Basketball:Schröder zieht es durch

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Dennis Schröder (l.) zieht mit den Atlanta Hawks nach dem Sieg gegen die Washington Wizards um Kevin Seraphin ins Conference Final ein. (Foto: Alex Brandon/AP)

Der Deutsche entwickelt sich prächtig bei Atlanta Hawks - sein Team steht im NBA-Halbfinale.

Von Jürgen Schmieder, Atlanta/Los Angeles

Es war eine herrliche Antwort von Paul Pierce — ein wunderbares Beispiel für gepflegten Trash Talk, den nur erfahrene Müllredner so hinbekommen. Gesprochen hat er die Worte vor einer Woche, nach der dritten Partie dieser Viertelfinalserie. Zuvor hatte sich sein Gegenspieler, der 21 Jahre alte Flegel Dennis Schröder von den Atlanta Hawks, doch erdreistet, Pierce' erfolgreichen Wurf am Ende als "glücklich" zu bezeichnen. Also sagte der 37 Jahre alte Small Forward der Washington Wizards: "Er ist ja noch jung — wahrscheinlich hat er damals auf der Playstation meine Figur verwendet und daneben geworfen."

Vier Tage später erlebte Schröder eine weitere Lehrstunde in Bescheidenheit, diesmal auf dem Parkett. Entschlossen zog er in den letzten Sekunden der fünften Partie beim Spielstand von 80:81 zum Korb — doch er wurde von einem Gegenspieler geblockt. Kollege Al Horford schnappte sich den Ball und wurde an Schröders Stelle zum Helden des Tages. "Ich sollte gar nicht an diesem Spielzug beteiligt sein", sagte Horford später: "Ich bin einfach hingelaufen, als ich gesehen habe, dass der Ball nach oben fliegt."

Noch einmal zwei Tage später steht Schröder an der Seitenlinie und beobachtet, wie Pierce wieder in letzter Sekunde wirft — und wieder trifft. Nur verlässt der Ball diesmal seine Hand nicht rechtzeitig, der Wurf zählt nicht, und die Hawks gewinnen die Partie mit 94:91. Zum ersten Mal seit 45 Jahren erreichen sie das Finale der Eastern Conference, zugleich NBA-weit das Halbfinale. Sie treffen dort auf die Cleveland Cavaliers, die erste Partie findet am kommenden Mittwoch statt. Die Saison von Dennis Schröder, sie geht also weiter.

Teamkollege Teague genießt es, Schröder zuzuschauen

Man darf aber nicht die ersten beiden Momente als Rückschläge für Schröder abtun - im Gegenteil. Sie sind die Beweise für die erstaunliche Entwicklung, die er in dieser Saison durchlebt hat: Er steht bei einem der besten Teams der NBA in den entscheidenden Momenten wichtiger Partien auf dem Parkett. Er verteidigt gegen den wichtigsten Gegenspieler. Ihm wird der Ball für die letzte Aktion des Spiels anvertraut.

In diesem fünften Spiel nämlich war es Schröder, der seine Mannschaft mit sechs Zuspielen und zwei erfolgreichen Würfen überhaupt in die Partie zurückbrachte — er spielte so gut, dass Stammspieler Jeff Teague zu Trainer Mike Budenholzer lief und ihn bat, auf der Bank bleiben und dem gerade herausragend agierenden Schröder bei der Arbeit zusehen zu dürfen. "Er war großartig", sagte Teague danach: "Ich habe zum Trainer gesagt, dass Dennis das durchziehen soll."

Die Entwicklung von Schröder und seine Bedeutung für die Atlanta Hawks ist auch an den Statistiken ablesbar. In der Playoff-Serie gegen Washington stand er durchschnittlich mehr als 20 Minuten pro Partie auf dem Parkett, er erzielte 11,2 Punkte, ihm gelangen knapp 5,6 Zuspiele. Das sind ordentliche Werte für einen, der gerade seine zweite Saison in dieser Basketballliga absolviert. "Der Trainer vertraut mir, die Mitspieler vertrauen mir", sagt Schröder: "Ich darf so spielen, wie ich es kann — und ich lerne jeden Tag."

In der Tat wirkt Schröder derzeit wie ein Schwamm, der alle Eindrücke aufsaugt und speichert. Er beobachtet Jeff Teague, er spricht häufig mit Kyle Korver - vor allem aber erlebt er gerade diese Playoff-Momente, in denen der Gegner eben auch mal über ihn hinweg wirft und dann eine kreative Beleidigung folgen lässt. In denen er geblockt wird. Das sind die Momente, an denen ein junger Mann wachsen kann - wenn er daran wachsen will. Nicht wenige Sportler sind erst durch das Scheitern zu großen Athleten geworden.

Aus der zweiten Klasse kehrt er gestärkt zurück

Schröder hat in seiner Karriere gezeigt, dass er lernen und wachsen möchte. Er hat die Degradierung in die D-League nach Bakersfield vor 17 Monaten als Herausforderung begriffen und ist reifer nach Atlanta zurückgekehrt - und es scheint nun so, als würde er auch die witzigen Worte von Pierce als Ansporn interpretieren. Schließlich gilt als eine der wichtigsten Regeln des Trash Talk: Eine Beleidigung hat nur der verdient, der von Bedeutung ist.

Schröder spielt von Mittwoch an gegen Cleveland um den Einzug in die NBA-Finalserie, er wird wohl häufig gegen Kyrie Irving oder Iman Shumpert verteidigen müssen, womöglich gar gegen LeBron James. Er wird weiter lernen und lernen und lernen. Paul Pierce dagegen deutete nach der Niederlage an, seine Karriere womöglich zu beenden: "Es wird härter und härter - ich weiß nicht, ob ich noch mal Basketball spielen will." Er könnte sich künftig in seiner Freizeit an der Playstation versuchen. Bei den Atlanta Hawks gibt es da einen ganz talentierten Deutschen, den er wählen könnte.

© SZ vom 17.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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