Deutscher Olympischer Sportbund:Nur noch ein Alphatier

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Der umstrittene Michael Vesper tritt nach elf Jahren als Vorstandschef ab. Präsident Hörmann dürfte die Richtung künftig noch stärker bestimmen.

Von Johannes Aumüller, Koblenz

Es dauert nicht mehr lange, dann darf sich Deutschlands oberster Sportpolitiker Alfons Hörmann ganz offiziell wieder Vorstandschef nennen. Anfang Januar tritt er beim Baden-Badener Bauzulieferer Schöck einen neuen Job an, er wechselt von der Spitze des Aufsichtsrates an die Spitze des operativen Geschäftes. Und auch wenn das Interesse des deutschen Sports an der Bauzulieferer-Branche grundsätzlich begrenzt sein mag, so wird doch der eine oder andere Vertreter aufmerksam verfolgen, wie Alfons Hörmann, 57, die beiden Tätigkeiten voneinander abgrenzt. Denn das Verhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsgremium und damit die Frage, wer welchen Einfluss hat, das ist etwas, was auch die Mitglieder des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) gerade sehr interessiert.

Im deutschen Sport steht eine Zäsur an. Der umstrittene Vorstandschef Michael Vesper hört nach elf Jahren als oberster Hauptamtlicher des DOSB auf. Der Mitgliederkonvent in Koblenz an diesem Wochenende ist sein letzter großer Auftritt. Von Januar an übernimmt Veronika Rücker den Posten. Und jetzt wird vor allem eine Frage debattiert: Geht es im deutschen Sport, in dem so vieles im Argen legt, endlich voran? Oder wird es eher noch schlimmer, weil von dem Personalwechsel insbesondere der nicht minder umstrittene Präsident Alfons Hörmann profitieren dürfte?

Etwas mehr als elf Jahre ist es her, dass der Grünen-Politiker Vesper, 65, beim damals neu gegründeten DOSB anfing. Er selbst beurteilt seine Zeit dort so: "Es gibt immer befriedigende und unbefriedigende Situationen, aber insgesamt empfinde ich die elf Jahre als erfolgreich."

Viele sehen das anders. Die Liste der Mängel ist lang, unter anderem folgende gehören dazu: Drei deutsche Olympia-Kandidaturen scheiterten. Im Anti-Doping-Kampf wehrte sich der Sport verbissen gegen ein hartes Gesetz, wie es inzwischen in Kraft ist. Die Berater von Ernst & Young stellten dem Verband ein schlechtes Zeugnis aus. Und die angedachte Reform des Leistungssportes verliert sich im Dauerstreit zwischen DOSB und Bundesinnenministerium, dem wichtigsten Geldgeber.

Letzte Mission: 2016 in Rio saß Michael Vesper noch einmal der deutschen Olympia-Delegation vor – nun wechselt er endgültig auf einen Ruhesitz. (Foto: imago/Sven Simon)

Neben den Inhalten war es auch Vespers Art, die viele verstörte, sowohl innerhalb des Sportbetriebs als auch im politischen Betrieb. Vesper sieht das entspannt: "Natürlich bin ich nicht fehlerfrei und manchmal vielleicht zu ungeduldig. Aber Sie können in dieser Funktion nicht immer Everybody's Darling sein. Irgendwann müssen Sie ja oder nein sagen, und dann ist immer auch mal jemand enttäuscht."

In Berlin hat Hörmann ein schlechtes Standing - vor allem wegen seines Stils

Das klingt in Summe so, als ob es für einen Nachfolger nur besser laufen kann. Zumal Veronika Rücker, 47, durchaus wie ein Gegenentwurf wirkt. Sie ist Sportwissenschaftlerin, war früher Tennisspielerin und -funktionärin und leitet seit 2015 die Führungsakademie des DOSB, einer Institution, die Verbände berät. Vor sechs Monaten entschied sich das Präsidium für ihre Ernennung, im Hintergrund arbeitet sie seitdem schon mit; etwa am neuen DOSB-Leitbild, das in Koblenz verabschiedet werden soll. Mit den Medien sprechen will sie derzeit nicht. Sportpolitisch fiel sie bisher überhaupt nicht auf.

Jetzt ist die zentrale Frage, welchen Einfluss sie haben wird.

Vor drei Jahren gab es im DOSB eine Strukturreform. Demnach soll sich der Vorstandschef ums operative Geschäft kümmern und der Präsident nur noch eine Art Aufsichtsrat leiten und repräsentieren. Es gibt nicht viele im Sport, die finden, dass diese Trennung so gelebt wurde. Stattdessen war Präsident Hörmann oft in sehr operativer Funktion zu finden und gab es manchen Ärger zwischen den beiden DOSB-Alphatieren.

Offenkundig wollte Hörmann keine (sport-)politisch etablierte Persönlichkeit als Nachfolger Vespers. So zeichnet sich folgende Konstellation ab: Die sportpolitisch unerfahrene Veronika Rücker soll die Zentrale in Frankfurt pflegen, sich um interne Strukturen und Ähnliches kümmern. Aber die großen Fragen und die hohe Sportpolitik verkämen so zur One-Man-Show von Hörmann. Das löst bei vielen Sportvertretern durchaus Bedenken aus.

Der Allgäuer mochte bei seinem Amtsantritt 2013 als zupackender Typ rüberkommen, insbesondere nach den lähmenden Jahren unter dem DOSB-Gründungspräsidenten Thomas Bach. Aber längst ist Hörmanns Beliebtheit im Sport etwa so gering wie die von Vesper, nur war der für die Verbände auf seine Art berechenbarer. Kritik an ihm oder an seinen Ideen wertet Hörmann offenkundig oft als persönlichen Angriff. Im vergangenen Jahr gab es mit verschiedenen Spitzenleuten Ärger. Zudem ist Hörmanns Außendarstellung oft fatal: Im Vorjahr etwa versuchte er eine belanglose Umfrage unter Athleten zu einem breiten Ja zur Leistungssportreform aufzuhübschen, später bezeichnete er das als Missverständnis.

Neue Führungskraft: Veronika Rücker, 47, steht künftig dem Vorstand des DOSB vor. (Foto: imago/Eberhard Thonfeld)

Ein ausgeprägtes internationales Netzwerk wiederum fehlt ihm, und sein Verhältnis zur deutschen Politik ist problematisch. Sein Draht zum aktuellen Innenminister Thomas de Maizière gilt zwar als gut und je nach künftiger Besetzung des Postens könnte ihm seine frühere Tätigkeit als CSU-Funktionär zugute kommen. Aber bei vielen Sportpolitikern in Berlin hat er ein schlechtes Standing; nicht nur wegen eines Dissenses bei Inhalten, sondern auch wegen seines Stils. Sie erinnern sich an Auftritte rund um die finanzielle Ausstattung des Sportes. Oder auch daran, wie Hörmann nach dem Nein der Hamburger Bevölkerung zu einer Olympia-Bewerbung vor allem auf die Politik schimpfte, im Kreis der Fachverbände gar über "Mutti" - die Bundeskanzlerin.

Wie soll, fragen sich viele, da eine erfolgreiche Sportpolitik möglich sein? In kleinen Zirkeln laufen schon länger Überlegungen, ob es eine Alternative zu Hörmann gibt. Aber der ist nun mal gewählt bis Ende 2018, und so will jetzt noch keiner so recht aus der Deckung gegen diesen Alfons Hörmann, der bald gleichzeitig Vorstandschef und Leiter eines Aufsichtsgremiums ist.

© SZ vom 01.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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