Basketball:Ein Abend in der Heimat

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Internationales Marketing in Lille: Anne Breitreiner, hier noch im Trikot der deutschen Auswahl, absolviert gerade ein Auslandssemester. (Foto: Sven Simon/imago)

Anne Breitreiner verabschiedet sich in Wasserburg von den Kolleginnen der Nationalmannschaft.

Von Patrick Reichard

Die Nationalhymne wollte Anne Breitreiner dann doch nicht singen. Zum einen war sie dafür gar nicht da, obwohl sie die kurze Hose und das ärmellose Basketball-Trikot für diesen Abend gegen ein schwarzes Kleid eingetauscht hatte. Zum anderen hätte sie das, was von ihr verlangt wurde, die "Boze Pravde", in der Landessprache wohl gar nicht so einfach vortragen können. Der Hallensprecher, der die Hymne Serbiens ankündigte, hatte kurz vergessen, dass vor dem EM-Qualifikationsspiel der Frauen zwischen Deutschland und Serbien noch die Verabschiedung einer 164-maligen Nationalspielerin anstand.

"Sie ist ja noch so jung, da möchte man das noch gar nicht wahrhaben", sagte er über die 31 Jahre alte Breitreiner, er wurde dabei fast wehmütig. Die rund 1000 Zuschauer in ihrer Heimat Wasserburg erhoben sich von ihren Sitzen und klatschten minutenlangen Beifall.

"Eigentlich habe ich mir überlegt, ich werde noch ein paar Worte sprechen. Aber am Ende bin ich ganz froh, dass ich doch nichts sagen musste", sagte Breitreiner später: "Ich hatte Tränen in den Augen, es war ein sehr emotionaler Moment für mich." Das war es auch für viele Zuschauer und alte Weggefährten, die 1,83 Meter große Flügelspielerin wurde im Laufe des Abends mit Geschenken überhäuft. Ein Blumenstrauß, ein Präsentkorb, ein großes eingerahmtes Bild: Irgendwann waren Breitreiners Hände nicht mehr genug, um alles selbst zu tragen. "Wir helfen ihr da gerne", sagte ihr Vater, er schmunzelte. Die Tochter musste ja noch so viele Hände schütteln. Das 66:78 der deutschen Frauen gegen Europameister Serbien hatte sie sich zuvor auf den Zuschauerrängen mit ihren Eltern angesehen. Ein ungewohntes Gefühl: "Es war ganz lustig, so ein Spiel mal mit Mama und Papa zu sehen. Es war ja eigentlich das erste Mal, sonst stand ich ja immer unten auf dem Parkett", sagte Breitreiner. Während der Vater immer wieder aufsprang und die Mutter fast jeden deutschen Korb lautstark bejubelte, blieb die Basketballerin selbst recht ruhig. Sie sei eher "ein kritischer Beobachter". Und nach der Verabschiedung war sie ein wenig mit sich selbst beschäftigt.

In sechs Spielzeiten mit dem TSV Wasserburg gewann die Vereinsspielerin Breitreiner sechs Meisterschaften und vier Pokalsiege, auch in Frankreich, Spanien und Polen gelangen ihr nationale Titel. Als sie im vergangenen Sommer für ein halbes Jahr zu Jahn München wechselte, teilte der neue Verein stolz mit: "Das ist ein bisschen so, als würde Dirk Nowitzki in der zweiten Liga anheuern." Derzeit widmet sich Breitreiner verstärkt ihrem Studium Internationales Marketing. Seit Weihnachten ist die Oberbayerin dafür zum Auslandssemester im Norden Frankreichs in Lille, für ihren Ausstand aus dem Nationalteam ist sie an diesem Abend extra nach Wasserburg gekommen. "Es ist schön zurückzukommen. Man sieht, dass ich hier nicht in Vergessenheit geraten bin. Alle kennen mich noch, alle freuen sich und ich freue mich auch", sagte sie.

Was nach der Zeit in Frankreich kommt, ist noch offen, Breitreiner ist mit 31 ja noch jung. "Das steht alles in den Sternen", sagt sie. Nur für die Nationalmannschaft legt sie sich fest: "Das war's", sagt Breitreiner und kann dabei zufrieden grinsen.

Ihr Erbe sieht sie beim Deutschen Basketball-Bund (DBB) in guten Händen. "Das sind auf jeden Fall gute Mädels, die da nachkommen. Es muss nur kontinuierlich weitergearbeitet werden", erklärt Breitreiner. Auch für Bundestrainer Bastian Wernthaler war es ein gelungener Abend: "Ich war sehr, sehr zufrieden", sagte er nach dem 66:78 (40:38), obwohl sein Team nun endgültig keine Chance mehr auf die EM hat. "Wir können echt stolz sein, dass wir fast ebenbürtig mitspielen. Darauf können wir aufbauen." Im Hinspiel hatte das DBB-Team noch mit 43 Punkten Unterschied gegen die Serbinnen verloren. Dass es diesmal anders war, dafür sorgte auch das begeisterte Publikum in Wasserburg. "Es war richtig toll. Ich war drei Jahre hier Trainer, aber eine so volle Halle habe ich nicht erlebt", erzählte Wernthaler.

Auch der Bundestrainer hielt zu Breitreiners Abschied eine kleine Rede. "Im Endeffekt kann man das nach dem Spiel ganz gut zusammenfassen: Die junge Anne Breitreiner hätte bei Serbien eine entscheidende Rolle spielen können. Und damit ist eigentlich alles gesagt." Das war es wirklich.

© SZ vom 26.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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