Basketball:"Aberwitziger Pfiff"

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Nach einer strittigen Szene bei der 72:91-Niederlage des FC Bayern in Ulm diskutiert die Bundesliga, wie der Videobeweis künftig eingesetzt werden soll.

Von Matthias Schmid, München

Die E-Mail mit den strittigen Szenen des Spiels haben die drei Schiedsrichter schon kurz nach der Schlusssirene auf ihren Tablets abrufen können. Über eine Sequenz in der Partie der Basketball-Bundesliga (BBL) am Sonntagabend zwischen ratiopharm Ulm und dem FC Bayern (91:72) diskutierten sie besonders leidenschaftlich mit dem Schiedsrichter-Obmann der BBL, Boris Schmidt, der zufällig für dieses Spiel auch als Beobachter eingeteilt war. Er war es auch, der ihnen die Bewegtbilder schon schnittfertig hatte zukommen lassen. Es ging um die Hinausstellung des Bayern-Profis Deon Thompson im dritten Viertel. Der US-Amerikaner hatte den deutschen Nationalspieler Per Günther bei einem Fastbreak verfolgt und ihn beim Versuch eines Korblegers gestört. Es war eine Szene wie sie häufig vorkommt im Basketball, der verteidigende Spieler versucht, den angreifenden im letzten Moment zu blocken und so einen Korberfolg zu verhindern.

"Es ist schon lächerlich, dass dafür überhaupt ein Foul gepfiffen wird", schimpfte Marko Pesic. Der Bayern-Sportdirektor regte sich aber weniger über die Tatsache auf, dass der Schiedsrichter Mathias Rucht gepfiffen hatte, sondern darüber, dass er ein unsportliches Foul gesehen haben wollte. Thompson hatte in der ersten Hälfte schon eines hinnehmen müssen. Ein zweites unsportliches Foul hat laut Reglement zur Folge, dass der Spieler in der Begegnung nicht mehr eingesetzt werden darf.

Marko Pesic fragt sich deshalb, warum die Schiedsrichter nicht den Videobeweis heranzogen, "weil diese Entscheidung massiven Einfluss auf den Spielverlauf hatte". Pesic: "Das war ein aberwitziger Pfiff." Der Videobeweis war bereits vergangene Saison im deutschen Basketball probeweise eingeführt worden, inzwischen zählt er fest zum Instrumentarium.

Und in der Tat waren sich auch der Hauptschiedsrichter Christof Madinger und Rucht zunächst nicht einig, wie sie die Szene bewerten sollten. Noch auf dem Parkett diskutierten sie miteinander, die getroffene Entscheidung nahmen sie jedoch nicht mehr zurück. "Herr Rucht hatte nicht die geringsten Zweifel an seiner Entscheidung", berichtet Obmann Schmidt. Erst später in der rund einstündigen Videokonferenz musste Rucht erkennen, dass er daneben lag. "Es war definitiv ein Foul, aber kein unsportliches", bestätigt Schmidt und fügt hinzu: "Für den FC Bayern ist das sehr ärgerlich, aber Fehler sind menschlich."

Für Boris Schmidt hat die strittige Szene allerdings einen positiven Nebeneffekt. Er glaubt, dass die Schiedsrichter nach dieser Fehlentscheidung mit dem Videobeweis nun verantwortungsbewusster umgehen. Er ermutigte sie schon häufiger, mit dem sogenannten "instant replay" zu arbeiten. Viele trauen sich aber nicht. In den meisten Fällen wird Video nur dazu genutzt, zu entscheiden, ob ein Ball vor Ablauf der Zeit die Hand verlassen hat oder nicht. Dafür hat Marko Pesic kein Verständnis: "Es geht um so viel, und seit dieser Saison ist es ja auch möglich, eine Szene noch mal anzusehen, wenn eine Entscheidung gravierend ins Spielgeschehen eingreift." Manche wünschen sich daher für einen faireren Wettbewerb, dass die Trainer ähnlich wie im Tennis ein, zwei Challenges pro Spiel haben, um den Videobeweis anfordern zu können. Bisher ist das nur dem Hauptschiedsrichter gestattet. Boris Schmidt begegnet dem Vorschlag grundsätzlich nicht ablehnend: "Aber wir müssen darüber diskutieren, welche Vor- und Nachteile das mit sich bringen würde."

© SZ vom 09.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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