Basketball:Treu wie Günther

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Ratiopharm Ulm geht als unangefochtener Tabellenführer ins Spitzenspiel gegen Bamberg - und könnte in dieser Saison endlich einen Titel gewinnen. Auch dank seines besonderen Spielmachers.

Von Joachim Mölter, Ulm

Neulich haben sie beim Basketball-Bundesligisten Ratiopharm Ulm im Archiv gestöbert und dabei festgestellt, dass sich ihr Spielmacher Per Günther, 29, einem Jubiläum nähert: Zwölf Punkte fehlen ihm noch, um auf 4000 zu kommen, die er in nun achteinhalb Profijahren für den Klub erzielt hat.

4000 Punkte - das klingt nicht nach viel, wenn man die 30 000 im Kopf hat, die Dirk Nowitzki unlängst in der NBA übertroffen hat. Aber dort wird mehr und länger gespielt (mindestens 82 Partien statt 34 und 48 Minuten statt 40); zudem ist Nowitzki zehn Jahre länger aktiv. Und Günther ist in erster Linie dafür zuständig, den Ball abzuspielen.

Die 4000 Punkte sind also eher ein Nebenprodukt von Günthers umtriebiger Tätigkeit als Point Guard. Erwähnenswert ist die Leistung vor allem deshalb, weil beim Stöbern im Archiv auch aufgefallen ist, bei welcher Gelegenheit er seine ersten Punkte für Ulm geworfen hat: am 24. September 2008 beim 66:64 in Bamberg, dem bis heute einzigen Sieg seines Klubs beim achtmaligen deutschen Meister. Und weil Ulm am Sonntag (20.15 Uhr/Sport 1) wieder in Bamberg antritt, wäre das ja eine schöne Geschichte, wenn Per Günther dort die 4000 vollmachen würde - und das möglichst noch bei einem Sieg.

Für Bamberg ist das Spiel die letzte Chance auf Platz eins

Brose Bamberg gegen Ratiopharm Ulm, das ist das Duell des Meisters gegen den Vorjahresfinalisten, des Tabellenzweiten gegen den Tabellenersten, der zweitbesten Abwehr gegen den besten Angriff - ein Spitzenspiel. Und eines von sportlich großer Bedeutung: Für Ulm geht es um die Fortsetzung der Rekordserie von bislang 26 Siegen in Serie. Für die vier Minuspunkte zurückliegenden Bamberger geht es um die letzte Chance, Ulm von Platz eins zu verdrängen.

Im Hinblick auf die Playoffs ist das wichtig: Der Hauptrunden-Erste darf die Best-of-five-Serien in den K.o.-Runden jeweils zu Hause beginnen. "Wenn wir für eine Überraschung sorgen wollen", sagt Per Günther, "müssen wir in den Playoffs gegen Bamberg oder Bayern München gewinnen - da ist jedes Heimspiel enorm wichtig." Trotz ihrer makellosen Bilanz machen es sich die Ulmer in der Außenseiterrolle gemütlich. "Wenn Bamberg seinen besten Basketball spielt, sind wir weit entfernt von ihrem Level", sagt Günther, "aber wenn sie dieses höchste Niveau mal nicht erreichen, können wir mithalten." So gesehen haben die Bamberger im Hinspiel sehr ebenerdig agiert - das verloren sie 63:78. Offensichtlich waren die Ulmer besonders beflügelt: Vor der Partie hatte Günther seine vorzeitige Vertragsverlängerung um weitere zwei Jahre verkündet.

Für Ulm ist Per Günther wichtiger, als es Zahlen und Statistiken aussagen können, er ist das Gesicht des Klubs und der Mannschaft: Seit sie dem in Gießen geborenen und in Hagen aufgewachsenen Jungen 2008 nach dem Abitur seinen ersten Profivertrag gegeben haben, ist ihnen der 1,84 Meter große Guard treu geblieben. "Für mich wäre es eine tolle Vorstellung, meine komplette Karriere hier gespielt zu haben", sagt der 29-Jährige. Er hat sich in der Stadt inzwischen eine Wohnung gekauft, in der lebt er mit seiner Frau, die er im vorigen Sommer geheiratet hat. Die beiden sind seit seinem halben Leben zusammen, noch so ein Güntherscher Fall von Treue.

Der Unterschied zum Vorjahr: Ulms Offensive ist homogener geworden

Der seit fünf Jahren in Ulm tätige Trainer Thorsten Leibenath vertraut ebenfalls auf Per Günther als Nummer eins auf der Spielmacherposition. "Ist das in Stein gemeißelt?", fragt Leibenath und gibt gleich die Antwort: "Nein. Aber es ist sehr wahrscheinlich." Viele Point Guards seien nicht nach Ulm gekommen, weil sie die Rolle als Regisseur Nummer zwei nicht annehmen wollten. Der vor dieser Saison engagierte Amerikaner Braydon Hobbs hatte kein Problem damit.

Das ist auch ein Grund, warum es bei den Ulmern in dieser Saison so gut läuft: Die Egos sind klein, die Spieler stellen sich in den Dienst der Mannschaft. "Den Jungs ist es egal, ob sie von Anfang an spielen oder von der Bank kommen", sagt der Coach: "Sie wissen, dass sie bei mir ihre Minuten kriegen." Günther sagt: "Ich muss in diesem Jahr nicht besonders viel machen, ich punkte weniger als voriges Jahr, und wir haben trotzdem die beste Offense." Flügelspieler Raymar Morgan ist der beste Scorer der Liga mit 19,0 Punkten im Schnitt, Chris Babb (15,6), Augustine Rubit (11,0) und Da'Sean Butler (10,7) treffen ebenfalls zweistellig.

So gut wie in diesem Jahr ist noch keine Mannschaft gewesen, in der Per Günther gespielt hat. Was wiederum die Chance auf seinen ersten Titelgewinn erhöht. Zweimal, 2012 und 2016 hat Ulm mit ihm das Finale erreicht - gewonnen hat der Klub nie. Nach der Endspielserie gegen Bamberg vor einem Jahr, hat er gesagt, er "habe die Schnauze voll" vom dauernden Zweiter werden. In Ulm haben viele Fans befürchtet, dass er sich deswegen einem Klub mit größeren Titelchancen anschließen könnte. Aber dem ist nicht so. "Natürlich geht es irgendwann darum, mal etwas zu gewinnen", sagt Per Günther, "aber für mich ist es mittlerweile so: Entweder ich gewinne das Ding im orangenen Trikot - oder ich gewinne das Ding nie." Er könne mit beidem leben.

© SZ vom 26.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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