Basketball:Verlieren als beste Option

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Kyle Collinsworth (links) von den Dallas Mavericks gegen Alec Peters von den Phoenix Suns. (Foto: Tony Gutierrez/dpa)

Die NBA hat ein Problem: Zu viele Klubs gehen freiwillig baden. Die Frage ist nur: Wie lässt sich absichtliches Verlieren letztlich beweisen?

Von Mario Jonas Ködel, München

Aus deutscher Sicht die gute Nachricht zuerst: Der Basketballer Maxi Kleber, 26, erzielte im letzten Saisonspiel seiner Dallas Mavericks gegen die Phoenix Suns zehn Punkte. Das ist für den Nationalspieler aus Würzburg ein erfreulicher Wert. Kleber beendet die aktuelle Spielzeit formstark, nachdem er in den Partien zuvor elf, sieben, neun und sogar zwölf Zähler gesammelt hatte. Die schlechte Nachricht: Klebers Ausbeute ist im Grunde nichts wert. Es hätten auch 30 Punkte sein können, seiner Mannschaft wäre damit nicht geholfen: Sie ist zu schlecht.

Trotz Kleber und Dirk Nowitzki, der nach einer Operation am Sprunggelenk noch ein Jahr dranhängen will, ist Dallas nicht annähernd ein Team mit Chancen auf die nun beginnenden Playoffs um die Meisterschaft in der nordamerikanischen Profiliga NBA. 24 Siege und 58 Niederlagen sind verheerend, so wenig haben die Mavericks seit 20 Jahren nicht mehr gewonnen. Gegen die in der Tabelle noch schlechter platzierten Suns verloren sie 97:124, es ging um nichts mehr, die Teams verzichteten auf insgesamt 18 Profis. So wie diese Saison ausklang, dürften sich nur wenige Fans auf die nächste freuen.

Szenen wie beim Saisonschluss in Dallas sind kein Einzelfall in der NBA. Die beste Basketball-Liga der Welt hat derzeit ein Problem mit Mannschaften, die absichtlich verlieren, um bei der nächsten Talentbörse im Sommer, der sogenannten Draft, eine höhere Chance auf die besten Nachwuchsspieler aus dem College zu haben: Je schlechter die Bilanz, desto besser die Aussicht, sich mit frischen Talenten verstärken zu dürfen. "Tanking" heißt diese Strategie, "baden gehen" oder "Schiffbruch erleiden". Das System herrscht auch bei den Teams der meisten deutschen NBA-Profis.

Neben den Mavericks sind auch Dennis Schröders Atlanta Hawks (schlechteste Mannschaft in der Osttabelle) und Paul Zipsers Chicago Bulls (drittschlechteste Mannschaft im Osten) im Tanking-Modus durch die Saison geschlittert. Die Auswüchse des Pleiten-Basketballs gingen am 23. März so weit, dass ein Team seine Unlust kaum noch verbergen konnte: Damals gewannen die keinesfalls überragenden Charlotte Hornets mit 61 Punkten Vorsprung gegen die Memphis Grizzlies - ein Team, das noch schlechter dasteht wie Dallas, Atlanta oder Chicago. So hohe Siege gibt es sonst nur in der B-Jugend.

Oft ist "Tanking" ein Prozess, der sich während einer Saison einschleicht, wenn Klubs ihre Konkurrenzfähigkeit verlieren, wenn Schlüsselspieler ausfallen und obskure Pleitenserien beginnen. Doch aktuell tendieren viele Teams schon von Saisonbeginn an zum Verlieren. Für die Liga ist das ein gehöriges Problem: Mannschaften ohne Anspruch verwässern das globale Produkt NBA. In der laufenden Saison hat die Selbstaufgabe ein neues Ausmaß erreicht. Neun Klubs haben die Saison mit weniger als 30 Siegen abgeschlossen - so viele wie nie. Sonst waren es bloß zwei, drei, die einem Neuaufbau entgegendümpelten.

Die neue Praxis kommt bei den Offiziellen gar nicht gut an. In der NBA sei kein Platz für "Tanking", kritisierte kürzlich der Ligaboss Adam Silver, alle offensichtlichen Fälle würden bestraft. Die Frage ist nur: Wie lässt sich absichtliches Verlieren letztlich beweisen? Offen zugeben mag den Trend keiner der Verantwortlichen aus den Verliererteams. Nur Dallas-Besitzer Marc Cuban, ein ligaweit notorischer Lautsprecher, hatte es Mitte der Saison gewagt, das Gemauschel zu konkretisieren: "Verlieren ist unsere beste Option."

Die Liga verdonnerte ihn darauf zu einer Strafe von 600 000 Dollar (die der Milliardär freilich locker bezahlte), Mannschaftskapitän Dirk Nowitzki appellierte an die Sportlerehre: "Ich werde nie dafür stehen, absichtlich zu verlieren. Das ist nicht, wer ich bin." Auch Paul Zipsers Bulls wurden bereits verwarnt, da sie reihenweise etabliertes Personal schonten und stattdessen auf vermeintliche Perspektivspieler setzten. Ihre Ausrede, dass man dem Nachwuchs eine Chance geben wolle, glaubte ihnen niemand.

Immerhin eine gute Nachricht gibt es aber: Die NBA beschäftigt sich mittlerweile intensiv mit einer Veränderung des Draft-Systems, so dass die Anreize zum Verlieren verringert werden. Die aktuelle Hauptrunde ist jetzt nach vielen mäßig interessanten Partien zwischen mäßig talentierten Teams vorbei. Für 16 der 30 Mannschaften beginnen am Wochenende die Playoffs, die K.-o.-Runden um den Titel. Da will keiner verlieren.

© SZ vom 13.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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