Boxen:Die Null des Flegels

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Floyd Mayweather, 38, beendet seine Karriere mit dem Kampfrekord von 49-0. Damit stellte er den Rekord von Rocky Marciano aus den 1950ern ein. (Foto: John Gurzinski/AFP)

Floyd Mayweather gewinnt gegen Andre Berto nach Punkten und beendet ungeschlagen seine schillernde Karriere als Profiboxer.

Von Benedikt Warmbrunn, Las Vegas/München

Die vorerst letzte Bewegung, die Floyd Mayweather dem Boxsport hinterlassen hat, war ein Tänzchen im Rückwärtsgang. Kurz zuvor hatte er einen letzten Aufwärtshaken geschlagen, eine letzte Gerade, dann hatte Mayweather endgültig erkannt, dass er seinen Gegner Andre Berto nicht auf den Ringboden würde schlagen können. Er musste jetzt eigentlich nur noch die letzten Sekunden bis zum letzten Gong seiner Karriere abwarten. Aber Floyd Mayweather wartet nicht. Auch dann, wenn nichts passiert, will er unterhalten. Und so tänzelte Mayweather um Berto herum, die Arme hob er bereits jubelnd in die Luft.

Verlassen hat Floyd Mayweather, 38, den Ring also nicht als Boxer. Sondern als Entertainer.

In der Nacht auf den Sonntag endete in der MGM Grand Garden Arena in Las Vegas die schillerndste Karriere des modernen Boxens, der Tänzer und Unterhalter Mayweather verteidigte seine Weltmeistertitel im Weltergewicht gegen den überforderten Berto mühelos nach Punkten. Bis zur letzten Sekunde war es ein Abend ganz nach Mayweathers Vorstellungen, es war ein nahezu perfekter Kampf, vor allem aber war es eine weitere perfekte Inszenierung. Als dann der letzte Gong seiner Karriere erklang, sank Mayweather in der Ringmitte auf den Boden, blickte nach ganz oben, dorthin, wo Mayweather sich selbst sieht. "Es gibt für mich nichts mehr im Boxen zu tun. Ich habe großartige Investitionen gemacht, ich bin finanziell stabil, bin wohlhabend. Ich hatte eine großartige Karriere", sagte er. Dann sprach er einen Nachsatz, den er so unbedingt am Ende seiner Karriere aussprechen wollte: "Mein Rekord spricht für sich selbst."

49 Mal ist Mayweather als Profi in den Ring gestiegen, 49 Mal hat er gewonnen, nie hat er verloren, nie gab es ein Unentschieden. Es ist eine Bilanz, wie sie erst ein Boxer präsentieren konnte, der Schwergewichtler Rocky Marciano Mitte des vergangenen Jahrhunderts; auch er beendete seine Karriere mit einem 49-0-Kampfrekord. Und es ist eine Bilanz, auf die Mayweather seine Karriere gegen Ende reduzierte, gerade diese 0 soll rechtfertigen, was er nach dem Sieg gegen Berto sagte: "Es gibt nichts mehr zu erreichen. Ich bin der Beste."

Mayweather will nun seine Defensivkunst an junge Boxer vermitteln

Mayweather ist, das gestehen ihm selbst viele seiner vielen Feinde zu, der beste Boxer der vergangenen Jahre. 26 seiner Kämpfe waren WM-Kämpfe, der Sieg gegen Berto war der 16. in Serie gegen einen aktuellen oder ehemaligen Weltmeister und der 24. überhaupt. Manche dieser ehemaligen Weltmeister waren jedoch schon lange ehemalige Weltmeister, als sie gegen Mayweather antraten; Berto, 32, zuletzt vor vier Jahren. Und dieses 49-0 des Amerikaners ist auch nicht die längste Zeit, die ein Profiboxer ungeschlagen war. Der Mexikaner Julio César Chávez gewann Anfang der 1980er Jahre die ersten 87 Kämpfe seiner Karriere, 75 davon durch Knockout, und dass er in weiteren 29 Kämpfen sechsmal verlor, hat ihm nichts von seiner historischen Größe genommen.

So viel, wie es Mayweather fordert, sagte diese 0 in seinem Kampfrekord über seine Bedeutung also nicht aus. Doch dafür gibt es andere Zahlen. Mayweather beendet seine aktive Karriere als einer der bestbezahlten Sportler der Geschichte; allein in seinen letzten sechs Kämpfen verdiente er knapp 400 Millionen Dollar, davon ungefähr 250 Millionen für den Sieg im Mai über seinen langjährigen Rivalen Manny Pacquiao (der damals allerdings nicht mehr der Pacquiao früherer Jahre war). Wie sehr das Boxen ein Geschäft ist, haben wenige so gut verstanden wie Mayweather, der sich den Kampfnamen "Money" gab. Mit der Sprache und dem Benehmen eines Flegels inszenierte er sich als den Athleten, der immer weiter gewann, obwohl ihm viele nur noch zuschauten, um ihn endlich verlieren zu sehen.

Erlauben konnte sich Mayweather diese Spielereien jedoch nur, weil er ein technisch herausragender Boxer war. Er hat das defensive Boxen perfektioniert, die Kunst also, nie getroffen zu werden; einige seiner wichtigsten Elemente wie eine tief hängende Führhand oder ein Schulterroller zum Abwehren gegnerischer Schläge gehören inzwischen fest zum Repertoire ambitionierter Boxer. Diesen Stil, sagt Mayweather, will er nun an andere vermitteln. Sein Rücktritt ist jedoch nicht sein erster, manche bezweifeln, dass es sein letzter bleibt. 2009 meldete er sich zurück mit dem Satz: "Ich komme direkt aus dem Club - dem Strip-Club."

Mal abwarten also, wie lange Floyd Mayweather dieses Mal das Leben als finanziell stabiler, wohlhabender ehemaliger Boxer aushält.

© SZ vom 14.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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