Baseball-Profi Daniel Norris:Der 800-Dollar-Pitcher vom Parkplatz 

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Der 21-jährige Daniel Norris von den Toronto Blue Jays hat keine Lust auf Luxus. Er wohnt während der Vorbereitung in Florida in einem alten VW-Bus.

Es war Ende Februar, als Daniel Norris diese herrliche Twitter-Nachricht veröffentlichte: "Ich mache gerade ein Nickerchen in meinem Bus. Da kommt dieser Typ mit Bargeld daher. Er sagt, dass sein Bruder eine Zeit lang obdachlos gewesen sei und dass er für mich beten würde..." - dahinter ist ein Smiley mit einem beschämten Gesicht. Natürlich ist es wunderbar, wenn Menschen für einen beten, doch Norris ist nicht obdachlos, er braucht auch kein Geld. Er ist Baseballprofi bei den Toronto Blue Jays, in dieser Woche schaffte er beim Vorbereitungsspiel gegen die Baltimore Orioles sieben Strikeouts.

Der Mann lebt nicht in diesem Volkswagen Westfalia (Baujahr 1978), weil er es muss. Er lebt dort, weil er es so möchte. Norris, 21, hat bei der Unterschrift seines Vertrages vor drei Jahren einen Bonus von zwei Millionen Dollar erhalten, er besitzt einen Werbevertrag mit Nike - doch das alles interessiert ihn nicht besonders. Ein Finanzberater kümmert sich um die Einkünfte und überweist Norris pro Monat 800 Dollar. Das genügt. "Was habe ich denn schon gemacht, um so viel Geld zu verdienen?", fragt er: "Ich fühle mich wohler, wenn ich das Gefühl habe, arm zu sein."

Derzeit bereiten sich zahlreiche Vereine der Profiliga MLB in Florida auf die kommende Spielzeit vor, die am Ostersonntag mit der Partie zwischen den Chicago Cubs und den St. Louis Cardinals eröffnet wird. Die Akteure wohnen in luxuriösen Hotels, manch einer gönnt sich gar eine Villa am Strand. Norris fuhr die 1100 Kilometer aus seiner Heimatstadt in Tennessee mit dem Bus - er hatte eigentlich vor, am Strand zu schlafen und vor den Trainingseinheiten im Atlantik zu surfen. Die Polizei jedoch verbat ihm das Campen und schickte ihn auf den Parkplatz eines Supermarktes.

Alte Klapperkiste statt Luxus-Loft: Baseball-Profi Daniel Norris lebt im Bus und von 800 Dollar - trotz Millionenvertrag. (Foto: Instagram-Account Daniel Norris)

"Werd' endlich erwachsen und benimm' Dich wie ein Profi!"

Dort lebt er nun, morgens kocht er Kaffee und ein paar Eier, dann surft er, danach fährt er zum Training. Dort trifft er auf Kollegen mit Goldkettchen und Protzuhren, die sich weniger als Sportler denn als Marken begreifen und ihm schon mal zuraunen: "Werd' endlich erwachsen und benimm' Dich wie ein Profi!" Die Verantwortlichen seines Vereins jedoch haben nichts gegen seinen Lebensstil, sein Trainer John Gibbons sagt: "Das ist doch alles zweitrangig - er ist in herausragender Verfassung. Er ist einer unserer Schlüsselspieler."

Norris sagt über sich: "Für mich ist das ein bisschen wie Yin und Yang. Ich werde mich nicht ändern, nur weil die Menschen das für komisch erachten. Die einzige Möglichkeit für mich, eine erfolgreiche Saison zu bestreiten, ist es, mich glücklich zu fühlen und ausgeglichen zu sein. Das mag unkonventionell sein, aber um mich glücklich zu fühlen, brauche ich eben ein bisschen Abenteuer." Ach ja: Die Winterpause verbrachte er nicht in einem Luxus-Ressort - er arbeitete daheim in Tennessee in einem Outdoor-Geschäft. 40 Stunden pro Woche.

Berühmt wurde Norris durch ein Porträt bei ESPN Anfang März, das ihn als "The Man in the Van" beschrieb - der Mann im Bus. Er wurde dargestellt als Hippie, der keine Drogen nimmt. Als der Umweltschützer, der zunächst nicht für eine Bierfirma oder einen Sportartikelhersteller warb, sondern für die Organisation 1% for the planet. Der sich mit einer Axt rasiert und lieber in seinem Bus mit dem Spitznamen Shaggy Fotomagazine durchblättert als in den Clubs von Florida Frauen anspricht. Um Sport ging es dabei nur am Rande.

Seine Bälle sind schneller als sein Bus: Daniel Norris wirft den Ball für die Toronto Blue Jays mit über 150 km/h. (Foto: Carlos Osorio/AP)

Dabei ist Norris ein ganz formidabler Werfer. Sein Fastball erreicht bis zu 96 Meilen pro Stunde (154 km/h), er verfügt über einen kräftigen Slider, einen ordentlichen 12-6-Curveball - derzeit bastelt er an einem langsamen Wurf (Changeup), um unberechenbarer zu werden. "Ich hatte den Wurf schon immer in meinem Repertoire, doch nur selten benutzt", sagte Norris nach der Partie gegen die Orioles. Trainer Gibbons lobte: "Das kann ein gefährlicher Wurf sein. Wenn er so kommt wie heute, dann ist das riesig."

Ihm "droht" ein Vertrag im dreistelligen Millionenbereich

Das ESPN-Porträt hat ihn weltweit berühmt gemacht als den Millionär, der gar keiner sein will. Er ist mittlerweile ein bisschen genervt vom Rummel um seine Person: "Ich weiß das natürlich zu schätzen und verstehe, dass die Fans den Typen kennen wollen, den sie da anfeuern - aber ich will mich jetzt auf Sport konzentrieren und mich nicht ablenken lassen." Das gelingt ihm ganz gut, Gibbons sagt über ihn: "Es gibt keine Grenzen für ihn." Heißt übersetzt: Er könnte in ein paar Jahren auch einen dieser Verträge im dreistelligen Millionenbereich bekommen. Norris weiß schon, was er dann machen würde: weiterhin von 800 Dollar pro Monat leben und "mich noch mehr für die Sachen einsetzen, die ich liebe."

Die erste Partie der Saison absolvieren die Blue Jays gegen die New York Yankees. Dort spielt C.C. Sabathia, der im Jahr 2009 den damals höchstdotierten Werfer-Vertrag (161 Millionen Dollar für sieben Spielzeiten) in der Geschichte unterschrieben hat. Sabathia wohnt in einer 1700-Quadratmeter-Villa, die inklusive Trophäenzimmer und Friseursalon kürzlich in Architectural Digest vorgestellt wurde. Norris wird übrigens in der kommenden Woche aus dem Bulli ausziehen. Er wird während der Saison in einem Zimmer im Haus eines Kollegen wohnen.

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