Basketball:Etwas Gutes für ein paar Monate

Lesezeit: 3 min

Beim 82:56 gegen Oldenburg besticht Bayern-Zugang K.C. Rivers mit Ruhe, Abgeklärtheit und Spielübersicht. Sein Vertrag läuft vorerst nur bis Jahresende.

Von Joachim Mölter

Wenn eine Basketball-Partie so gut wie entschieden ist, kommt die sogenannte "Garbage-Time", die Zeit, um den Müll rauszutragen, wie es im Branchen-Jargon ziemlich despektierlich heißt; es ist die Zeit, die halt noch runtergespielt werden muss bis zur Schlusssirene. Die Trainer räumen für gewöhnlich ihre Ersatzbank leer und stellen Akteure raus aufs Feld, die sonst wenig zum Einsatz kommen. Am Freitagabend war die Garbage-Time aus Sicht von Emir Mutapcic bereits fünf Minuten vor dem Ende angebrochen, da führten die von ihm gecoachten Basketballer von Bayern München im Auftaktspiel der neuen Bundesliga-Saison gegen den Pokalsieger EWE Oldenburg 75:48. Viel konnte nicht mehr schiefgehen.

Mutapcic, der den wegen unsportlichen Verhaltens im letzten Finalspiel der Vorsaison für eine Partie gesperrten Chefcoach Svetislav Pesic vertrat, schickte also folgende Fünf aufs Parkett: Andreas Seiferth, den 26 Jahre alten und immerhin schon mit Länderspiel-Erfahrung ausgestatteten Ersatz-Center, dazu das 2,17 Meter große Center-Talent Daniel Mayr, 20, die beiden Teenager Karim Jallow, 18, sowie Richard Freudenberg, 17 - und einen gewissen Kelvin Creswell, kurz: K.C., Rivers.

1 / 5
(Foto: Hans Rauchensteiner)

Geschickt getäuscht: Bayern-Zugang K.C. Rivers (rechts) lässt Oldenburgs Nemanja Aleksandrov ins Leere springen...

2 / 5
(Foto: Andreas Gebert/dpa)

... - und hat freie Bahn zum Korb.

3 / 5
(Foto: Andreas Gebert/dpa)

Bereits auf Betriebstemperatur agierten die beiden neuen Amerikaner Alex Renfroe und K.C. Rivers (vorne im Bild).

4 / 5
(Foto: Andreas Gebert/dpa)

Trainer Pesic sah wegen einer Sperre aus der Vorsaison von zuhause aus zu. Sein Assistent Emir Mutapcic war dafür in der Rudi-Sedlmayer-Halle dabei.

5 / 5
(Foto: Andreas Gebert/dpa)

Auch auf der Zuschauertribüne mit dabei: Uli Hoeneß.

Der Name Uli Hoeneß sagt K.C. Rivers noch nichts: "Ein ehemaliger Spieler?"

Dieser K.C. Rivers ist normalerweise kein Mann für die Garbage-Time. Der 28 Jahre alte Shooting Guard ist vielmehr die vielleicht spektakulärste Verpflichtung, die den Münchnern vor dieser Saison gelungen ist. Der Amerikaner hat nach seiner College-Zeit schon in Italien, Frankreich, Russland und Spanien gespielt; zuletzt half er bei Real Madrid mit, das Triple zu gewinnen: nationale Meisterschaft, Pokal sowie Euroleague. In München hoffen sie, dass etwas von dieser Siegermentalität auf ihre Mannschaft abfärbt. "Was immer das Team braucht", sagt K.C. Rivers, "ich versuche, es ihm zu geben."

Gegen Oldenburg gab er ihm 21 Punkte, obwohl gar nicht so viele nötig gewesen wären für den 82:56 (44:22)-Erfolg. Und er gab den Talenten aus der Nachwuchsabteilung des Klubs am Ende etwas Nachhilfeunterricht. Als sich beispielsweise der 2,02 Meter große Freudenberg einmal nicht traute, einen freien Wurf zu nehmen, ermunterte ihn Rivers, beim nächsten Mal nicht zu zögern: "Ich will, dass die jungen Kerle ihre Würfe mit Selbstvertrauen nehmen, das habe ich Richie auch gesagt."

Seinen erfahrenen Kollegen muss er das natürlich nicht mehr sagen, aber falls die ihn fragen sollten, wie Real Madrid der erste Triumph im höchsten europäischen Wettbewerb seit 20 Jahren gelang, dann kann er ihnen sagen: "Wir haben uns vor jedem Spiel als Außenseiter betrachtet und uns gesagt, wir müssen alles geben, um zu gewinnen." Sich als Außenseiter zu fühlen, ist bei Bayern München wohl genauso schwierig wie bei Real Madrid.

Beim FC Bayern haben sie K.C. Rivers aber nicht als Nachhilfelehrer geholt, sondern als Spieler. Und da bildete er mit Alex Renfroe, einem weiteren Zugang, gegen Oldenburg ein gefährliches Gespann auf den Guard-Positionen. Während Renfroe die Partie in der ersten Halbzeit bestimmte und auf insgesamt 15 Punkte, vier Rebounds und acht Assists kam, hielt Rivers das Niveau nach der Pause hoch und steuerte neben seinen 21 Zählern noch fünf Assists und ebenfalls vier Rebounds zum Erfolg bei. Und während Renfroe mit seiner Hibbeligkeit auffiel, bestach Rivers durch Ruhe, Abgeklärtheit und Spielübersicht. Dem ersten Eindruck zufolge scheint er jedenfalls kein so eigensinniger Akteur zu sein wie es Bo McCalebb war, sein Landsmann, den der FC Bayern im Laufe der vorigen Saison engagiert hatte. "Er ist ein sehr variabler Spieler, der auf zwei, drei Positionen spielen kann", sagt der FC-Bayern-Trainer Emir Mutapcic: "Ich hoffe, er bleibt gesund und macht so weiter."

Vor allem für die bereits in zwei Wochen beginnende Euroleague-Saison ist K.C. Rivers als Verstärkung gedacht; ob ihn die Münchner über die Vorrunde hinaus halten können, ist indes fraglich. Sein Vertrag ist vorerst nur bis zum Jahresende befristet. "Ich sehe es als Herausforderung für ein paar Monate, hier etwas Gutes zu vollbringen", sagt er. Auf mehr mag er sich nicht festlegen, er will sich nicht vorstellen, länger in München zu bleiben. Kann ja sein, dass ihm ein anderer Klub mehr bietet und er dann weiterzieht. "Ich kann nichts versprechen", sagt er, "ich muss schauen, was für mich und meine Familie am besten ist." So spricht der moderne Sport-Söldner, der für denjenigen kämpft, der ihm am meisten zahlt.

Mit seinem aktuellen Arbeitgeber hat sich K.C. Rivers jedenfalls nicht mehr beschäftigt als nötig. Dass der ehemalige FC-Bayern-Präsident Uli Hoeneß am Freitagabend auf der Tribüne saß und den Fortschritt seines Basketball-Werkes beobachtete, hat Rivers nicht gewusst, nicht mal, wer das gewesen ist. "Ein ehemaliger Spieler?", fragte er höflich und ließ entschuldigend wissen: "Mir hat noch niemand etwas über die Historie des FC Bayern erzählt." Er soll ja auch keine Nachhilfe in Geschichte bekommen, sondern spielen.

© SZ vom 05.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: