Basketball-Playoffs:Autorität am Ball

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Shey Peddy ist das Herz von Meisterkandidat Wasserburg. Dabei war die US-Spielmacherin zunächst gar nicht eingeplant.

Von Matthias Schmid

Nach dem ersten Halbfinalspiel um die deutsche Meisterschaft hat sich Bastian Wernthaler mal wieder über Shey Peddy gewundert. Dabei hatte die US-Basketballerin nichts anders gemacht als sonst auch. Sie hatte keinen Ball von der Mittellinie aus in den Korb geworfen oder etwas anderes Verrücktes getan. Die 26-Jährige schafft es trotzdem immer wieder aufs Neue, ihren Trainer zu verblüffen, ohne Extravagantes dafür tun zu müssen. Peddy ist Spielmacherin bei Titelverteidiger TSV Wasserburg und damit eine der wichtigsten Spielerinnen von Wernthaler, sie ist dafür zuständig, die Kolleginnen mit kreativen Zuspielen gut aussehen zu lassen. Als Wernthaler also nach dem ersten Halbfinalspiel gegen die Avides Hurricanes aus Rotenburg auf die Ergebnistafel blickte, konnte er die Punktzahl hinter ihrem Namen zunächst nicht glauben, er hielt es sogar für einen Irrtum. "Sie hatte 25 Zähler erzielt, obwohl sie doch so viele Bälle selbstlos weiterpasste", stellte Wernthaler erstaunt fest.

Erst die Absage einer anderen brachte Peddy in die Mannschaft

Die US-Amerikanerin spielt so clever, so unauffällig, dass es bisweilen nicht einmal für ihren eigenen Trainer auf den ersten Blick ersichtlich erscheint, wie sehr sie das Spiel lenkt und es auf eine höhere Ebene hievt. "Shey ist die beste Aufbauspielerin in der Bundesliga", sagt Wernthaler voller Bewunderung.

Seit dieser Saison spielt Peddy für Wasserburg, und schon jetzt hat sie den Klub so stilprägend zum Pokalsieg geführt, dass sie anschließend die Auszeichnung als wertvollste Spielerin gewann. Die Frau aus Roxbory, einem Vorort von Boston, besitzt eine seltene Gabe, um die sie viele in der Liga beneiden. Sie macht in den meisten Fällen das Richtige, sie liest das Spiel wie ein Trainer, sie weiß ganz genau, wann sie den Ball zu den Mitspielerinnen passen oder selber punkten muss, wenn es das Spiel von ihr verlangt. "Das war schon immer eine Stärke von mir", sagt die Aufbauspielerin. Am Freitag (19.30 Uhr) steht nun das Rückspiel in Rotenburg an, sollte Wasserburg gewinnen, dann hätte die dominierende deutsche Mannschaft in dieser Saison bereits die Finalserie erreicht. Dass Wasserburg in den nationalen Wettbewerben bisher sogar in 27 Spielen in Serie ungeschlagen ist, hat viel mit Peddy zu tun.

Selbstlos im Aufbau und trotzdem auch stark im Abschluss: Shey Peddy (links, gegen Marburgs Allisa Pierce) ist Wasserburg wertvollste Spielerin. (Foto: imago)

Menschen, die sie näher kennen, sagen, dass sie abseits des Spielfelds zurückhaltend sei, fast schüchtern. Auch auf dem Parkett kommt sie ohne große Gesten aus, sie muss nicht laut werden, damit sie gehört wird, sie besitzt eine natürliche Autorität, die sich nicht antrainieren lässt. "Ich habe noch nie eine Spielerin erlebt, die bei allen in der Mannschaft so geschätzt worden ist wie sie", sagt Wernthaler.

Basketballerinnen aus den USA sind häufig in die eigene Statistik vernarrt, die Daten über die erzielten Punkten oder über die Effektivität sind im internationalen Basketball die einzige unbestechliche Kennziffer, wenn es darum geht, einen gut dotierten Vertrag auszuhandeln. Peddy ist anders. "Ich bin eine selbstlose Spielerin", sagt sie, "mir ist wichtiger, dass die Chemie im Team stimmt und wir gemeinsam Erfolg haben." Bei ihr ist das nicht einfach nur so dahingesagt, keine Floskel, sie meint es wirklich so und verdeutlichte ihre Weltsicht, indem sie in der vergangenen Woche ihren Vertrag in Wasserburg um eine weitere Saison verlängerte. "Ich habe gemerkt, dass wir hier noch viel erreichen können, auch im Eurocup", sagt sie: "Mir ist es deshalb leicht gefallen, das Angebot frühzeitig anzunehmen."

Dabei war Peddy vor dieser Spielzeit gar nicht als Zugang in Wasserburg vorgesehen, es war sogar reiner Zufall, dass sie sich dem TSV angeschlossen hat. Kurz vor dem Trainingsstart im September kam sie nur als Ersatz für Samantha Whitcomb, die unvermittelt ihre Arbeitspapiere wieder haben wollte. Peddy hatte sich den Sommer über in Puerto Rico fitgehalten, sie wartete auf ein Angebot aus Europa. "Ich wollte unbedingt hier weiter spielen, weil mir der Stil sehr entgegenkommt", sagt sie. Mit den Flying Foxes Wien hatte sie in der Vorsaison Meisterschaft und Pokal gewonnen, davor spielte sie in Israel. Was sie so sehr an Europas Basketball schätzt, das "ist schwer zu sagen", bekennt Peddy und macht eine Pause. Dann fügt sie an: "Ich habe neue Techniken und Taktiken gelernt und mich zu einer kompletteren Spielerin entwickelt."

Shey Peddy beherrscht jetzt etwa das sogenannte "Crossover Dribbling". Sie kann den Ball blitzschnell von der einen in die andere Hand wechseln und so leichter an der Gegenspielerin vorbeiziehen. "Das habe ich erst hier gelernt", sagt sie. In die USA zieht es die 26-Jährige nicht so schnell zurück. Dabei würde sie zu gerne den Klubs in der heimischen Profiliga WNBA beweisen, dass ihre Körperlänge von 1,70 Meter kein limitierender Faktor ist, wie manche beim Testtraining befunden hatten. In Wasserburg hält sie niemand für zu klein, im Gegenteil.

© SZ vom 16.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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