Basketball:Pesics finstere Miene

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Rückkehr: Erstmals seit seinem Haftantritt saß Uli Hoeneß wieder unter den Zuschauern im Dome. (Foto: Andreas Gebert/dpa)

Die Basketballer des FC Bayern verlieren nach ihrem Sieg gegen Bamberg in Frankfurt.

Von Ralf Tögel

Schon nach der Pause schlug Svetislav Pesic mehrmals die Hände vor seinem Gesicht zusammen. Eine Vorahnung? Zu diesem Zeitpunkt führte seine Mannschaft eigentlich noch recht beruhigend, nach drei gespielten Vierteln sah es noch nach einem normalen Arbeitstag für die Delegation aus München aus. Der FC Bayern, der deutsche Meister, der am Freitagabend noch in einem nervenaufreibenden Spiel die Baskets Bamberg mit einem 96:90-Erfolg von der Tabellenspitze der Basketball-Bundesliga gestoßen hatte. Der Favorit also führte scheinbar sicher mit 63:48 Punkten bei den Frankfurt Skyliners. Doch dann kamen die letzten zehn Minuten in der ausverkauften Fraport Arena, zehn Minuten, die den Sieg gegen die Bamberger auf einen Schlag entwerteten. Denn die Gäste aus München ließen sich den so lange sicher geglaubten Erfolg noch aus der Hand nehmen und kassierten eine überraschende 73:76-Niederlage.

"Wo waren Schaffartzik, Djedovic, Gavel?", fragt der Trainer, "wo waren Taylor und Micic?"

"Wir haben praktisch das komplette Spiel dominiert, aber in den letzten sieben Minuten ist alles passiert, was passieren kann. Es ist erstaunlich, dass wir das Spiel noch verloren haben", fasste Pesic seine Eindrücke in ungewöhnlich milde Worte, um sich dann selbst in die Verantwortung zu nehmen: "Dass eine Mannschaft mit 15 Punkten Rückstand noch die Kraft findet, dazu muss man ihr gratulieren. Da muss sich der Trainer hinterfragen, aber auch andere Teilnehmer dieses Spiels. Wir haben kaum Freiwürfe bekommen." Die Spitze gegen die Schiedsrichter bezog sich vornehmlich auf die Schlussphase, allein als Entschuldigung darf sie nicht gelten. Das weiß natürlich auch der Münchner Trainer, der schon nach dem Sieg gegen Bamberg mit finsterer Miene über seine Abwehr sprach. Denn die war seiner Ansicht nach bereits im heimischen Audi Dome in nicht akzeptablem Zustand, freilich fand die Partie vor den Augen von Uli Hoeneß - der ehemalige Präsident besuchte erstmals seit seinem Haftantritt ein Spiel - einen versöhnlichen Ausgang. Dennoch polterte Pesic gegen sein Personal: "Wo waren Schaffartzik, Djedovic, Gavel? Wo waren Taylor und Micic?" Die Defense, so erklärte er mit steigender Lautstärke, "das ist unsere Schwäche in der gesamten Saison".

Mit Blick auf die Anfang Mai beginnenden Playoffs war das Spiel in Frankfurt ein gehöriger Dämpfer, denn dann wird Auswärtsspielen eine entscheidende Bedeutung zukommen. Dass der FCB den dritten Rang wird verbessern können, kann man nur sehr wohlwollend noch dem theoretischen Bereich zuordnen, Bamberg hat im Gegensatz zu den Münchnern mit dem souveränen 103:83-Erfolg in Crailsheim seine Hausaufgaben gemacht und den zweiten Tabellenplatz gefestigt. Berlin ist mit sechs Punkte Vorsprung bei drei ausstehenden Spielen außer Reichweite.

Als Tabellendritter werden die Münchner aber spätestens in der zweiten K.o.-Runde mit einem Auswärtsspiel in den Best-of-five-Modus starten, jeder Misserfolg in fremder Halle dürfte in dieser späten Saisonphase Schaden in den Köpfen der Akteure anrichten. Im Hessischen mussten die Bayern einmal mehr erkennen, welche Bedeutung die Unterstützung von den Rängen hat. Nichts scheint schöner, als dem vermeintlichen Liga-Krösus zu düpieren. Wenn der FC Bayern anreist, dann sind die Hallen voll, die Stimmung aufgeheizt, dann brüllen die Fans der Übermacht ihre Antipathie ins Gesicht. Im Topspiel gegen Bamberg haben die Bayern diese Wirkung noch auf deutlich angenehmere Weise erfahren. Denn da hatten kurioser Weise die Franken das Spiel über drei Viertel bestimmt, ehe sie es aus der Hand gaben. Nicht einmal 48 Stunden später wussten die Bayern, wie sich das anfühlt. Da stand Bambergs Trainer Andrea Trinchieri fünf Minuten vor dem Ende plötzlich wie angewurzelt am Spielfeldrand, den er ansonsten wie ein Derwisch auf und ab rennt. In diesem Moment hatte ihn wohl die Erkenntnis überfallen, dass es wieder nichts wird mit einem Sieg gegen den FC Bayern. Das dürfte ihm Kollege Pesic nun nachfühlen können.

Der 65-Jährige wird indes nicht nur sich selbst hinterfragen müssen, er wird auch einige Gespräche mit seinen Spielern zu führen haben. Denn beim Kader des FCB handelt sich ja nicht gerade um eine Horde Basketball-Pennäler, denen man derlei kollektive Aussetzer allzu schnell nachsehen muss. Spieler, die sich eigentlich nicht so schnell von 5002 schreienden Zuschauern aus dem Konzept bringen lassen sollten, Spieler wie Jan Jagla, dem das Prädikat sehr erfahren anhaftet: "Wir haben komplett den Faden verloren, vor allem offensiv falsche Entscheidungen getroffen. Dann wird es in solch einer Atmosphäre schwierig. Wir waren nicht müde, wir haben einfach unseren Faden verloren und Frankfurt spielte plötzlich wie im Rausch." Keine befriedigende Erklärung, zumal Jagla selbst noch daran erinnerte, dass der Heimvorteil "in den Playoffs eigentlich das A und O" sei. Keine vertrauensbildende Aussicht für ein mögliches Halbfinale.

Andererseits ist nichts passiert, was die Position der Münchner gravierend verändert hätte: Es war auch vor dem Frankfurt-Spiel nicht mehr realistisch, dass der Meister die Vorrunde besser als auf dem dritten Platz wird abschließen können, zu groß war der Rückstand auf Bamberg und Berlin schon zu diesem Zeitpunkt. Das war den Bayern natürlich bewusst, ein Indiz hierfür ist auch, dass Heiko Schaffartzik eine Pause gegönnt wurde. Der ist - auch weil er nie verletzt war - einer der bisher am meisten strapazierten Spieler im Bayern-Kader. Und einer, der in entscheidenden Phasen richtige Entscheidungen treffen kann.

© SZ vom 20.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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