Basketball:Ich! Ich! Ich!

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Der Wertvollste bin ich: Für Clevelands LeBron James ist klar, wer die Trophäe für den "Most Valuable Player" bekommen sollte - er selbst. (Foto: Phil Long/dpa)

In der NBA ist ein grotesker Wettbewerb um die Auszeichnung zum wertvollsten Spieler der Saison entstanden. Das droht den eigentlich spannenden Kampf um die Playoff-Plätze in den Schatten zu stellen.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Basketball ist ein Mannschaftssport - und deshalb sollte man meinen, dass die Larry O'Brien NBA Championship Trophy für den Meister der nordamerikanischen Profiliga jener Pokal ist, den alle Akteure haben wollen. Das ist jedoch nicht gewiss. Denn es gibt derzeit einen geradezu grotesken Wettbewerb um eine andere Auszeichnung, der den eigentlichen Wettbewerb in den Schatten zu stellen droht: den National Basketball Association Most Valuable Player Award für den wertvollsten Spieler einer Saison.

LeBron James von den Cleveland Cavaliers etwa sagte in der vergangenen Woche: "Ich würde für mich selbst stimmen. Was ich getan habe, wie ich es getan habe. Was unserem Team in dieser Saison alles widerfahren ist, all die Verletzungen und Transfers. Dieses Team dennoch am Laufen zu halten - ich würde definitiv für mich stimmen." Man muss sich keine Sorgen machen, dass James irgendwann an Selbstzweifeln leiden wird, zumal er seine markigen Worte mit wahnwitzigen Aktionen auf dem Parkett belegt, und es stimmt schon: James trägt die Cavaliers auf seinen breiten Schultern, und warum darf der beste Spieler auf diesem Planeten nicht sagen, dass er sich auch für den wertvollsten Spieler der Liga hält?

Nun, es gibt da ein Problem: Es halten sich mindestens zehn NBA-Profis für den derzeit besten Spieler auf diesem Planeten, es entwickelt sich zum Ende der regulären Saison ein grotesker Wettbewerb der Selbstvermarktung, wie es ihn eigentlich nur unter Schauspielern vor der Oscar-Verleihung gibt. "Race to the MVP Ladder" wird das Werben um die Auszeichnung gar auf der offiziellen NBA-Webseite genannt, das Rennen die MVP-Leiter hinauf. Es hat derzeit den Anschein, als würden sich die besten Akteure gerne gegenseitig von dieser Leiter schubsen wollen.

James ist dabei der einzige, der offen zugibt, dass er sich für den Allerbesten hält - alle anderen lassen sich loben, wie Hollywood-Schauspieler das übrigens auch tun. Alvin Gentry, Trainer der New Orleans Pelicans, sagt etwa über seinen Spieler Anthony Davis: "Er ist großartig. Wollen Sie wissen, was das für ein Typ ist? Ich werde Ihnen sagen, was das für ein Typ ist: Er haut eine großartige Leistung nach der anderen raus - und sagt danach, dass er noch besser hätte sein können. Ich sage Ihnen: Man kann nicht besser sein als er."

Auch als sich Steph Curry verletzt, geht es mehr um die MVP-Liste als um die Aussichten der Golden State Warriors

Der ohnehin sehr laute TV-Journalist Stephen A. Smith brüllt derzeit noch ein bisschen lauter als sonst, sein Favorit ist James Harden von Houston Rockets: "Es gibt keine Diskussion! Die Mannschaft von Harden hat deutlich mehr Siege geschafft als die von James. Harden ist der Anführer dieses konstanten Teams. Alle Statistiken sprechen für ihn, er hat es in dieser Saison einfach verdient. Punkt. Aus." Bei Damian Lillard von den Portland Trailblazers übernimmt ein gegnerischer Trainer die Rolle des Hype-Man, Jeff Hornacek von den New York Knicks sagt: "Wenn ihn noch keiner als Kandidat genannt hat, dann mache ich das jetzt."

Es gibt einen dramatischen Kampf um die Playoff-Plätze in dieser Saison - in der Western Conference etwa hat der Verein auf Platz vier (San Antonio Spurs) eine Bilanz von 44:32, der auf Rang neun (Los Angeles Clippers) eine von 41:34, ausgeglichener geht es kaum. Dennoch scheinen einige Akteure derzeit eher um ihre Position auf der MVP-Leiter besorgt zu sein als um die Setzliste für die Ausscheidungsrunde, und die amerikanischen Journalisten - die letztlich über den wertvollsten Spieler abstimmen - befeuern diese Gedanken auch noch: Als sich Steph Curry kürzlich verletzte, war die Frage auf der Webseite des Sportsenders ESPN nicht: "Wie wirkt sich das auf die Titelchancen der Golden State Warriors aus?" Sie lautete: "Wie wirkt sich das auf die MVP-Chancen von Curry aus?"

Die NBA vergibt am Ende einer Saison beinahe so viele individuelle Titel, wie es Spieler gibt: bester Verteidiger, bester Neuling, bester Einwechselspieler, bester Teamkollege - es wird sogar jemand ausgezeichnet, der sich am besten entwickelt hat. Der bedeutsamste ist freilich der des wertvollsten Spielers, und beim Werben um die Auszeichnung ist jedes Mittel erlaubt, auch das der geheuchelten Bescheidenheit. DeMar DeRozan von den Toronto Raptors sagte etwa am Dienstag über Harden: "Was er in dieser Saison getan hat, das ist unglaublich. Keine Frage: Er hat es verdient."

Direkt danach führte DeRozan seine Mannschaft zum Sieg, die Raptors haben nun die beste Bilanz der Eastern Conference - und was sollte Harden auf das Loblied des Konkurrenten schon antworten außer: "Er spielt auf einem unglaublichen Niveau, jeden Abend." Auf der MVP-Leiter der NBA-Webseite liegt seit dieser Woche hinter Harden und James: DeRozan.

© SZ vom 01.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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