Basketball:Neue Kräfteverhältnisse

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Platz da: Danilo Barthel (ganz links) und seine Kollegen vom FC Bayern haben Meister Bamberg mit Augustine Rubit und Nikolaos Zisis (von links) in dieser Saison bereits dreimal besiegt. (Foto: Oryk Haist/imago)

Zum Spitzenspiel reist der FC Bayern als Favorit nach Bamberg: Während der Meister große Leistungsschwankungen offenbart, funktioniert das Münchner Kollektiv.

Von Ralf Tögel, München

In Zadar, so erinnert sich Aleksandar Djordjevic, habe er etwas gesehen. Damit meint der Trainer des FC Bayern keine Erscheinung, die ihm seinerzeit im Trainingslager in Kroatien auf dem Hotelflur begegnet ist. Doch was Djordjevic da erkannt hat, wird langsam auch dem weniger geübten Basketball-Beobachter offenbar. In den Augen seiner Spieler habe er etwas gesehen, so erklärte Djordjevic, dass da etwas zusammenwachse, eine Einheit, ein funktionierendes Kollektiv, eine Mannschaft. Was in einem Testspiel gegen den ewigen Rivalen Brose Bamberg sogleich belegt wurde, München gewann 71:58. Natürlich war es nur ein Testspiel, in beiden Teams fehlten Schlüsselspieler, doch Djordjevic' Beobachtung hat sich bewahrheitet. Insgesamt haben die Teams in dieser Saison dreimal die Klingen gekreuzt, dreimal gewann der FC Bayern.

Aus dem Pokalwettbewerb hat der FC Bayern den Cupverteidiger schon geworfen

Am Sonntag folgt in Bamberg Vergleich Nummer vier (20.15 Uhr/Sport 1), die Münchner reisen als Favorit zu dem Team, das sie in den vergangenen drei Spielzeiten vor sich hergetrieben hat, das maßgeblich beteiligt war, dass sie keinen Titel gewinnen konnten. Nachdem der FC Bayern im November in der Bundesliga 77:68 gewann, darf spätestens der jüngste Sieg im Pokal-Viertelfinale als Indiz gelten, dass sich das Kräfteverhältnis gedreht hat. Denn die Münchner haben den Cupverteidiger Ende Januar 101:97 aus dem Wettbewerb komplimentiert, sind nun selbst Favorit für die erste Trophäe der Saison, die beim Top-Four in Ulm (17./18. Februar) vergeben wird. Doch warum hinkt der Meister Bamberg in der aktuellen Spielzeit hinterher? Und warum marschieren die Münchner in bislang nicht da gewesener Souveränität durch die Saison?

Weil der Kader des FC Bayern stimmiger zusammengestellt ist. Weil die Münchner nun das umsetzen, was die Bamberger in der vergangenen drei Jahren so stark gemacht hat. Ein Kern von acht Spielern wurde gehalten, das ist elementar für die Teamchemie, für das Zusammenspiel. Beispielhaft sind Akteure wie Danilo Barthel, Devin Booker oder Reggie Redding zu nennen, die geradezu aufblühen. Für diese funktionierende Einheit wurden Zugänge gefunden, die das Kollektiv deutlich verstärken und schnell zu integrieren waren. Was viel mit dem Trainer zu tun hat, denn Djordjevic gewann mit Serbien Mitte September die Silbermedaille bei der Europameisterschaft und brachte in Stefan Jovic und Milan Macvan gleich zwei neue Akteure an die Isar mit, die sein System kennen. Zudem hatte er in Vladimir Lucic bereits einen weiteren Silber-Serben im Kader. Der aus Ulm geholte Braydon Hobbs erwies sich als Glücksgriff, ein verrückter Kreativling, ein Teamplayer, der sich gerne in die Rolle des zweiten Spielmachers fügte - und mittlerweile viel mehr als ein Jovic-Ersatz ist. Außerdem kam in Jared Cunningham noch eine Prise Spektakel ins Team, der Amerikaner hatte in China reihenweise Bestmarken pulverisiert, muss nun aber den langwierigsten Integrationsprozess absolvieren: Cunningham war nie zuvor in Europa engagiert. Wie gut dieses Kollektiv funktioniert, ist an der Tabelle abzulesen, die der FC Bayern mit 18:1 Siegen vor Alba Berlin (15:4) anführt.

Bamberg hat elf Siege und bereits acht Niederlagen, muss gar um die Qualifikation für die Playoffs fürchten, ein für diesen Verein und diese Mannschaft schwer zu ertragender Zustand. Denn nominell sind die Oberfranken besser besetzt als die Münchner: Ricky Hickmann ist Euroleague-Sieger, Daniel Hackett Routinier auf höchstem europäischen Niveau, Dorell Wright gar NBA-Champion gewesen mit Miami Heat, Dejan Musli hat den Eurocup geholt. Doch nahezu alle Topspieler sind neu im Kader, das Meisterteam der vergangenen drei Jahre hat sich in alle Winde zerstreut. Bamberg ist eine Ansammlung fabelhafter Einzelkönner, aber keine echte Mannschaft; zudem ist das Gros der Führungsspieler jenseits der 30. Die Franken haben mit Verletzungen zu kämpfen angesichts der Belastung in Bundesliga und Euroleague; bisweilen müssen sie viermal innerhalb von einer Woche antreten. Somit sieht sich der Klub mit etwas konfrontiert, was er lange nicht kannte: wiederkehrende Misserfolge.

Die Chemie zwischen Trainer Trinchieri und den Spielern ist dem Vernehmen nach gestört

Der Frust ist ein Gift, das schleichenden Schaden hinterlässt; die Chemie zwischen Spielern und Trainer Andrea Trinchieri ist dem Vernehmen nach gestört. Spannend ist, wie Aufsichtsratschef Michael Stoschek, der im Hintergrund die Fäden zieht, auf weitere Misserfolge reagieren wird. Vor vier Jahren hatte er nach vier Meisterschaften in Serie und dem folgenden vorzeitigen Aus in der ersten Playoff-Runde die gesamte sportliche Führung ausgetauscht. In jener Saison war es den Bayern gelungen, die seit 2010 bestehende Vorherrschaft der Oberfranken zu unterbrechen und den deutschen Titel zu holen.

So weit ist es noch nicht, Bamberg wird sich vermutlich stabilisieren. Wozu der Kader fähig ist, war beim 95:74-Triumph gegen das europäische Schwergewicht Panathinaikos Athen vor einer Woche zu sehen, nun am Freitagabend bei Fenerbahce Istanbul weniger (69:77). Aber auch bei der 69:106-Bundesliga-Niederlage in Bonn - im negativen Sinne. Zuletzt unterlag der Meister in Berlin 75:81, eine Heimpleite am Sonntag gegen München wäre fatal. Beide Teams müssen erneut wichtige Kräfte ersetzen, es ist keine Partie, die entscheidenden Charakter hat. Aber eine, die richtungsweisend und folgenreich sein kann.

© SZ vom 10.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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