Boxen:Nachspiel in Nevada

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"Ich habe mich immer an die Regeln gehalten": Floyd Mayweather gewann im Mai das millionenschwere Box-Duell gegen Manny Pacquiao. (Foto: imago)

Vier Monate nach dem WM-Duell Mayweather/Pacquiao wird bekannt, dass der Weltmeister zwei Infusionen erhielt.

Von Jürgen Schmieder, Las Vegas/New York

Es gab einmal eine Zeit im Sport, da war alles ganz einfach: Wenn die Menschen herausfinden wollten, wer der Schnellere oder der Stärkere ist, trafen sie sich zu einem Wettkampf, ein Schiedsrichter überwachte die zuvor vereinbarten Regeln, am Ende wurde einer zum Sieger erklärt. Der Wettbewerb war vorbei. Natürlich bewegt sich das Boxen seit jeher auf der Schwelle zwischen Sport und Show, es gibt Beleidigungen vorher und Beschuldigungen danach. Dass aber ein Kampf erst vier Monate nach seiner Austragung wirklich interessant wird, das ist selbst in dieser Disziplin neu.

Die Infusionen enthielten 750 Milliliter legaler Substanzen wie Vitamine und Kochsalz

Das Duell zwischen dem Amerikaner Floyd Mayweather junior und dem Filipino Manny Pacquiao am 2. Mai sprengte sämtliche finanziellen Dimensionen, insgesamt wurden knapp 600 Millionen Dollar umgesetzt. Nur: Mit dem Urteil der Punktrichter war dieser Kampf noch lange nicht vorbei. Zunächst beklagte Pacquiao eine Verletzung an der Schulter und beschwerte sich, dass ihm am Kampftag eine legale Schmerzspritze verweigert worden sei. Er forderte ein zweites Gefecht. Nun kam heraus, dass Mayweather am Tag vor dem Kampf zwei Infusionen in die Blutbahn bekommen hat, von denen die Nevada State Athletic Commission (NSAC) nichts gewusst hatte und die von der amerikanischen Anti-Dopingbehörde Usada erst 18 Tage nach dem Kampf rückwirkend genehmigt wurden.

"Das Camp von Mayweather hat mich beschuldigt, leistungsfördernde Mittel genommen zu haben - nun seht euch an, was passiert ist", sagt Pacquiao, 36. Der zwei Jahre ältere Mayweather erklärte sich sogleich für unschuldig: "Ich habe mich immer an die Regeln sowohl der NSAC als auch der Usada gehalten, die dem goldenen Standard von Dopingtests entsprechen." Alle anderen Pressetermine sagte er erst einmal ab, obwohl er doch Werbung machen wollte für sein Duell gegen Andre Berto am Samstag in Las Vegas. Es soll der letzte Kampf in Mayweathers glanzvoller Karriere sein, er könnte den Rekord von Rocky Marciano (49 Siege ohne Niederlage) einstellen.

In Mayweathers Körper wurden keine verbotenen Substanzen gefunden, die beiden Infusionen enthielten ausschließlich legale Mittel wie etwa Kochsalz und Vitamine. Für die Gründe gibt es zwei Lesarten: Mayweather musste vor dem Wiegen schnell ein paar Pfunde verlieren, um das vereinbarte Maximalgewicht nicht zu überschreiten. Danach wollte er mit dem Vitamin-Cocktail das Dehydrieren verhindern. Die Infusionen wurden aber nicht, wie von der weltweiten Dopingbehörde Wada gefordert, in einem Krankenhaus verabreicht, sondern im Haus von Mayweather. Die Usada-Ermittler statteten Mayweather einen unangemeldeten Besuch ab und fanden Hinweise auf die Infusionen. Die Menge, 750 Milliliter, entspricht etwa 16 Prozent der Blutmenge, die ein Mensch wie Mayweather gewöhnlich in seinem Körper trägt. Weil dadurch die Einnahme leistungsfördernder Mittel verschleiert werden kann, hat die Wada Infusionen von mehr als 50 Millilitern kurz vor einem Wettkampf verboten, außer es gibt eine medizinische Ausnahmegenehmigung.

Diese Genehmigung hat die Usada auch ausgestellt, knapp drei Wochen nach dem Kampf. Das ist laut einer Mitteilung der Agentur erlaubt: "Auch wenn der Antrag erst nach dem Kampf genehmigt worden ist, hat Mayweather die Behörde vor der Einnahme der Infusionen darüber informiert." Bleibt die Frage, warum die Ermittler zu einer unangemeldeten Kontrolle bei Mayweather erschienen, wenn sie von den Infusionen angeblich wussten.

NSAC-Chef Bob Bennett sagt außerdem, dass die Usada nicht dazu befugt gewesen sei, Ausnahmegenehmigungen zu erteilen: "Nur wir können das für einen Kämpfer im Bundesstaat Nevada tun. Wenn sie glauben, dass sie machen können, was immer sie wollen, dann haben sie sich geschnitten." Die NSAC habe den Kampf sanktioniert und müsse deshalb über Tests und Ausnahmen informiert werden, dies sei in diesem Fall zu spät passiert. Bennett betonte aber, dass er nicht daran glaube, dass Mayweather die Einnahme leistungsfördernder Mittel habe vertuschen wollen: "Er hat sich stets für strengere Kontrollen eingesetzt und war ein Vorbild für andere Athleten." Ihm gehe es deshalb weniger um Mayweathers Verhalten als das der Usada.

"Ich will einen Rückkampf - einen ohne Verletzung und mit fairen Bedingungen", fordert Pacquiao nun. Sein Promoter Bob Arum gab sich ebenfalls geschockt: "Ich bin außer mir, doch was soll ich machen? Ich kann das Ergebnis nicht ändern." Diese Aussage erstaunt, gilt Arum doch als Manager, der sich gewöhnlich vehement für seine Klienten einsetzt. Jetzt, wo dieser Kampf endlich interessant zu werden scheint, da wird er plötzlich für beendet erklärt.

© SZ vom 12.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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