Basketball:Stresstest bestanden

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"Mein taktisches Konzept ist zunächst in sich zusammengefallen": Wasserburgs Trainer Bastian Wernthaler. (Foto: Alexander Hassenstein/Getty)

Wasserburg gewinnt gegen Rotenburg das erste Halbfinal-Spiel - und muss erstmals einen Halbzeit-Rückstand aufholen.

Von Matthias Schmid

100:71. 29 Punkte besser als der Gegner. Ach, wie langweilig. Das hatten sich vermutlich wieder einige gedacht, als sie das Endergebnis des ersten Halbfinalspiels um die deutsche Meisterschaft im Frauen-Basketball zwischen dem Titelverteidiger TSV Wasserburg und den Avides Hurricanes aus Rotenburg gelesen oder gehört haben. Die Mannschaft aus Oberbayern spaziert bisher mit einer Leichtigkeit durch die Saison, als würde sie nicht gegen Frauen-, sondern gegen Juniorinnenteams antreten. Wasserburg ist in dieser Saison in den nationalen Wettbewerben noch ungeschlagen, der Sieg gegen Rotenburg war der 27. in Serie.

Dabei war die Partie am Samstagabend kein einseitiges Spektakel, wie das Ergebnis auf den ersten Blick vermuten ließe. Es war überhaupt keine langweilige Angelegenheit, zumindest 20 Minuten lang. Die Gäste waren sogar das bessere Team, sie trafen häufiger, sie verteidigten intensiver, sie führten zur Pause 51:39. "Mein taktisches Konzept ist zunächst in sich zusammengefallen", sagte Wasserburgs Cheftrainer Bastian Wernthaler hinterher. Es war das erste Mal in dieser Saison, dass seine Pausenansprache nicht in einem Motivationsreferat endete, um seine Spielerinnen bei Laune zu halten. Diesmal hatte die Zusammenkunft eher den therapeutischen Charakter einer Selbsthilfegruppe, noch nie hatte die gegnerische Mannschaft zu diesem Zeitpunkt geführt.

Wie gut ein Trainer und eine Mannschaft wirklich sind, wie schnell sie sich auf unerwartete Ereignisse einstellen können, zeigt sich in den Phasen des Misserfolgs. In Wasserburg sind solche Phasen nicht mehr vorgesehen, wahrscheinlich würden sie sie sogar am liebsten aus der Vereinssatzung streichen. Umso gespannter waren die Zuschauer, was nach dem Seitenwechsel geschehen sollte. Es war nicht so, dass Wernthaler eine solche Situation herbeigesehnt hätte, das wünscht sich kein Trainer, "aber ich wusste ja bisher nicht, wie meine Spielerinnen auf einen deutlichen Rückstand reagieren würden". Zumindest was die Physis angeht, war sich der Basketballlehrer aber sicher, "dass die Rotenburgerinnen nicht mit uns 40 Minuten lang mitlaufen können".

Profisport wird jedoch zu einem großen Teil im Kopf entschieden. Wie sich schnell zeigen sollte: Wasserburg hat den ersten Stresstest in dieser Saison mit Auszeichnung bestanden. 24 Punkte gelangen der Heimmannschaft zu Beginn des dritten Viertels, ohne dass die Gäste nur einen ihrer Würfe verwandelt hätten. Den Zwölf-Punkte-Rückstand drehten die Wasserburgerinnen in eine 63:51-Führung. Es war nur der Anfang eines Schaulaufens. "Im Nachhinein war es gut für uns, so zurückgekommen zu sein", sagte Wernthaler. Dabei hatte er nur Kleinigkeiten geändert, die aber große Wirkung entfaltet hatten. Er hatte Blocks umgestellt oder kleinere Spielerinnen aufs Parkett gestellt. So spielte beispielsweise Nationalspielerin Stephanie Wagner näher am Korb. Ihre Punkte machte sie aber aus der Distanz; während sie in der ersten Hälfte keinen Wurf traf, verwandelte sie nun allein fünf Dreier, am Ende kam sie auf 17 Punkte.

Die meisten Zähler (25) sammelte Wasserburgs Aufbauspielerin Shey Peddy. Die US-Amerikanerin hatte vor dem Spiel ihren im Sommer auslaufenden Vertrag um eine weitere Saison verlängert. "Das Mädchen ist unsere Lebensversicherung", sagte Wernthaler über die 26-Jährige aus dem Bostoner Stadtteil Roxbory. Sie hat ein besonderes Gespür dafür, das Richtige zu tun. Sie kann ganz genau einschätzen, wann sie selbst punkten oder den Ball besser zur Mitspielerin passen muss. "Es kann immer Überraschungen geben in den Playoffs", sagte Peddy: "Aber wenn wir unser Spiel durchziehen, werden wir den Meistertitel auch gewinnen."

Wernthaler hätte die Zielsetzung vor dem zweiten Spiel am Freitag in Rotenburg nicht besser formulieren können. Mit einem Sieg könnte Wasserburg bereits den Finaleinzug sichern. Der mögliche Gegner wird zwischen Saarlouis und Freiburg ausgespielt.

© SZ vom 13.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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