christiane Fürst gegen Kroatien den Matchball verwandelt und damit Deutschlands Einzug ins Halbfinale der Heim-EM perfekt macht, sinkt Guidetti zu Boden. Er legt das Tablet ab. Ohne freut es sich leichter.

Guidetti durfte schon viel jubeln bei dieser EM, in der sich die deutsche Mannschaft stets zu steigern scheint. Die Technik hilft dem Italiener dabei, das Geschehen in Echtzeit zu analysieren. "Ich kriege das Spiel mit sieben Sekunden Verzögerung als Video. Wenn ein Ball gefallen ist, kann ich gucken, warum - war es ein Fehler von der Abwehr oder vom Block", erklärt der 40-Jährige: "Wir haben eine private Kamera, die das Spiel von hinten aufnimmt, aus einer anderen Perspektive, als ich sie habe. Dann hab ich alle Statistiken zu beiden Mannschaften, ich kann sehen, wann es Zeit ist zu wechseln und wann nicht."

Im Viertelfinale gegen Kroatien hat das bestens funktioniert. In drei Sätzen konnte das deutsche Team gewinnen, in einer Weise, die auch für die kommenden Spiele Mut macht. Zwar ließen die Deutschen mehrmals Chancen ungenutzt, im ersten Satz stand es nach einem 17:12-Vorsprung auf einmal 20:21, im zweiten Durchgang blieben fünf Satzbälle ungenutzt.

Volleyball-EM
:Deutschland kämpft sich ins Halbfinale

Die deutsche Mannschaft schlägt bei der Volleyball-EM Kroatien und zieht ins Halbfinale ein. Im ersten Satz führen die Deutschen schon 17:12, doch immer wieder kommen die Kroatinnen zurück - im zweiten Satz vergibt das Team von Trainer Guidetti sogar fünf Satzbälle.

Verunsichern ließ sich das deutsche Team davon aber nicht. Wenn es richtig wichtig war, machten sie die Punkte. "Man weiß: Wenn man Fehler macht, wird einem das in der Mannschaft verziehen", sagt Kapitänin Margareta Kozuch. Trainer Guidetti war vor allem mit der Blockabwehr um Christiane Fürst hochzufrieden. "14 Blocks in drei Sätzen, das ist eine sehr gute Quote", sagt er. Technisch und spielerisch sei seine Mannschaft den Kroatinnen nicht überlegen gewesen, aber: "Wir hatten einen unglaublichen Willen - das war der Unterschied".

Dass sich die deutsche Mannschaft in einen Rausch gespielt hatte, mussten auch die Kroatinnen anerkennen - und das nervte sie bisweilen gewaltig. Trainer Igor Lovrinov schien beinahe zu implodieren, verwehrte dem Bundestrainer nach dem Abpfiff den Handschlag. Auf der Pressekonferenz hatten sich die Emotionen schon wieder gelegt, Lovrinov entschuldigte sich artig.

Besonders stolz macht das deutsche Team der eigene Teamgeist. "Sie geben immer alles. Es ist für jede Mannschaft schwer, gegen uns zu spielen. Ich bin glücklich, diese Mannschaft zu trainieren", lobt Guidetti. Kozuch schwärmt vom "unglaublichen Selbstvertrauen": Es sei "ein supergeiles Gefühl. Ich hoffe, dass wir dieses Gefühl mit nach Berlin tragen".

Halbfinale gegen Belgien

Am Freitag trifft die deutsche Auswahl in der Max-Schmeling-Halle auf Belgien, das schon jetzt den größten EM-Erfolg seiner Geschichte feiern kann. Die Erfahrungen der Deutschen mit Belgien sind in diesem Jahr eher durchwachsen. Mitte Juli hatte sich Deutschland in der Europaliga mit Belgien gemessen, es gab ein knappes 3:2. Aus fünf Begegnungen 2013 resultieren drei Siege. "Wir hatten in diesem Jahr nur Probleme gegen Belgien", sagt Guidetti, "sie kennen uns gut."

Und doch ist Belgien eben nur Rang 39 in der Weltrangliste, Deutschland belegt Rang neun. "Wir haben mehr Erfahrung und sind vielleicht qualitativ ein bisschen weiter vorne", sagt Fürst. Zudem mussten die Belgierinnen gegen Frankreich in fünf Sätze gehen, um das Halbfinale zu erreichen. Das kostet Kräfte.

Dass Guidetti sein Tablet beim Halbfinale ablegt, ist nicht zu erwarten. Für die Bilder und Statistiken sorgt Stephan Kulhanek, der das Spiel mit der Kamera verfolgt. "Die Japaner wollten mir das System abkaufen, aber keine Chance", sagt er. "Diese Mannschaft ist etwas Besonderes", findet Guidetti. Und meint damit wohl nicht nur die auf dem Feld.

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