Basketball:Im zweiten Wahlgang

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"Ich denke, dass ich in der NBA spielen kann": Paul Zipsers Meinung teilen etliche Scouts. (Foto: imago)

Der FC-Bayern-Profi Paul Zipser wird bei der NBA-Draft hoch gehandelt - ob er tatsächlich schon im Sommer in die USA wechselt, ist dennoch nicht sicher.

Von Joachim Mölter, München

In der Sprache des Basketballs gibt es eine Fülle von Fachbegriffen, die ein Laie schwer versteht, zum Beispiel 3-and-D-Combo-Forward. Dabei handelt es sich um einen etwas mehr als zwei Meter großen Spieler, der auf beiden Flügelpositionen eingesetzt werden kann - auf der des kleineren, aber auch auf der des eher kräftigeren Forwards. Er hat seine Stärken in der Defensive (daher das D), trifft aber im Angriff gelegentlich auch aus der Distanz einen sogenannten Dreier.

Weil die nordamerikanische Basketballliga NBA diesen Donnerstag in New York ihre jährliche Draft abhält, eine Art Talentauswahl, hat man diesen Begriff in der hiesigen Szene zuletzt häufig gehört. Ein Spieler, der dank eines sicheren Distanzwurfs die gegnerische Defensive auseinanderziehen und in der eigenen Abwehr gleichzeitig mehrere Positionen verteidigen kann, gilt im modernen Basketball als unverzichtbare Notwendigkeit. Und der 2,03 Meter große Paul Zipser vom FC Bayern München ist so ein 3-and-D-Combo-Forward. Einer, der bei etlichen NBA-Klubs auf der Kandidatenliste steht. "Ich denke, dass ich in der NBA spielen kann", sagt der 22-Jährige, "und langfristig will ich das auch. Aber ob das jetzt oder später sein wird, haben andere in ihren Händen. Für mich ist es kein Beinbruch, wenn es nicht in diesem oder im nächsten Sommer hinhaut."

Zuletzt sind seine NBA-Aktien gestiegen - sogar die erste Runde wird Zipser zugetraut

Dazu muss man wissen, wie die Draft funktioniert: Es ist eine Art Optionsbörse, bei der sich die NBA-Klubs erst einmal nur das exklusive Zugriffsrecht auf ein Talent sichern. Das geschieht in zwei Durchgängen, in denen jedes der 30 Teams einmal die Wahl hat. Die Klubs können ihre Rechte freilich auch tauschen, gegen etablierte Spieler oder andere Optionen; sie können den Spieler sofort verpflichten oder erst später. Manchmal lassen sie ihre Option auch einfach verfallen.

Paul Zipser hatte sich bereits im vorigen Jahr für dieses Spekulationsgeschäft angemeldet, sich dann aber wieder von der Liste streichen lassen, klugerweise. Als der gebürtige Heidelberger im Januar 2013 zum FC Bayern kam, haben sie dort ja erst einmal seine Fußprobleme beheben müssen, die von einem überzähligen Knochen herrührten. Als er endlich einsatzfähig war, erlitt er im Frühjahr 2014 eine schwere Knieverletzung und fiel wieder lange aus. Wenn er sich nun im zweiten Anlauf zur Wahl stellt, hat er seine zweite komplette Saison hinter sich und die Befürchtung etlicher NBA-Funktionäre zerstreut, er sei verletzungsanfällig und somit ein Risiko.

Mit Zipsers Einsatzzeiten in der vergangenen Saison sind auch seine NBA-Aktien gestiegen, und sie haben noch mal zugelegt, nachdem er in Treviso und New York zusammen mit anderen Talenten den NBA-Scouts vorgespielt hat. Da hat er seine Stärken live präsentieren können - seine Athletik, seine flinke Beinarbeit, seine Treffsicherheit. Zuvor mussten sich die Experten ja von Videos ihr Bild von Zipser machen.

In amerikanischen Medien wird gern über die Draft spekuliert, aber egal, welchen Experten und welches Medium man zu Rate zieht - bei der Einschätzung von Zipser sind sich alle weitgehend einig: Er wird irgendwo zwischen der 32. Stelle von den Los Angeles Lakers ( Draft-Express) und Rang 47 von den Detroit Pistons (nbadraft.net) ausgewählt werden, am Anfang des zweiten Wahlgangs also. Beim Fernsehsender CBS traut man ihm sogar zu, noch in die erste Runde zu schlüpfen. Das wäre freilich ein gewaltiger Sprung.

Der Unterschied zwischen den Durchgängen lässt sich beziffern: rund eine halbe Million Dollar

Als Erst-Runden-Pick, wie es im Jargon heißt, steht einem Neuling laut NBA-Tarifvertrag immerhin ein für mindestens zwei Jahre garantierter und mit mindestens einer Million Dollar pro Saison dotierter Vertrag zu. Die Zweit-Runden-Picks müssen ihr Salär frei aushandeln, der festgelegte Mindestlohn beträgt 543 471 Dollar.

Welchen Unterschied es macht, ob man im ersten oder im zweiten Wahlgang an die Reihe kommt, kann Zipser bei seinen Nationalmannschafts-Kollegen Dennis Schröder und Tibor Pleiß erfragen. Spielmacher Schröder, 22, wurde als bislang letzter Deutscher 2013 von den Atlanta Hawks an 17. Stelle gedraftet, gleich verpflichtet und ins Team eingebaut. Der 2010 von Oklahoma City an Nummer 31 gedraftete Center Pleiß, 26, musste hingegen fünf Jahre bei europäischen Klubs überbrücken, ehe er in die stärkste Liga der Welt geholt wurde - von Utah Jazz, die seine Transferrechte übernommen hatten, ihn aber meistens auf der Bank sitzen ließen.

Draft and stash nennt man das, noch so ein Basketball-Begriff - einkassieren und verstauen. Es kann sein, dass auch Paul Zipser das blüht, sein Vertrag beim FC Bayern gilt ja noch bis 2017. "In Europa kann ich natürlich auch noch etwas lernen", sagt er. Aber irgendwann will er schon rüber, ins gelobte Land des Basketballs.

© SZ vom 22.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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