Bremen:Angst? Was ist das?

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Werder erreicht nur ein 0:0 in Köln und schöpft doch Mut. Man wurde sogar den Eindruck nicht los, dass das Team am liebsten gleich zur letzten Bundesliga-Partie in dieser Saison gegen Eintracht antreten würde.

Von Milan Pavlovic, Köln

Wohin man auch blickte in den Katakomben des Kölner Stadions, man sah immer wieder das gleiche Bild: das von stolzen, gestärkten, siegesgewissen Bremern. Als wären alle gleich gepolt - Körper aufrecht, Blick nach oben, klare Sprache -, richteten die Werderaner den Fokus sogleich auf nächsten Samstag. Dann reist Frankfurt an, und nur als Sieger kommt Werder um den Nervenkitzel der Relegation herum: "Das wird zwar ein Kopf-und-Nerven-Spiel, aber wir haben keine Sorgen, dass der Kopf verrückt spielt", sagte Manager Thomas Eichin. Torhüter Felix Wiedwald, ein ehemaliger Frankfurter, pflichtete bei: "Wer mehr Angst hat, wird verlieren. Wir haben keine." Fin Bartels gab zu bedenken: "Auf Unentschieden zu spielen, geht oft daneben", da sei es besser, auf Sieg spielen zu müssen - "dass wir das können, haben wir schon öfter bewiesen in dieser Saison." Trainer Viktor Skripik verkürzte das Duell auf die Formel: "Wir müssen gewinnen, dann ist alles okay."

Kaum jemand beschäftigte sich mit dem 0:0 in Köln. Dabei hatte die Partie einige interessante Erkenntnisse abgeworfen: Werder hatte erstmals in dieser Saison zu null gespielt (Skripnik: "Das tut dem Selbstbewusstsein gut"), war aber dennoch hinter Frankfurt auf Platz 16 gerutscht. Die Hanseaten hatten das Spiel eine Halbzeit lang in einem unterkühlten Stil kontrolliert, der so gar nicht zu den üblichen Achterbahn-Fahrten des Klubs passte. (Das wilde 6:2 gegen Stuttgart lag nur fünf Tage zurück.) Und als es gegen bessere Kölner eng wurde, war es der oft kritisierte Wiedwald, der mit fünf starken Paraden die Null hielt; erstmals seit Spieltag 31 der Vorsaison, als es zu einem 1:0 reichte, kurioserweise gegen Frankfurt.

Man wurde den Eindruck nicht los, dass viele Bremer am liebsten gleich mit dem Entscheidungsspiel gegen die Eintracht begonnen hätten. Erstaunlich schnell hakten sie auch eine grobe Benachteiligung ab: Schiedsrichter Zwayer hatte ein Tor von Santiago Garcia (26.) annulliert - zu Unrecht, denn FC-Keeper Horn war von eigenen Spielern (Modeste und Heintz) behindert worden. Werder-Kapitän Clemens Fritz haderte kurz verklausuliert: "Wenn ich dazu was sage, sitze ich nächste Woche auf der Tribüne." Ansonsten redeten die Gäste lieber über Frankfurt: "Druck ist für uns nichts Neues", sagte Eichin, er sporne eher an. "Wir werden mit viel mehr Selbstbewusstsein spielen" versprach Skripnik: Denn "das Publikum verleiht uns 15 bis 20 Prozent mehr Energie".

Die Bremer redeten forsch, aber nicht großspurig. Sie finden, dass ihre in den Vorjahren gesammelte Routine im Abstiegskampf, gepaart mit dem Enthusiasmus der Fans, eine exzellente Basis bietet: "Ich bin froh, dass wir alles in unserer Hand haben", sagte Skripnik. Eichin ergänzte: "Das ist ein gutes Gefühl." Solche Sätze hört man selten von einem Tabellen-16.

Pizarro vergibt Großchancen, Bartels ist im "Finale" gesperrt

Was den Bremern vor dem "Finale um Platz 15" zu denken geben sollte, ist die Tatsache, dass sie ihre besten Spiele gegen Teams bestritten haben, die nicht ganz so arg auf Abwehrarbeit erpicht waren: 4:1 in Leverkusen, 3:1 bei Schalke 04, 6:2 gegen Stuttgart. Wenn es aber gegen diszipliniertere Teams geht, tut sich die Elf deutlich schwerer. Schon in Köln reichte es nur zu zwei Großchancen in der Nachspielzeit, die Claudio Pizarro verblüffenderweise ausließ. So einen Luxus kann sich der Torjäger gegen Frankfurt, das schon gegen Dortmund an seiner Mörteltaktik feilte, eher nicht leisten. Gegen die Eintracht braucht es kühle Köpfe und feine Füße.

Einer, der zuletzt beides zeigte, wird diese Partie allerdings versäumen: Fin Bartels handelte sich wegen Meckerns eine unnötige Gelb-Sperre ein. Das sei ihm in dem Moment gar nicht bewusst gewesen, "dumm" sei das, sagte er später und wurde mit jedem Wort leiser. Es war der einzige Augenblick, als ein Bremer geschrumpft wirkte, den Blick nach unten, und kaum zu verstehen war.

© SZ vom 09.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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