Bremen:"Das hatte mit Fußball wenig zu tun"

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Mit hohem Einsatz verdient erkämpft? Glücklich? Der Werder-Sieg polarisierte.

Von Jörg Marwedel, Bremen

Thomas Delaney wusste, bei wem er sich besonders bedanken wollte. Der Mittelfeldspieler des SV Werder stapfte nach dem Abpfiff über das halbe Spielfeld, um Torwart Jiri Pavlenka in die Arme zu schließen. Noch in der Nachspielzeit hatte der immer besser werdende tschechische Nationalkeeper einen Kopfball des Hoffenheimers Benjamin Hübner mit einem spektakulären Reflex an die Latte gelenkt, damit die Verlängerung verhindert und den Bremer 1:0-Sieg im DFB-Pokal gesichert. Werder-Trainer Alexander Nouri hatte noch einen anderen Erfolgsfaktor ausgemacht, der angeblich sogar den überragenden Pavlenka übertraf: "Unser stärkster Spieler, das waren die Fans." Damit war viel gesagt über ein Match, das alle Attribute erfüllte, die man einem Pokalmatch zwischen David und Goliath zuschreibt.

Der Bundesliga-Vierte Hoffenheim war in fast allen Belangen überlegen, aber die in der Bundesliga mal wieder stark abstiegsgefährdeten Bremer zeigten größten Einsatz. Über die Frage, ob der Sieg gegen die dominanten Gäste (16:6 Torschüsse für Hoffenheim, 514:166 angekommene Pässe, 69 Prozent Ballbesitz) rechtschaffen war, darüber gab es eine hitzige Debatte. Während der überglückliche Nouri den Spielausgang als "verdient" bezeichnete, weil der "Spirit zu fighten" seine Mannschaft getragen habe, konterte Julian Nagelsmann, einst Nouris Mitschüler in der Trainerausbildung: "Wir sind unverdient ausgeschieden."

Während die Bremer ihr 36. erfolgreiches Pokal-Heimspiel hintereinander seit 1988 feierten, ließen die genervten Hoffenheimer keine Möglichkeit aus, dem Gastgeber dessen Unzulänglichkeiten vorzuführen. Sie verwiesen auf zwei Lattentreffer - und auf zwei Situationen, in denen über einen Elfmeter für Hoffenheim hätte diskutier werden können. Zuerst foulte Ulisses Garcia im Strafraum Kerem Demirbay (18.), später hinderte der Bremer Niklas Moisander den TSG-Stürmer Mark Uth auf eine Weise am Torschuss (74.), die womöglich regelwidrig war.

"Das hatte mit Fußball wenig zu tun, die haben die Bälle nur nach vorn geschlagen", ereiferte sich Hoffenheims Sportdirektor Alexander Rosen über die Bremer Spielweise - und fügte an, Werder habe früher mal fußballerisch "für ansprechende Güte" gestanden. Nagelsmann hatte die Bremer zwar defensiv erwartet, aber nicht, wie er ätzte, "dass sie mit vier Außenverteidigern spielen". Werder habe spätestens in der zweiten Halbzeit "kein Land gesehen". Und Demirbay, über den fast alle Hoffenheimer Angriffe liefen, war auch eine Stunde nach Abpfiff noch fassungslos; einen Gegner, der "so wenig spielt", erlebe er selten. Es habe ja eine einzige Flanke zum Sieg gereicht. Das mache ihn sehr wütend.

"Es war ein großartiges Gefühl", sagt Tor-Debütant Belfodil

Den Bremern war das ziemlich egal. Man habe das Glück "erzwungen", sagte Kapitän Zlatko Junuzovic. Ludwig Augustinsson, quasi einer der vier Außenverteidiger, wusste, dass das Werder-Spiel nicht schön anzusehen war: "It wasn't pretty", sagte der Schwede. Und Ishak Belfodil war die Frage egal, ob er seinen ersten Treffer für die Bremer in der 31. Minute als "Neuner" oder "Zehner" erzielt hatte. Er selbst sieht sich eher als Spielgestalter, während ihn die Bremer eher als Sturmspitze einstufen, weil er groß, kräftig und kopfballstark ist. Aber er tue alles für das Kollektiv, sagte Belfodil. Es sei ein "großartiges Gefühl" gewesen, endlich das erste Tor für seinen neuen Klub geschossen zu haben, merkte der fleißige Algerier an.

Auf jeden Fall sorgte sein Tor dafür, dass die Fans am Sonntag zum nächsten Abstiegskampf-Kapitel gegen den FC Augsburg "mit einem positiven Gefühl" ins Weserstadion kommen werden, hofft Junuzovic. Von einer "Befreiung" wollte der gerade genesene Stürmer Max Kruse aber nicht reden. In der Bundesliga ist Werder noch immer kein Sieg gelungen, da nützt es vorerst auch nichts, dass man für den Einzug ins Achtelfinale des Pokals 637 000 Euro kassiert. Ein Betrag, den der David Werder im Etat vorsichtshalber nicht vorgesehen hatte.

© SZ vom 27.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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