Basketball:Bis die Nähte platzen

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Für Basketball-Titelverteidiger FC Bayern kann schon an diesem Dienstag gegen Alba Berlin die Saison enden.

Einst, als Sasa Obradovic noch selber spielte, war sein Markenzeichen ein weißes Stirnband. Das den Schweiß aufsog, der von der Glatze in die Augen zu fließen drohte. Ein Regisseur braucht klare Sicht - ein Trainer auch. Nur passt ein Schweißband, ob weiß, ob blau, zu keinem Anzug. Schon gar nicht zu einem, der derart eng auf Figur geschnitten ist wie jener nachtblaue, in dem Obradovic das dritte Basketball-Halbfinale für Alba Berlin gegen den FC Bayern coachte.

Spiel drei ist in einer Playoff-Serie oft das Schlüsselspiel, in dem das Auswärtsteam versucht, mit aller Macht den Heimvorteil zu brechen. Dass die Münchner zwischenzeitlich nah dran waren, an der Umsetzung ihres Vorhabens, konnte man an Obradovic und seiner Glatze sehen: Permanent wischte er mit der flachen Hand über seinen runden Schädel, eigentlich hätte er ein Handtuch gebraucht, um die Flut zu dämmen, als die Bayern kurz vor Ende des dritten Viertels ihre größte Führung, ein knappes 74:71, herausgeworfen hatten. Und sicher war dies ein Moment, in dem der 46-Jährige fürchten musste, dass an diesem Sonntag etwas hätte schief gehen können vor den mehr als 13 000.

Coacht mit offenem Sakko: Bayern-Trainer Svetislav Pesic. (Foto: Rauchensteiner)

Die erlebten ein Duell, das sogar Svetislav Pesic mit dem Attribut "exzellent" adelte, und der war am Ende dann doch der Trainer des Verlierers. Schnell mal hatte Pesic seine Mannschaft ausgewechselt, jedenfalls war es eine völlig andere als jene, der er eine Woche zuvor nach der Auftakt-Niederlage bescheinigt hatte, "das Basketball-ABC" verlernt zu haben. Mit 55:81 hatte sein Team das Startduell verschlampt, mit 85:73 aber Spiel zwei gewonnen, und nun kommt es nach der 88:101-Niederlage an diesem Dienstag in München bereits zum "Do-or-die"-Duell - verlieren die Bayern, ist für den Titelverteidiger die Saison beendet. Gewinnen sie, steht es nach Siegen 2:2, dann kehren sie noch einmal nach Berlin zurück. Dann bietet sich am Donnerstag die dritte Chance, doch noch einen Auswärtssieg zu landen, um so das Finale gegen die Bamberger zu erreichen. Die schonen nach der 3:0-Serie gegen Ulm bereits ihre Kräfte.

Wie die Münchner darüber denken, dass ihnen in Berlin im Schlussviertel die Siegchance doch noch entglitten ist, machten sie am Montag in einer Presseerklärung deutlich. Darin ist von "weiteren Umständen" - die indirekt auf Chef-Referee Robert Lottermoser und sein Team gemünzt sind - die Rede, und Pesic wird mit der folgenden rhetorischen Schleife zitiert: "Ich möchte aber nicht über die Schiedsrichter sprechen, sondern nur mit ihnen, um ihnen bei ihrem sicherlich nicht einfachen Job zu helfen. Für das nächste Spiel wäre es allerdings am besten, wenn man den Spielern die Chance anbieten würde, das Spiel selbst zu entscheiden."

Coacht mit geschlossenem Sakko: Alba-Trainer Sasa Obradovic. (Foto: imago/mika)

In der Tat gab es diverse Szenen, die die Rechtsgelehrten des deutschen Basketballs nun mit Hilfe von Superzeitlupen am Videotisch sezieren werden. Und sie werden sicher den ein oder anderen Pfiff finden, der den Berlinern besser ins Konzept passte. So als der deutsche Nationalspieler Akeem Vargas den Bayern-Center John Bryant so lange piesackte, bis sich dieser zu einem Ellenbogenschlag hinreißen ließ und folgerichtig mit unsportlichem Foul bestraft wurde. Oder als Bayern-Profi Dusko Savanovic beim Wurfversuch ungeahndet an der Hand getroffen und für seine anschließende Schimpfkanonade gleich mit zwei technischen Fouls belegt wurde. Savanovic musste die Halle vorzeitig verlassen. Alba kam auch wegen dieser Wutrede zu vier erfolgreichen Freiwürfen von Marko Banic in Serie - spätestens beim 86:98 war der Münchner Widerstand gebrochen.

Solche Schiedsrichter-Debatten gehören in den Playoffs zum Ritual, gerade in diesem Nord-Süd-Duell. Doch die Münchner werden auch bessere Gründe finden dafür, dass sie das Schlussdrittel klar mit 14:27 herschenkten. Zum Beispiel jenen, dass ihren Topscorern Nihad Djedovic (17), Vasilije Micic (15) und Bryce Taylor (14) kein einziger Korb mehr gelang, während die Berliner, angetrieben von Reggie Redding (20) und Alex Renfroe (14), ein Distanzwurf-Festival organisierten. In zwei zentralen Wertungen waren die Alba-Profis am Ende besser: In der Statistik der Drei-Punkte-Würfe (13 Treffer aus 30 Versuchen; München fünf aus 21), aber auch bei den Rebounds (37:32), obwohl die Bayern unter dem Korb eigentlich Größenvorteile für sich reklamieren.

Spätestens Donnerstag ist die Halbfinal-Serie zu Ende, und zu den Fragen, die offen sind, zählt auch jene, ob am Sakko von Sasa Obradovic der Knopf hält? Der Trainer zeigt an der Linie ein skurriles Bewegungstheater ohne Pause. Höchst erstaunlich, dass am Sonntag der obere Knopf geschlossen blieb, ohne dass die Nähte platzten. Jetzt reist er nach München, und vielleicht hinterlässt er dort für Pep Guardiola einen dienlichen Hinweis auf seinen Schneider. Dem Katalanen, der beim Fußball viel, aber nicht gar so exzessiv an der Linie turnt, riss bekanntlich jüngst im Stadion die Hose.

© SZ vom 02.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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