Basketball:Ohne Bandage

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Nach überstandener Verletzung soll Alex Renfroe den FC Bayern zum Pokalsieg führen. Der Amerikaner ist eine Stütze geworden, weil er kein Egozocker ist - mit seiner List ist er unverzichtbar für Trainer Svetislav Pesic.

Von Matthias Schmid

Alex Renfroe will nicht verraten, ob er mit Sasa Obradovic seit seinem Weggang von Alba Berlin telefoniert hat. Er lächelt vielsagend, entgegnet aber nichts. Der Spielmacher des FC Bayern und den Berliner Trainer verbindet ein etwas ambivalentes Verhältnis. In der vergangenen Saison hatten sich die beiden mal während einer Partie so heftig gegenseitig geschubst, dass die Basketball-Bundesliga (BBL) sie für je ein Spiel sperrte, damit sie sich wieder beruhigen konnten. Hängen geblieben scheint von der kleinen Rangelei aber nichts zu sein. Renfroe, 29, hebt geradezu schwärmerisch die Zusammenarbeit mit Obradovic hervor, er mag die jugoslawische Schule "mit harter Verteidigung und hohem Tempo", die auch Bayern-Trainer Svetislav Pesic pflegt.

An diesem Wochenende werden sich Renfroe und Obradovic wiedersehen, wenn in München im Pokal der erste Titel im deutschen Basketball vergeben wird. Ob sie sich auch im Finale begegnen werden, hängt davon ab, ob ihre Vereine ihre Halbfinalspiele gegen Bamberg beziehungsweise Frankfurt gewinnen werden. Renfroe ist zumindest rechtzeitig wieder so weit genesen, dass er das Spiel der Bayern prägen kann. Im Dezember und Januar hatte der Amerikaner aus Nashville/ Tennessee noch den Albtraum eines jeden Sportlers erleben müssen: Er war verletzt. Die Verletzungen waren zwar nicht so gravierend, dass die Ärzte ihn für längere Zeit vom Sport hätten befreien müssen. Aber eine Sprunggelenk- und eine Rippenblessur waren hartnäckig genug, dass er nur mit einer Spezialbandage unter seinem Trikot auflaufen konnte. Manchmal ging das gut, manchmal konnte er die Schmerzen nicht überspielen. Die Bandage sah natürlich niemand, und weil er die Schwere seiner Verletzung verschwieg, fragten sich viele, warum Renfroe so gehemmt spielte, ermattet irgendwie. Das wirkte sich auch auf seine Statistiken aus, bisweilen wiesen die im Basketball relevanten Zahlen mehr Ballverluste als Korbvorlagen auf. "Ich wollte der Mannschaft helfen", sagt Renfroe heute, "teilweise war das okay, teilweise habe ich aber der Mannschaft damit mehr geschadet."

Sein selbstloser Einsatz war natürlich mit Trainer Pesic abgesprochen. Und viele Möglichkeiten hätte der Deutsch-Serbe auf der wichtigen Aufbauposition sowieso nicht gehabt. Renfroe musste also spielen, weil Pesic nicht auf dessen List verzichten konnte. "Alex kann auf beiden Positionen im Rückraum spielen", sagt der 66-Jährige. "Combo Guard" nennen die Basketballer einen Spieler, wenn dieser nicht nur Angriffe initiieren und seinen Mitspielern mit schlauen Pässen zu leichten Punkten verhelfen kann, sondern noch dazu mit einem guten Wurf gesegnet ist und in Höchstgeschwindigkeit selbst zum Korb dribbeln kann. Am liebsten spielt der Amerikaner mit dem bosnisch-herzegowinischem Pass aber auf der Eins, auf der Spielmacherposition, erzählt er: "Das habe ich mein ganzes Leben schon gemacht."

Der Linkshänder fällt aber nicht nur mit seinen Zuspielen, seinen Dreipunktwürfen und seinem Tempo auf. Er schnappt sich für einen 1,91 Meter großen Aufbauspieler auch ungewöhnlich viele Abpraller vom Brett oder vom Ring: Fast fünf Rebounds sammelte er in der vergangenen Saison bei Alba im Schnitt pro Spiel, in dieser Saison kommt er auf drei Rebounds. "Ich spiele auch als Center, wenn es dem Team hilft", sagt Renfroe. Das meint er natürlich nicht ernst, es ist ein Witz, denn direkt unter dem Korb parken und rempeln für gewöhnlich die Kerle, die zwei Meter oder größer sind.

Aber dieser Satz charakterisiert ihn sehr gut. Renfroe ist ein Spieler, der sich nicht wie viele andere über seine Statistik definiert, er ist kein Egozocker, sondern ein Mannschaftsspieler, der in den nächsten beiden Jahren den FC Bayern nach einer titellosen Saison wieder zu einem weiteren Titel führen soll, am besten schon zum Pokalsieg. Dass er gleich für zwei Jahre beim FC Bayern unterschrieben hat, ist untypisch und hat weniger mit seinen eigenen Präferenzen als vielmehr mit denen seines neuen Agenten zu tun "Ich habe immer nur für ein Jahr unterschrieben, um mich nicht festlegen zu müssen", sagt Renfroe. Nun könnte er sich vorstellen, länger in München zu bleiben. Nur eines schließt er aus. Dass er Deutsch lernt. Er tat das einst in der Mittelstufe. "Ich war sogar einer der Besten. Aber als ich mit der Schule fertig war, habe ich alles wieder vergessen."

© SZ vom 20.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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