Berlusconi blockt Kakà-Wechsel:Inszenierung zur Europawahl

Lesezeit: 2 min

Weil der Mailänder Präsident und italienische Premierminister Silvio Berlusconi um Stimmen bangt, ist Kakà noch nicht bei Real Madrid.

Javier Cáceres

Einen vorzüglichen kleinen Einblick in den jahreszeitbedingten Wahnsinn, der soeben in Spanien Einzug gehalten hat, konnte man am Dienstag in Madrid gewinnen. Quasi zum Auftakt der Periode des offenen Sommer-Transferfensters. Entgegen anderslautender Beteuerungen ("Ich? In Madrid? Ich segele gerade!") war Adriano Galliani, Vizepräsident des AC Mailand, doch in der spanischen Hauptstadt, woraufhin die Umsätze der Mobilfunkunternehmen in die Höhe schnellten und Heerscharen an Fußballreportern auf Vespas durch die Stadt sausten.

Die Europawahl spielt in das Wechseltheater um Milans Kakà mit herein. (Foto: Foto: AFP)

Nach und nach klapperten sie die Lokalitäten ab, an denen Real Madrid üblicherweise Transfers abwickelt: Am Hotel Ritz wurde gefahndet, ebenso am Bernabéu-Stadion, ohne Erfolg. Fündig wurden die Späher im Norden der Stadt, am Sitz des Bau-Multis ACS, dem wiederum Florentino Pérez vorsteht, der Anfang dieser Woche unter großen Versprechungen seine zweite Amtszeit als Real-Präsident begonnen hat.

Eben dieser Pérez hatte sich dort nicht nur mit Galliani verschanzt, sondern auch mit Bosco Leite, dem Vater und Manager des brasilianischen Nationalspielers Kakà. Kurz vor 20.30 Uhr ließ die Runde eine Kunde nach außen dringen. Der Transfer von Kakà von Milan nach Madrid sei fix, etwa 65 Millionen Ablöse fällig, Kakà selbst werde neun Millionen Euro netto verdienen, dafür 50 Prozent seiner Werberechte an Real abtreten.

Das meldeten Webseiten, Radio- und TV-Stationen. Bis das Handy des Herrn Leite klingelte und sich am anderen Ende der Leitung der FC Chelsea meldete. Tenor: Egal, was Madrid auch zahlt, wir bieten mehr. Schwupps!, war der erste Transfercoup des Florentino Pérez geplatzt.

Oder doch nicht?

In der Schwebe sei der Transfer, lauten nun die Überschriften, Eingeweihte jedoch wollen wissen, dass dem beileibe nicht so ist, sondern es sich eher um eine große Inszenierung handelt. Zwar ist beim FC Chelsea künftig in Carlo Ancelotti ein Trainer tätig, dem sich Kakà aus den gemeinsamen Milan-Tagen aufrichtig verbunden fühlt; und auch Chelsea mangelt es nicht an Revanchegelüsten: Ein paar Mal schon hat Real Madrid dem Verein des russischen Oligarchen Roman Abramowitsch auf dem Transfermarkt übel mitgespielt.

So etwas vergisst man nicht so leicht. Kakà aber soll sich im engeren Kreis klar auf Real Madrid als kommenden Klub festgelegt haben. Real und Milan kommt derweil gelegen, den Transfer erst kommende Woche offiziell als beschlossen und besiegelt zu verkünden. Kakà weilt zurzeit noch in Südamerika, dort spielt Brasilien am kommenden Wochenende in der WM-Qualifikation in Uruguay - und kann somit nicht mediengerecht präsentiert werden. In der Woche drauf hingegen wäre er für ein paar Stunden abkömmlich, auf dem Weg von Brasilien zum ConfederationsCup in Südafrika soll er einen Zwischenstopp in Madrid einlegen.

Fans demonstrieren gegen Berlusconi

Der Patron des AC Milan wiederum, der Rechtspopulist Silvio Berlusconi, muss am Sonntag mit seiner Partei Popolo della Libertà ("Volk der Freiheit") erst noch die Europawahlen bestehen. Und was er inmitten seiner Affären um Beziehungen zu Minderjährigen nun am wenigsten gebrauchen kann, ist weitere Negativ-Publicity. Als solche würde ein Vollzug des Abschieds Kakàs zweifellos gewertet werden, er ist der Publikumsliebling in Mailand.

Die Fans wiederum sind auf Berlusconi zurzeit alles andere als gut zu sprechen. Zum Saisonende gab es sogar Demonstrationen gegen ihn. In Madrid kursiert das Gerücht, dass die Meldung über das Interesse Chelseas von interessierter Seite lanciert worden sei. Dass Milan Chelsea den Vorzug vor Real geben könnte, gilt als ausgeschlossen: Berlusconis rechte Hand Galliani ist ein Duz-Freund von Pérez, und der kann sich eine Transferpleite zum Auftakt des Sommers nicht leisten.

© SZ vom 04.06.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Italien
:Madonna mia - Berlusconi und die Frauen

Silvio Berlusconi ist erneut in Bedrängnis: Diesmal geht es um eine Prostituierte und eine junge Bauchtänzerin. Seine angeblichen Affären sind in Italien fast schon Dauerthema.

Jetzt entdecken

Gutscheine: