Basketball:Peng, Boom, Zosch

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Aufsteiger Würzburg mischt die Bundesliga auf, jedes Heimspiel ist ausverkauft - und am Wochenende stehen sogar gleich zwei Spitzenspiele bevor.

Von Matthias Schmid, Würzburg/München

Es mag auf den ersten Blick ziemlich verwundern, dass LeBron James über den Tabellenstand der Basketball-Bundesliga (BBL) informiert ist. Er weiß zum Beispiel, dass die s.Oliver Baskets Würzburg nach elf Spielen mit 9:2 Siegen den dritten Platz belegen. Es ist aber nicht so, dass der beste Basketballer des Planeten kurz vor einem Engagement in Deutschland stehen würde. Einen Spieler wie James können sich weder der deutsche Meister Bamberg noch der FC Bayern leisten - die beiden reichsten Klubs der Liga. Nicht mal, wenn sie zusammenlegen.

James, angestellt beim NBA-Klub Cleveland Cavaliers, hat aber einen guten Informanten in der BBL, es ist sein bester Freund, sein Trauzeuge. Sein Name ist Dru Joyce III, er spielt für Würzburg. Die beiden liefen einst gemeinsam an der St. Vincent-St. Mary High School in Akron/ Ohio auf und errangen drei Meisterschaften. Seit diesen Tagen sind sie unzertrennlich, auch wenn sich ihre Karrieren völlig unterschiedlich entwickelt haben. Sie telefonieren oft miteinander. "Und wenn ich nicht gut gespielt habe, muss ich mir das auch gleich anhören", erzählt Joyce.

Doch in den vergangenen Wochen hat er nur Lob gehört. Joyce, 30, ist einer der auffälligsten Spieler in Würzburg und dafür mitverantwortlich, dass der Aufsteiger "die Liga aufmischen kann", wie es sein Trainer Doug Spradley ausdrückt. Überraschend findet der Amerikaner den Tabellenstand nicht.

"Wenn man so viele Spiele gewinnt, steht man zu recht da oben", sagt der 49-Jährige vor dem Heimspiel an diesem Freitag gegen den Tabellenzweiten Ludwigsburg. Es schwingt das Selbstbewusstsein eines Trainers mit, der weiß, dass er viele Dinge richtig gemacht hat. Spradley hat unterschiedliche Spieler rekrutiert, erfahrene und unerfahrene, alt gediente und hungrige. Aber alle haben gemein, dass sie perfekt zu seinem attraktiven Basketball passen, den man in Cartoons mit "Peng, Boom und Zosch" betiteln müsste.

"Ich liebe dieses schnelle, aggressive Spiel mit hoher Intensität", erzählt Joyce. Diese Spielweise des "Run-and-gun"-Basketballs ist kraftraubend, weil die Würzburger mit ihrer harten Verteidigung versuchen, viele Kontersituationen, sogenannte Fast Breaks, zu kreieren. "Mit diesem Stil haben wir aber die größte Aussicht auf Erfolg", findet Dru Joyce.

In der Tat haben die Würzburger bisher viele Partien erst in der Schlussphase entschieden. Maurice Stuckey, der deutsche Nationalspieler, führt das auch auf den besonderen Zusammenhalt im Team zurück. Die Spieler treffen sich auch häufig abseits des Parketts. "So extrem habe ich das Nirgendwo bisher erlebt", sagt Stuckey: "Wir ziehen sehr viel Kraft und Energie daraus."

Diese Identifikation mit den Mitspielern, dem Klub und der Stadt ist auch Doug Spradley wichtig. Als er die Würzburger vor eineinhalb Jahren übernommen hatte, machten sie eine der schwersten Krisen ihrer Historie durch. Rund 835 000 Euro Schulden hatten sich angehäuft, der Verein stand vor dem Ruin, die BBL zog dem Klub wegen Verstößen gegen Lizenzierungsauflagen daraufhin zwei Punkte ab - Würzburg stieg ab. "Wir müssen noch immer Altlasten abtragen", bekennt Geschäftsführer Steffen Lieber, "aber wir sind bei der Konsolidierung auf einem sehr guten Weg." Die erfolgreiche sportliche Entwicklung erleichtert natürlich die Gespräche mit den Sponsoren. "Es herrscht eine riesengroße Euphorie in der Stadt", fügt Liebler hinzu. Das Heimspiel gegen Ludwigsburg ist wie jedes in dieser Saison mit 3140 Zuschauern ausverkauft.

Das liegt vor allem an Dru Joyce. Er ist ein ziemlich unprätentiöser Typ, der am liebsten Basketball spielt und sich aus dem ganzen Drumherum nicht viel macht. "Floor General" nennt ihn Spradley. Er ist der bestimmende Spieler, der das Tempo variiert, die Spielsysteme ansagt und in den entscheidenden Momenten den Ball fordert, eben der General auf dem Parkett, zu dem die Mitspieler aufschauen, obwohl er mit 1,82 Metern körperlich der Kleinste ist. "Dru hat schon viele Kriege hinter sich und ist einer der besten Spielgestalter in der BBL", lobt Spradley.

Das Saisonziel will er auch bei einem Sieg gegen Ludwigsburg nicht revidieren. "Wir wollen nicht absteigen und brauchen dafür zwölf Siege", sagt er. Er weiß, dass das angesichts des dritten Tabellenplatzes "lustig klingt", wie er anmerkt: "Wir sind einfach glücklich, dass wir uns mit den Besten messen können." Am Sonntag muss Würzburg zum Meister und Tabellenführer nach Bamberg. Auch LeBron James wird es beobachten.

© SZ vom 18.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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