Bremen - Stuttgart (20.15 Uhr):Immer positiv

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"Es ist toll für die jungen Leute, mit solchen Legenden arbeiten zu dürfen": Bremen ist froh, dass Clemens Fritz als Spieler weitermacht. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Im Kampf gegen den Abstieg setzt Werder-Kapitän Clemens Fritz mit seiner Vertragsverlängerung ein Zeichen: Er will dazu beitragen, dass es wieder in die richtige Richtung geht.

Von Jörg Marwedel, Bremen

Am Donnerstagabend gegen 23 Uhr hat der NDR eine Meldung verlesen mit der Ansage, nun habe Werder Bremen Konsequenzen aus der misslichen Tabellensituation gezogen. Wer vermutete, nun folge die Nachricht von der Beurlaubung des mäßig erfolgreichen Trainers Viktor Skripnik, lag daneben. Stattdessen war es eine Botschaft, die erneut zeigte, wie der Klub, der als Tabellensechzehnter am Montagabend (20.15 Uhr) eine wegweisende Begegnung mit dem einen Platz davor stehenden VfB Stuttgart vor sich hat, mit brenzligen Situationen umgeht. Kapitän Clemens Fritz, 35, der Anfang des Jahres angekündigt hatte, seine Laufbahn im Sommer zu beenden ("ich möchte abtreten, wenn die Fans mich noch nicht aus dem Stadion jagen"), hat sich nach Gesprächen mit dem Trainerteam und Geschäftsführer Thomas Eichin entschieden, den Vertrag um ein Jahr zu verlängern - auch für den Fall des Abstiegs in die zweite Liga.

Das war eine positive Kunde, wie sie der Verein in dieser schwierigen Zeit nicht besser hätte erfinden können. Fritz, der auch in dieser Saison meist einer der besten Bremer ist, geht dann in sein elftes Jahr für die Grün-Weißen. Er ist damit fast so ein Werder-Gesicht wie sein Vorgesetzter Skripnik, der seit zwanzig Jahre hier arbeitet - erst als Profi, dann als Nachwuchstrainer und seit Oktober 2014 als Chefcoach (wenn auch nicht unumstritten). Auch die Begründung des Mittelfeldspielers für seinen Rücktritt vom Rücktritt, passt zu seiner Vereinstreue. Nach dem 1:2 daheim gegen Augsburg vor drei Wochen habe er sich gesagt: "So kann es nicht zu Ende gehen."

Seit zwei Jahren ist er Mittelfeldspieler

In der Tat sind es die beiden Oldies Fritz und Claudio Pizarro, 37, um die sich die Mannschaft schart. "Solche Figuren findet man nicht so leicht auf dem Transfermarkt", sagt Geschäftsführer Eichin. Skripnik ergänzt: "Es ist toll für die jungen Leute, mit solchen Legenden arbeiten zu dürfen." Wobei Pizarro im Gegensatz zu Fritz Werder zuweilen durchaus untreu wurde (FC Bayern, FC Chelsea) und auch jetzt nur um ein weiteres Jahr verlängern möchte, wenn Werder in der Bundesliga bleibt.

Dass Fritz noch so gut unterwegs ist, überrascht durchaus. Vor zwei Jahren schien sich seine Karriere dem Ende zuzuneigen. Als rechter Außenverteidiger blieb er hinter flinken Gegnern zurück wie ein ermatteter Marathon-Läufer. Deshalb versetzte ihn Skripnik ins Mittelfeld. Dort muss er nicht in so vielen Laufduellen bestehen, sondern kann seine Erfahrung ausspielen.

Während die anderen Werder-Profis auch in dieser Woche nicht mit den Medien reden durften, um sich auf den Kampf gegen den Abstieg zu konzentrieren, saß Fritz bei der Pressekonferenz neben Eichin und Skripnik. Er ist ja schon seit einiger Zeit derjenige, der auch in heiklen Situationen spricht und bei Marketingterminen vorgeschickt wird, weil er die richtigen Worte im Sinne des Vereins findet. Jetzt formulierte er zum Beispiel diesen aufmunternden Satz: "Ich bin total davon überzeugt, dass wir die Klasse halten werden." Im Team stecke viel mehr, und er wolle dazu beitragen, "dass es wieder in die richtige Richtung geht". Immer positiv.

"Blockade hier, Blockade da - ich kann es nicht mehr lesen"

Fritz hatte als Kapitän selbst Auseinandersetzungen mit den Medien nicht gescheut, die nach jeder Niederlage angeblich alles zu schwarz malen. Anfang März etwa sagte er: "Dieses Negative geht mir echt auf den Sack. Blockade hier, Blockade da - immer die gleiche Kacke. Ich kann es ehrlich gesagt nicht mehr lesen." Es ist wahrscheinlich, dass er langrfristig die Werder-Philosophie vertreten wird. Fritz hat schon einen Anschlussvertrag nach der Profikarriere und wird nach einer Auszeit von einem Jahr eine Ausbildung bei Werder machen, entweder im Management oder als Trainer.

Doch vorerst gilt es, sich auf die Partie gegen Stuttgart vorzubereiten. Während der VfB ein Kurztrainingslager auf Mallorca wählte, entschieden die bodenständigen Bremer, zwei Nächte in der 20 Kilometer entfernten Pferdestadt Verden zu verbringen. Viktor Skripnik, dem gerne vorgehalten wird, auch in Krisenzeiten alles wie immer zu machen, hat die kleine Auszeit außerhalb der Stadt abgesegnet. "Zwei Tage zusammen sein, im Fernsehen Bundesliga gucken und schnacken." Vielleicht ist das ja die Formel zum Klassenverbleib.

© SZ vom 01.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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