Boxen:A-Probe mit Stanozolol

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Felix Sturm, hier bei seinem Kampf gegen den Russen Fjodor Tschudinow im Mai 2015. (Foto: Boris Roessler/dpa)

Felix Sturm will gegen seinen Doping-Befund ankämpfen. Für den 37-Jährigen geht es um viel.

Von Benedikt Warmbrunn, München

Als die Jahre anfingen, in denen er immer mehr auch mit sich selbst zu kämpfen hatte, kam der Boxer Felix Sturm auf die Idee, sich den Kampfnamen Leonidas zu geben. Nach dem König von Sparta, dem Löwengleichen, berühmt geworden 480 vor Christus durch die Schlacht bei den Thermopylen, noch berühmter geworden 2006 durch die Comic-Verfilmung "300", in der der Leonidas-Darsteller Gerard Butler 116 Minuten lang seine fast schon unwirklichen Bauchmuskeln präsentieren darf.

Der geschickte, vor allem aber starke Stratege, das also war das Vorbild von Felix Sturm, er trainierte sich in dieser Zeit auch den Körper eines Bodybuilders an. Den Kampfnamen legte er bald wieder ab, der Kampf mit sich selbst ging fort, nicht immer gewann Sturm ihn. Doch nun, unmittelbar vor dem Ende seiner Karriere als Preisboxer, steht da die Frage, wie stark dieser so betont starke Mann wirklich war.

Dopingtests im Boxen - das ist generell ein spannendes Thema

Nach Sturms jüngsten Kampf, bei dem er den zuvor unbesiegten Russen Fedor Tschudinow umstritten besiegte, wurde der 37 Jahre alte Deutsche in der A-Probe positiv auf die anabole Substanz Hydroxy-Stanozolol getestet, die den Muskelaufbau unterstützt. Sturm selbst hat davon am Freitagabend erfahren, die World Boxing Association (WBA) informierte ihn in einer E-Mail. Für Sturm geht es nun um seinen Ruf, es geht um den Ausklang seiner Laufbahn, es geht, wie immer im Preisboxen, um viel Geld. Dem Sport-InformationsDienst sagte Sturm: "Ich war geschockt."

Die Aufregung in der deutschen Box-Szene ist nun groß; nachdem Arthur Abraham eine Woche zuvor seinen Titel verlor, ist Sturm der letzte verbliebene, wirklich bekannte Weltmeister. Thomas Pütz, der Präsident des zuständigen Bundes Deutscher Berufsboxer (BDB), sagte: "Ich werde ihn nicht richten. Für mich steht die Unschuldsvermutung." Auch beim Fernsehsender Sat 1 rückt keiner von Sturm ab. Doch das Profiboxen ist ein Geschäft unter Partnern, alle sind voneinander abhängig, alle verdienen miteinander Geld, der Fernsehsender braucht eine gute Quote, und der BDB braucht Titelkämpfe, um hohe Gebühren einzunehmen. In diesem System entwickelte sich über die Jahre in Dopingfragen eine Nachlässigkeit, die wohl einmalig ist im weltweiten Profisport.

Weder die vier großen Weltverbände noch der BDB schreiben in ihren Regularien Trainingskontrollen vor, es reicht ein Test nach dem Kampf; beim BDB begründen sie dies mit den Kosten. Unangekündigte Kontrollen während der Vorbereitung gibt es nicht - in der Zeit also, in der viele Boxer massiv Gewicht abnehmen sowie Muskeln aufbauen und definieren. Das Sauerland-Team, für das Abraham boxt, gehört zu den wenigen, deren Athleten das ganze Jahr über unangekündigt getestet werden können; Sauerland wechselte vor einigen Jahren zum Faustkämpferverband Austria, auch auf Wunsch der ARD, des damaligen Fernsehpartners.

Die Testverfahren sind seit Jahren ein Streitpunkt im deutschen Boxen, vor seinem Duell mit Wladimir Klitschko im Herbst 2014 warf der Sauerland-Boxer Kubrat Pulew dem Ukrainer vor, sich vor den zusätzlichen Tests zu drücken.

Beim BDB oder im Klitschko-Management argumentieren sie stets, dass auch der Test nach dem Kampf effektiv sei. 2012 wurden dem Klitschko-Gegner Mariusz Wach anabole Steroide nachgewiesen, 2013 dem Sturm-Besieger Sam Soliman die Einnahme von Methylsynephrin.

Dass Sturm, der sich stets nicht nur als stark, sondern auch als sauber präsentiert hatte, nun ebenfalls in dieser Liste geführt wird, das will der Boxer nicht akzeptieren. "Das ist alles sehr komisch", sagt er. Sturm meint: Dass es acht Wochen gedauert habe, bis der Befund kam. Dass erst er informiert wurde, dann der BDB. Er meint also zunächst einmal, dass mit dem Verfahren etwas nicht stimmen könne. Wie es zu der positiven A-Probe kam? Sturm: "Ich habe ein absolut reines Gewissen." Er wisse auch überhaupt nicht, warum ausgerechnet ihm Doping etwas bringe solle, denn: "Ich habe seit meinem 14. Lebensjahr Muskeln." In den nächsten Tagen soll die B-Probe geöffnet werden.

Auch in Sturms Umfeld sind viele "entsetzt". Erklären kann sich die positive A-Probe keiner, an eine Schuld des Boxers will keiner glauben. Dass Sturm bewusst gedopt habe, sagt einer, der sich einen Freund nennt, dafür sei die Wahrscheinlichkeit bei einem Prozent. Zu 20 bis 30 Prozent habe jemand Sturm diese Substanz "untergeschoben", zu 50 Prozent sei die Probe "nicht okay". Und die Restwahrscheinlichkeit? "Terrorismus." Die Anwälte, die der Boxer engagiert hat, sollen nun prüfen, wie die Substanz in Sturms Körper kam; der Boxer stellt dazu seine Ernährungspläne zur Verfügung.

Sturm, der zwischen seinen Kämpfen viel zunahm und auch wieder abnahm, der in den vergangenen Jahren nur selten überzeugte, hatte ohnehin an ein Karriereende gedacht. Nach SZ-Informationen wäre ihm am liebsten ein Abschiedskampf in seiner bosnischen Heimat gewesen. Da wäre es um das Gefühl gegangen. Angedacht waren auch Duelle, bei denen Geld gelockt hätte. Der seit mehreren Jahren geplante Kampf mit Abraham, ein weiterer gegen Tschudinow, einer gegen den ungeschlagenen und in den USA populären Kasachen Gennadi Golowkin. Einer, vielleicht zwei Kämpfe, mehr nicht. Doch all diese Planungen sind nun in Gefahr. Sollte auch die B-Probe positiv sein, droht Sturm eine zweijährige Sperre, sie wäre wohl gleichbedeutend mit dem Karriereende. Suspendieren kann ihn vorerst nur der BDB. Der allerdings schützt den Boxer. Und das System.

© SZ vom 18.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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