Basketball:Achterbahnfahrende Melkknechte

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Plötzlich Tabellenführer: Daniel Theis (vorne) gelang mit den Baskets Bamberg ein wichtiger Sieg gegen Alba Berlin. (Foto: Britta Pedersen/dpa)

Bambergs Basketballer schieben dem FC Bayern vor den Playoffs die Favoritenrolle zu. Nur der Bamberg-Coach Trinchieri rückt das Ganze in der Pressekonferenz etwas zurecht.

Von Claus Hulverscheidt

Zu den Dingen, die das kräftezehrende Leben eines professionellen Übungsleiters lebenswert machen, gehört das Vorrecht, Spiele der eigenen Mannschaft aus einem mitunter sehr speziellen Blickwinkel betrachten zu dürfen. Und so sprach Andrea Trinchieri am Sonntag nach dem 78:72-Sieg der Brose Baskets Bamberg beim Rivalen Alba Berlin nicht etwa davon, dass man nun den Gewinn der deutschen Basketball-Meisterschaft anstrebe. Er erzählte vielmehr vom Bauernhof.

Seine Spieler, so der italienische Coach, kämpften und rackerten in jeder Bundesligapartie oft wie Knechte, die einen ganzen Stall voller Kühe von Hand zu melken hätten - und am Ende aus purer Tollpatschigkeit den Eimer mit Milch umstießen. Titelfavorit ist deshalb aus Sicht Trinchieris einer, der an diesem Abend in Berlin gar nicht dabei war und sich deshalb nicht wehren konnte: der FC Bayern München.

Wer die jüngsten Duelle der drei großen Bs im deutschen Basketball gesehen hat, der mag an dieser Prognose so seine Zweifel haben. Denn während die Bayern den Berlinern vor einer Woche trotz des am Ende knappen Siegs lange Zeit klar unterlegen gewesen waren, präsentierten sich die Bamberger gegen die Hauptstädter von Beginn an auf Augenhöhe. Mehr noch: Als es in der zweiten Halbzeit ernst wurde, agierten sie nicht nur geschickter, sondern auch abgebrühter - von tollpatschigen Melkknechten keine Spur. Inklusive Pokal haben die Franken in dieser Saison alle drei Spiele gegen Alba gewonnen, eins davon mit fast 30, ein weiteres mit mehr als 20 Punkten Vorsprung. Diesmal, beim 78:72, waren es aus Berliner Sicht immerhin nur noch sechs Zähler.

Die Brose Baskets haben damit im letzten Spiel der Hauptrunde die Tabellenspitze erobert, was für die nun folgenden Playoffs gleich zwei handfeste Vorteile mit sich bringt: Zum einen hat die Trinchieri-Truppe nun pro Runde im Zweifel immer ein Heimspiel mehr als der Gegner. Vor allem aber wird sie frühestens im Finale auf den von ihr selbst aufgerufenen Top-Favoriten, die Bayern, treffen. Die Berliner hingegen bekämen es schon in der Vorschlussrunde mit den Münchnern zu tun - wenn sie denn das Viertelfinale gegen Pokalsieger Oldenburg überstehen. "Vor der Saison hätte ich Platz zwei sofort unterschrieben", sagte Alba-Geschäftsführer Marco Baldi nach dem Spiel gegen Bamberg ein wenig frustriert: "Aber nicht mit Oldenburg im Viertelfinale!"

Die Franken spielen nun in der Best-of-five-Serie mindestens drei Mal gegen Ludwigsburg, Bayern trifft auf Frankfurt, das vierte Duell lautet Bonn gegen Ulm. Es ist das einzige, in dem es keinen Favoriten gibt. Für einen erneuten Titelgewinn der Münchener spricht aus Sicht Trinchieris vor allem die Tiefe des Kaders und die große Playoff-Erfahrung vieler Spieler. Hier haben die Bayern in der Tat Vorteile gegenüber Bamberg. Umgekehrt steht in den Reihen der Franken in Bradley Wanamaker der wohl beste Aufbauspieler der Liga. Auch die sehr guten Berliner Konkurrenten Alex Renfroe und Clifford Hammonds können diesbezüglich nicht mithalten.

Das zeigte sich auch beim jüngsten Aufeinandertreffen in Berlin, das Renfroe zunächst mit klugen Pässen, mutigen Drei-Punkte-Würfen, starkem Zug zum Korb und einem krachenden Dunking dominierte. In der entscheidenden Phase der Partie allerdings produzierte der Berliner Spielmacher auch mehrere Ballverluste - Wanamaker dagegen keinen einzigen. Und noch ein Manko der Hauptstädter wurde wie zuletzt schon gegen München und Bremerhaven deutlich: Setzt man sie mit einer aggressiven Verteidigung unter Druck, geraten sie mangels Kreativität leicht mit der 24-Sekunden-Wurfregel in Konflikt und müssen am Ende überhastet abschließen. Zu den Titelfavoriten zählen die Berliner dennoch, schließlich haben sie in dieser Spielzeit etwa gegen die Bayern alles zusammen genommen dreimal gewonnen und nur einziges Mal knapp verloren.

Bamberg-Coach Trinchieri indes rückte bei der Pressekonferenz nach dem Berlin-Spiel die Sache mit dem Favoriten doch noch ein wenig zurecht. Spiele seiner Mannschaft, so der Übungsleiter, seien oft eine reine Achterbahnfahrt: "Unser stärkster Gegner sind deshalb die Brose Baskets Bamberg."

© SZ vom 05.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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