Davis Cup :Zverev-Brüder missachten das Drehbuch

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Alles andere als zufrieden: Alexander (rechts) und Mischa Zverev. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Alexander und Mischa Zverev blockieren sich im Davis-Cup-Doppel gegen Außenseiter Belgien lange selbst. Nun droht in den Einzeln am Sonntag das Aus.

Von Philipp Schneider, Frankfurt

Da saßen sie nun. Die zwei Brüder und ihr Trainer. Etwas ungläubig blickten sie in die Runde. Wie die Hauptdarsteller eines soeben vorgetragenen Bühnenstücks, denen irgendwer vor der Aufführung ohne Rücksprache das Drehbuch umgeschrieben hatte. Und die sich nun trotzdem rechtfertigen mussten, weswegen sie die im ursprünglichen Skript geplante Pointe nicht gespielt hatten.

Das Drehbuch dieses Samstags hatte einen klarer Sieg der Zverevs vorgesehen - die Zverevs verloren. Statt Selbstbewusstsein auszustrahlen, agierten die beiden Brüder nervös. "Natürlich ist man angespannt, man ist ja nicht zum Spazieren hier", erklärte Mischa Zverev in einem für ihn ungewöhnlich spitzen Tonfall: "Wohlfühlen tut man sich nur, wenn man nach einem Sieg abends im Bett liegt und fernguckt." Dieses Szenario kam am Ende des zweiten von drei Spieltagen wahrlich nicht in Frage für die Mitglieder des deutschen Davis-Cup-Teams.

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Anders als allgemein erwartet, liegt Deutschland am Ende eines tristen Samstags in der Frankfurter Ballsporthalle gegen Außenseiter Belgien nicht vorne, sondern zurück. Nachdem sich Alexander und Mischa Zverev im Doppel dem Duo Ruben Bemelmans und Joris De Loore nach 3:13 Stunden Spielzeit mit 3:6, 6:7 (4:7), 6:4, 6:4, 3:6 geschlagen geben mussten, steht es tatsächlich 2:1 für die Gäste, die ohne ihren Spitzenspieler David Goffin angereist waren. Deutschland muss nun am Sonntag (ab 13 Uhr) beide Einzel gewinnen, um doch noch den Einzug ins Viertelfinale zu schaffen.

"Krampfansätze in den Beinen"

Bislang sind Philipp Kohlschreiber und Alexander Zverev für die beiden Partien vorgesehen. "Ich gehe davon aus, dass wir so spielen, wie wir bei der Auslosung nominiert haben", sagte Kapitän Michael Kohlmann. Allerdings erwähnte er auch, dass Kohlschreiber, der am Freitag in fünf Sätzen gegen Steve Darcis verloren hatte, nach der Partie "Krampfansätze in beiden Beinen" gespürt habe.

In der Theorie war am Samstag alles angerichtet für ein Ereignis, das in der bunten Chronik des Deutschen Tennis-Bunds ein paar launige Extraseiten füllen sollte. Erstmals in seiner über einhundert Jahre alten Geschichte spielte ein Brüderpaar Doppel im Davis Cup. Und Brüderpaare sind ja grundsätzlich eine spannende Angelegenheit, seit sich Romulus und Remus um die Zitzen einer Wölfin balgten. Im Tennis können sich Brüder sehr ähnlich sein, wie die amerikanischen Zwillinge Bob und Mike Bryan, die in einer Art Symbiose leben und auf der Tour schon so lange gemeinsam Doppel spielen, dass man sich fast ein bisschen erschreckt, wenn man mal einen von ihnen alleine um die Ecke biegen sieht. Tennisbrüder können allerdings auch sehr unterschiedlich sein, wie beispielsweise die Engländer Andy und Jamie Murray. Oder die Zverevs, Mischa und Alexander.

Im Doppel ist es kein Nachteil, wenn die Spielanlagen der Partner stark variieren, wenn sie stattdessen ineinandergreifen wie Teile eines Puzzles. In der Theorie passen Mischa und Alexander so gut zusammen, weil ihr Spiel gar nicht unterschiedlicher sein könnte. Alexander ist Rechtshänder, Mischa ist Linkshänder. Alexander hat einen wuchtigen Aufschlag und dominiert die Ballwechsel mit Krafttennis von der Grundlinie. Mischa dagegen hatte erst vor wenigen Tagen das Publikum bei den Australian Open in Melbourne verzückt mit seiner fast aus der Zeit gefallenen Vorliebe für das Volleyspiel.

Er stürmte nach vorne und lief wieder zurück, stürmte nach vorne und lief wieder zurück, solange, bis Andy Murray, der Weltbeste, plötzlich verloren hatte. Am Samstag aber lief kaum etwas zusammen bei den Zverevs. Was sich zusammenfügte zu einem größeren Bild, waren nicht ihre Stärken, sondern ihre Schwächen: Vor allem in den ersten zwei Sätzen verzog Alexander seine Rückhand ungewöhnlich oft und verschlug simple Volleys. Mischa servierte schwach und spielte fehlerhaft in der Zone vor dem Netz, die er in Melbourne so gut beherrscht hatte.

Nun sind die Belgier Ruben Bemelmans und Joris De Loore keine Weltklassepaarung, Bemelmans ist die Nummer 329 der Doppel-Weltrangliste, De Loore steht auf Platz 528. Aber die Belgier sind etwas eingespielter und sie hatten einen Plan, mit dem sie die Raumaufteilung der Zverevs so durcheinanderwirbelten, dass sie sich eher behinderten als unterstützten.

Schwierige Aufgabe am Sonntag

"In den ersten beiden Sätzen wussten sie genau, was sie machen müssen und wir hatten noch unsere Probleme", sagte Alexander Zverev, der gleich sein erstes Aufschlagspiel verlor. Im zweiten Satz gab Mischa seinen Aufschlag ab, was seinen zehn Jahre jüngeren Bruder zu zwei Schlägerwürfen animierte. Beim zweiten Wurf sprang der Schläger vom Boden zurück und prallte gegen die Bande der deutschen Box - dafür erhielt er eine Verwarnung. "Wer auf dem Platz keine Emotionen zeigt, dem ist das Spiel egal", hatte Zverev am Tag zuvor noch erzählt, um seine Gefühlsausbrüche zu rechtfertigen, die ja auch eine Begleiterscheinung seines enormen Siegeswillens sind.

Dieser führte die Brüder im zweiten Satz in einen Tiebreak, den sie auch deshalb verloren, weil sie jeweils einen Doppelfehler servierten. Und schließlich in einen entscheidenden fünften Satz, in dem Mischa das Aufschlagspiel zum 2:4 verlor. "In den letzten Sätzen hat man gesehen, dass wir die besseren Spieler sind, aber es ist immer schwer einen 0:2-Satzrückstand aufzuholen", sagte Alexander Zverev. Ähnlich schwierig dürfte es werden, den 1:2-Matchrückstand am Sonntag aufzuholen.

© SZ vom 05.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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