Boxen:Weltmeister im Sprücheklopfen

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Tyson Fury nach seinem Sieg gegen Wladimir Klitschko. (Foto: Peter Cziborra/Reuters)

Tyson Fury will nach dem Kampf gegen Wladimir Klitschko in Manchester zurücktreten.

Von Benedikt Warmbrunn, München

Wirklich überraschend werden die Auftritte des Boxers Tyson Fury gerade dann, wenn er keine Boxhandschuhe anhat. Die vergangene Woche zum Beispiel war eine Woche voller Tyson-Fury-Momente; dass er zurzeit Weltmeister im Schwergewicht bei zwei der vier wichtigsten Box-Verbände ist, war dabei zwar der Anlass für diese Momente, ansonsten aber eher nebensächlich. Fury tanzte. Fury zog sich das Oberteil aus und presste mit den Händen seinen schwabbeligen Bauch zusammen. Fury täuschte vor, fast eingeschlafen zu sein, als sein nächster Gegner, Wladimir Klitschko, gesprochen hatte. Als dann die PR-Tournee zum Rückkampf zwischen den beiden am 9. Juli in Manchester beendet war, hatte Fury viel geredet, eines aber hatte er offensichtlich vergessen zu sagen. "Das wird mein bester Kampf", schrieb er am Sonntag auf Twitter, "danach trete ich zu 100 Prozent zurück."

27 Jahre ist der Brite alt, in dieser Zeit hat er schon für so viel Verwirrung gesorgt, dass nun nicht ganz klar ist, wie ernst er diese Ankündigung meint. Er beschimpfte einst so ziemlich jeden Gegner. Er beschimpfte Homosexuelle und Andersgläubige. Manches davon nahm er wieder zurück, anderes nicht. Auch sich selbst verschonte er nicht vor Beleidigungen; als er vergangene Woche seinen Oberkörper entblößte, stellte er fest, er sei "fett wie ein Schwein" - und dennoch habe sich Klitschko im ersten Kampf Ende November von ihm besiegen lassen. "Vergesst nicht, dass ich den besten Schwergewichtsboxer besiegt habe", twitterte Fury am Montag seiner Rücktrittsankündigung hinterher. "Wenn ich ihn noch einmal besiege, bleibt mir nichts, was ich beweisen muss."

Einem Duell mit Olympiasieger Joshua weicht Fury aus

Auch das ist wieder eine exklusive Sicht auf den Lauf der Dinge. Fury, der 13 Jahre jünger als Klitschko ist, hat zwar schon mehrfach angedeutet, dass er zu den besten Boxern im Schwergewicht gehört - wirklich nachgewiesen hat er es bisher in keinem einzigen Kampf. Nicht einmal gegen Klitschko, als er im Wesentlichen gewann, weil es ihm durch das Vermeiden wirklicher Gefahr gelang zu zeigen, dass Klitschko noch ängstlicher geboxt hatte. Bisher wurde Fury zu einer Generation gezählt, die nach dem wohl auch nicht mehr allzu fernen Ende der Karriere von Klitschko das Schwergewicht bestimmen könnte. Zu dieser gehört Anthony Joshua, der 2012 bei den Olympischen Spielen in London die Goldmedaille gewann und nur ein Jahr jünger als Fury ist. Joshua hat immer wieder einen Kampf gegen seinen Landsmann gefordert, unabhängig vom Ausgang dessen Rückkampfs mit Klitschko. Fury weicht aus. Zu dieser Generation zählen auch der Bulgare Kubrat Pulev oder der Brite Dereck Chisora, die am Samstag in Hamburg gegeneinander antreten. Fury war von diesem Quartett zwar bisher am erfolgreichsten (Pulev wurde 2015 von Klitschko ausgeknockt, Chisora verlor 2012 gegen Witali Klitschko), aber ob er sich gegen die gleichaltrige Konkurrenz lange an der Spitze behaupten könnte, wäre durchaus eine Frage gewesen, die Spannungen bringen würde in die zuletzt etwas eintönige Gewichtsklasse. Technisch, taktisch und athletisch wirkt eher Joshua wie der legitime Klitschko-Nachfolger.

Abgesehen von vermeintlich fehlenden sportlichen Reizen erklärt Fury seinen Rücktrittswunsch damit, dass er mehr Zeit mit seiner Familie verbringen wolle; seine Frau Paris und er erwarten ihr drittes Kind. Fury gehört zu den irischen Travellern, die sich räumlich, sozial und ökonomisch vom Rest der Bevölkerung abgrenzen. Wichtig ist Fury, wie seine Meinungen im Kreis seiner Verwandten ankommen - wie andere Menschen darauf reagieren, ist ihm ziemlich egal. Lange wurde Fury von seinem Vater John trainiert, dieser war erst Bare-knuckle-Kämpfer, duellierte sich mit bloßen Fäusten, später wurde er selbst Profiboxer. Inzwischen wird Fury von seinem Onkel Peter betreut, auch Cousin Hughie ist Profiboxer. Acht Wochen lang will Fury sich nun diszipliniert auf den zweiten Kampf gegen Klitschko vorbereiten, dann will er mit seiner Familie nach Los Angeles ziehen, denn dort, hat er vor wenigen Tagen gesagt, "bewundern die Leute meinen Erfolg und meine großen Sprüche".

Und der erste große Spruch in den USA könnte ja durchaus der Rücktritt vom Rücktritt sein.

© SZ vom 03.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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