De Maizière über Urteil gegen Sotschi-Kritiker:"Ziemlich unverhältnismäßig, keine Frage"

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Umweltschützer Jewgeni Witischko - im Dezember 2013. (Foto: Mikhail Mordasov/dpa)

Er soll drei Jahre im Arbeitslager verbringen: Das harte Urteil gegen den Olympia-Kritiker Witischko wird zum Fall für die Politik. Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière schaltet sich nun ein und kritisiert die russischen Behörden.

Noch bis Mitte nächster Woche sitzt Jewgenij Witischko in seiner Heimatstadt Tuapse nördlich von Sotschi in Arrest. Danach muss der Geologe von der Umweltorganisation "Ökologische Wacht im Nordkaukasus" täglich befürchten, ins Arbeitslager geschickt zu werden - zu drei Jahren Haft hat ihn das Gericht in Krasnodar am Mittwoch in einem von Menschenrechtsorganisationen als politisch motiviert bezeichneten Spruch verurteilt. Doch Witischkos Unterstützer hoffen, dass durch etwaige Bemühungen ausländischer Regierungen und des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) noch einmal Bewegung in den Fall kommt.

Nun hat auch die deutsche Bundesregierung die russischen Behörden kritisiert. "Das Strafmaß bei einem Protest am Zaun eines Gouverneurs ist nach unserer Rechtsordnung ziemlich unverhältnismäßig. Keine Frage", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière bei einer Pressekonferenz am Sonntag in Sotschi.

Am Freitag hatte es bereits im Hotel Marriott in Krasnaja Poljana ein Treffen der norwegischen Ministerpräsidentin Erna Solberg gegeben mit Witischkos Anwalt Alexander Popkow, Ökowacht-Mitglied Wladimir Kimajew und Semjon Simonow, Vertreter der Menschenrechtsorganisation Memorial. Solberg habe zugesichert, den Fall Witischko bei Russlands Ministerpräsidenten Dmitrij Medwedjew anzusprechen. Vergangene Woche hatte sich der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte mit Aktivisten getroffen.

Witischko und die Ökowacht hatten in den vergangenen Jahren vehement die Umweltsünden im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen thematisiert. 2011 protestierten sie gegen einen Zaun, der ihrer Meinung nach illegal um eine Villa von Regionsgouverneur Alexander Tkatschow errichtet worden war. Witischko erhielt eine dreijährige Bewährungsstrafe, die nun in drei Jahre Arbeitslager umgewandelt wurde. Zudem wurde er kurz vor den Spielen wegen öffentlichen Fluchens zu 15 Tagen Arrest verurteilt, die er derzeit absitzt.

Dass sich die internationale Politik des Falles annimmt, erhöht den Druck aufs IOC. Das Gremium, das Menschenrechtsorganisationen schon im Vorjahr auf den Fall aufmerksam gemacht hatte, erklärte lediglich, man habe bei den russischen Behörden weitere Klärungen angefragt. "Nach unseren Informationen hat er gegen geltendes russisches Recht verstoßen", sagte Präsident Thomas Bach der dpa. "Auch bei früheren Nachfragen ist uns mitgeteilt worden, dass die Verurteilung nicht im Zusammenhang stehe mit den Olympischen Spielen." Auf die Anfrage, ob sich Bach mit Witischkos Unterstützern treffen werde, sagt das IOC: Dies sei "nicht geplant".

De Maizière äußerte sich am Sonntag zudem kritisch über die Menschenrechtslage im Olympia-Gastgeberland. "Die menschenrechtliche Lage in Russland wird sich durch die Olympischen Spiele in Sotschi nicht zwingend bessern, sie wird vermutlich aber auch nicht zwingend schlechter", sagte der CDU-Politiker. Russland müsse aushalten, dass diese Frage nun in der ganzen Welt diskutiert und thematisiert werde. "Das gehört zu einer offenen Gesellschaft", sagte de Maizière. Er habe diesbezüglich ein langes Gespräch mit IOC-Präsident Thomas Bach geführt. Auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) kündigte am Wochenende Gespräche mit dem IOC an.

© SZ.de/Johannes Aumüller/dpa/sid - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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