Basketball:Die Gunst des Augenblicks

Lesezeit: 2 min

Zisper? Zipster? Zipser! Der Flügelspieler will sich einen Namen machen. (Foto: imago/Eibner)

Flügelspieler Zipser geht mit seinem Wechsel in die NBA nach Chicago gelassen um.

Von Matthias Schmid

Auf ein Mitbringsel aus Chicago hat Paul Zipser verzichtet, als er am vergangenen Freitag einen Zweijahresvertrag bei den Chicago Bulls unterschrieb, in der NBA, der stärksten Basketballliga des Planeten. Der Nationalspieler hatte überlegt, sich das legendäre rote Trikot der Bulls zu gönnen. "Aber es gab keins in meiner Größe mehr", erzählte er am Montag im Presseraum des FC Bayern, "ich warte jetzt, bis ich mein eigenes bekomme."

Zipser, 22, schildert das alles überraschend gelassen. "Meine Familie ist aufgeregter als ich", bekennt er lächelnd. Er ist niemand, der viel Aufhebens um sich macht, er nimmt sich selber nicht wichtig und unterlässt es, große Töne in die Welt hinauszuposaunen. Mit dem Zirkus in der NBA, mit den Statussymbolen mancher Spieler, mit dem glitzerndem Brimborium und den goldenen Ketten könne er nichts anfangen, gibt er zu. "Ich bin nicht der Typ für die fancy Klamotten." Er wird sich mit dem großen Theater aber arrangieren müssen, ob er will oder nicht, wenn er ein Teil der NBA-Industrie sein möchte. Auch Dirk Nowitzki hatte das einst erfahren; das ging so weit, dass die Verantwortlichen bei den Dallas Mavericks ihm nahelegten, doch bitteschön ein größeres Auto zu kaufen.

Ob "Paul Zisper" oder "Zipster", wie ihn manche Amerikaner aus Unkenntnis oder Spott nennen, sportlich in die NBA passt, darüber streiten sich auch in Deutschland die Basketball-Gelehrten mit großer Leidenschaft. Zipser, ein athletischer Flügelspieler mit feinem Händchen, begegnet den Debatten mit Humor. Natürlich habe er vernommen, dass die Anfänge der Deutschen, die bisher in der NBA vorspielen durften, mehr oder weniger holprig verlaufen sind. Auch Nowitzki hat keine schönen Erinnerungen an seine Premierensaison, in der er vornehmlich mit zag- und fehlerhaften Aktionen aufgefallen war. "Da kann ich also gar nicht so viel falsch machen", glaubt Zipser. Über seine künftige Rolle bei den Bulls hat er noch mit niemand gesprochen. Als er am Freitag durch das riesige United Center lief, war er fast allein, kaum jemand war da. Mit dem Cheftrainer Fred Hoiberg und dem Manager Gar Forman hat er bisher nur wenige Minuten telefoniert. Es ging nur um Nebensächliches.

Die Bulls sind gerade dabei, ihren Kader neu zu sortieren

Zipsers bisheriger Coach beim FC Bayern, Svetislav Pesic, hatte ihm geraten, noch ein Jahr in München zu bleiben, um sein Spiel auf ein höheres Niveau zu heben. In den USA indes wunderten sich Scouts, warum Zipser von Pesic nicht schon längst mehr und prominenter eingesetzt wurde. Die Chance, sofort in die NBA zu wechseln, ließ sich Zipser daher nicht von Pesic ausreden. "Er ist da schon old School im Denken", sagt er: "Aber ich sehe das anders und gehe den Weg, den ich wollte."

Der Zeitpunkt seines Umzugs in die Staaten ist jedenfalls günstig. Die Bulls haben erstmals nach Jahren die Playoffs verpasst, sie sind gerade dabei, ihren Kader neu zu sortieren, Spieler kommen und gehen. Der frühere Liga-MVP Derrick Rose hat den Klub ebenso verlassen wie die Center Joakim Noah und Pau Gasol. Dafür kommen die früheren Champions Dwyane Wade und Rajon Rondo. "Vor allem Wade soll ein Super-Typ sein, der seine Erfahrung auch gerne an die jüngeren Spieler weitergibt", hat Zipser mitbekommen.

Er hofft, dass er im ersten Jahr auf einige Spielminuten kommt, "weil mein Spielstil gut passt". Vor allem mit seinem Distanzwurf könnte er helfen, weil seine künftigen Kollegen von der Dreierlinie durchweg schwächeln. Doch im Moment stehe für ihn die NBA nicht an erster Stelle, sagt Zipser. Am Donnerstag reist er nach Würzburg zum ersten Lehrgang der Nationalmannschaft vor der EM-Qualifikation (31. August bis 17. September). Danach will er sich in Chicago eine Wohnung suchen. Ganz unaufgeregt.

© SZ vom 19.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: