Basketball:Gründlich verstolpert

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"Zu lange nachgedacht": Die Basketballer des FC Bayern starten in St. Petersburg eine Aufholjagd, verlieren zum Eurocup-Auftakt dennoch 77:80.

Von Joachim Mölter

Es kommt selten vor, dass eine Mannschaft ein Spiel schon in den ersten fünf, sechs Minuten verliert - die Basketballer des FC Bayern München können nun von sich behaupten, das geschafft zu haben. Wenn sie ihre 77:80 (37:47)-Niederlage bei Zenit St. Petersburg vom Mittwochabend aufarbeiten, werden sie jedenfalls nicht um die Erkenntnis herumkommen, den Start in das Spiel und in diese Eurocup-Saison gründlich verstolpert zu haben. Vor einer keineswegs einschüchternden Kulisse in der nur mit 4200 Besuchern besetzten, aber 7000 fassenden Sibur Arena, ließen sich die Münchner von ihren Gastgebern erst einmal überrumpeln: Die Russen verwandelten ihre ersten sechs Versuche von jenseits der Dreierlinie, nach sechs Minuten führten sie 18:4, nach zwölf stand es 32:16. Und das, obwohl sie auf ihren verletzten Amerikaner Ryan Toolson verzichten mussten, den besten Dreierwerfer der vergangenen Eurocup-Saison. "Sankt Petersburg hat in der ersten Halbzeit einfach guten Basketball gespielt, während wir zu viel nachgedacht und gegrübelt haben", sagte FCB-Trainer Aleksandar Djordjevic.

Mit einem 16-Punkte-Rückstand ist eine Basketball-Partie aber noch nicht entschieden, zumal zu diesem Zeitpunkt noch 28 Minuten zu spielen waren. Und in der Tat machte es der FC Bayern noch mal spannend. Mühsam, Punkt für Punkt, kämpften sie sich wieder heran, zweimal eroberte sie die Führung: erstmals am Ende des dritten Viertels (60:59/39.), dann drei Minuten vor Schluss (75:74/37.). "Am Ende waren wir eigentlich in fast jedem Aspekt des Spiels besser", fand Djordjevic. An Einsatzbereitschaft und Willen mangelte es den Münchnern wahrlich nicht - aber bei ihrer Aufholjagd spielten sie dem Gegner immer wieder in Hände und brachten sich somit um den Lohn ihrer Arbeit.

Symptomatisch für die Mannschaft des FC Bayern stand an diesem Abend Devin Booker, der neue Center aus den USA. Der agierte zunächst recht ungeschickt und handelte sich beim 16:32 bereits sein drittes Foul ein. Später, zu Beginn des vierten Viertels, deutete er dann an, warum er im Vorjahr zum besten Spieler der französischen Liga gekürt wurde: Mit zehn Punkten in Serie binnen fünf Minuten zum 70:72 brachte er sein Team in eine Position, in der es die Partie hätten drehen können. Mit 27 Punkten, acht Rebounds und fünf Assists hätte Booker zum Held des Abends werden können - doch nachdem Alex Renfroe mit einem Dreier das 75:74 erzielt hatte, leistete sich Booker bei den nächsten Angriffen zwei Ballverluste. St. Petersburg nutzte die Gelegenheiten, um sich die Führung zurückzuholen und sie clever zu verteidigen. Die letzten Dreier-Versuche von Maximilian Kleber und Reggie Redding (insgesamt elf Punkte und fünf Assists) waren eher Verzweiflungswürfe als sauber herausgespielte Aktionen.

Die Niederlage in St. Petersburg, die erste in einem Pflichtspiel für den FC Bayern in dieser Saison, ist für sich genommen nicht dramatisch. Zum einen haben sich die Russen deutlich verstärkt: Etwa mit dem serbischen Spielmacher Stefan Markovic, unlängst unter Djordjevics Anleitung Silbermedaillengewinner bei Olympia in Rio, sowie mit dem russischen Guard Sergej Karassew, der nach drei Jahren in der NBA in seine Heimat zurückgekehrt ist. Zum anderen genügt unter Umständen in der Vorrunde schon ein Sieg, um in die nächste Runde zu kommen: Aus jeder Fünfer-Gruppe scheidet nur der Letzte aus.

Was dem mit großen Ambitionen in den internationalen Wettbewerb gestarteten Trainer Djordjevic allerdings beunruhigen müsste, ist das Fehlen eines echten Spielgestalters: Anton Gavel und Reggie Redding (der bestens mit dem 12-Punkte-Mann Danilo Barthel harmonierte) können den Ball zwar nach vorne bringen und ihre Nebenleute in Szene setzen, das aber nur auf Kosten ihrer eigentlichen Stärken - des Punktens. Und der mitunter zappelige Renfroe ist ein Risiko. Gerade im Vergleich zu Zenit-Regisseur Markovic war das deutlich zu sehen: Der brachte immer wieder Ruhe ins Spiel seiner Mannschaft - und den Ball in die richtigen Hände.

© SZ vom 13.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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