Baseball-Spieler Alex Rodriguez:Wie in "Rocky II" oder "The Wrestler"

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Alex Rodriguez ist zurück (Foto: USA Today Sports)

Der Baseball-Spieler Alex Rodriguez war wegen Doping gesperrt. Nun ist er zurück, wird 40 Jahre alt - und spielt eine formidable Saison für die Yankees. Die Amerikaner sind verzückt von dieser filmreifen Dramaturgie.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es ist wirklich keine Freude, dem Baseballspieler Alex Rodriguez auf seinem Weg um die Male zuzusehen. Sowohl beim Beschleunigen als auch beim Kurvenlaufen wirkt er wie eine Mischung aus Nutztier und Kleinlaster. Oder wie er selbst sagt: "Wie Shaquille O'Neal, der sich um einen Gegenspieler dreht." Rodriguez feiert im Juli seinen 40. Geburtstag, er hat ein paar Hüftoperationen hinter sich, weil die älter werdenden Knochen die vielen Muskeln nicht mehr tragen können, die Rodriguez im Laufe der Jahre an seinem Körper installiert hat. Da darf er ruhig ein wenig ungelenk daherkommen.

Rodriguez absolviert gerade eine herausragende Saison bei den New York Yankees. Er schaffte bereits elf Homeruns und beförderte sich mit nunmehr 665 auf Platz vier der Karriere-Bestenliste - zu dem in Führung liegenden Babe Ruth fehlen ihm noch 49. Außerdem prügelte er in dieser Spielzeit 27 Punkte nach Hause, womit er nun insgesamt 1996 hat - ebenso viele wie Barry Bonds auf Platz zwei der Rekordliste. Ach ja: Ihm fehlen nur noch 17 Hits, um den Laufbahn-Meilenstein von 3000 zu erreichen. Die Yankees liegen trotz des 2:6 bei den Oakland A's (Rodriguez schaffte einen Hit) am Freitagabend auf Platz eins der East Division in der American League.

So locker wie noch nie

Das Leben meint es gerade gut mit Alex Rodriguez. "Er spielt so locker, wie ich ihn noch nie gesehen habe", sagt ein gegnerischer Scout: "Er sieht so aus, als würde ihn das alles einen Scheißdreck interessieren - und das ist gut für ihn." Das alles, das sind nicht Schlagstatistiken oder Rekorde oder die Platzierung des Vereins, es geht auch nicht um Geschmeidigkeit bei der Grobmotorik. Es geht um nichts weniger als die komplette Karriere von Rodriguez, der das Wachstum seiner prächtigen Muskeln nicht nur mit Hanteltraining, sondern auch mit der Einnahme leistungsfördernder Mittel beschleunigt hat.

Für die Zeit zwischen 2001 und 2003, damals war er für die Texas Rangers aktiv, gab er im Jahr 2009 die Einnahme von Steroiden zu. Die komplette vergangene Saison musste er aussetzen, weil die Beweise für regelmäßige Besuche beim Dopingarzt Anthony Bosch ausreichten, damit die Liga ihn 162 Spiele sperrte. Die Yankees versuchten, aus dem mit mehr als 27 Millionen Dollar vergüteten und zahlreichen Boni versehenen Kontrakt herauszukommen, der zum Beispiel vorsieht, dass er immer dann sechs Millionen Dollar kassiert, wenn er auf der Homerun-Liste einen Spieler überholt. "Ich hätte doch vor einem Jahr nicht gedacht, dass ich noch einmal für die Yankees würde schlagen und diesem Team würde helfen dürfen", sagt er selbst.

Es ist durchaus interessant zu beobachten, was da gerade passiert im amerikanischen Sport. Rodriguez ist plötzlich wieder einer der wichtigsten Akteure für die Yankees, sein Schlagdurchschnitt (.277) ist so gut wie seit sechs Jahren nicht mehr. Doch es geht noch weiter: Rodriguez erreichte kürzlich Willie Mays in der Homerun-Bestenliste, er schaffte das durch einen Ball, den er über das "grüne Monster" prügelte. Dieses grüne Monster befindet sich im Stadion der Boston Red Sox, seit mehr als 100 Jahren der erbitterte Rivale der Yankees.

Als sich Rodriguez um die Male schleppte, gab es nicht nur die üblichen Buhrufe - sondern auch Jubelschreie. Na ja, raunen sich nun einige zu, noch immer gibt es keinen öffentlichen positiven Test in Rodriguez' Karriere. Und er hat sich vor der Saison mit einem handgeschriebenen Brief bei Verantwortlichen Fans entschuldigt.

Wie "Rocky III" oder "The Wrestler"

Natürlich, so eine Dramaturgie lieben sie in den Vereinigten Staaten, wenn einer Mist baut und am Boden liegt, sich jedoch aus eigener Kraft erhebt, ein Comeback schafft und am Ende entgegen aller Wahrscheinlichkeiten obsiegt. In Hollywood haben sie diesen Stoff immer wieder erzählt, von "The Fighter" und "Rocky III" über "Cinderella Man" bis hin zu "The Wrestler". Eine zweite Chance für Athleten, vielleicht auch eine dritte, sie gehört zum amerikanischen Sport wie Bier und Hot Dogs für die Zuschauer.

In Rodriguez' Fall geht es so weit, dass die Menschen mittlerweile nicht mehr darüber debattieren, ob hinter seine Rekorde und Meilensteine jeweils ein Fragezeichen gehört ob der Doping-Vergehen - sondern vielmehr darüber, ob seine Karrierezahlen nicht noch viel besser wären, wenn er nie gesperrt worden wäre. Statt der Fragezeichen gibt es die Frage nach den Leerstellen.

Das Langzeitgedächtnis mit all den Rekorden und das für die kurzen Erinnerungen wie etwa der Homerun über das grüne Monster in Boston - all das funktioniert derart wunderbar bei vielen Sportfans, dass die Speicher für die mittelfristigen Erinnerungen verschlossen sind: dass Rodriguez gelogen hat, dass er trotz Beteuerungen offenbar weiter gedopt hat, dass er die Ermittlungen der Liga gegen ihn blockiert hat. Rodriguez bringt derzeit Leistung, nur das zählt. Oder wie der Werfer Bronson Arroyo sagt: "Glaubst du, dass sich wirklich jemand darum kümmert, ob ein Akteur im Alter von 50 Jahren stirbt? Die Leute wollen, dass seine Mannschaft gewinnt. Und fertig."

© SZ vom 31.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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