Basketball:Aschenputtel überrascht

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Echter Antreiber: Bambergs Flügelspieler Nicolò Melli gelangen gegen Barcelona sowohl im wie auch nach dem Spiel die entscheidenden Aktionen. (Foto: imago/Zink)

Die Bamberger besiegen den FC Barcelona mit 74:70 und schüren damit die Hoffnung, ins Euroleague-Viertelfinale einzuziehen.

Von Joachim Mölter

Nicolò Melli ist erst seit rund vier Monaten in Deutschland, aber mit den Gepflogenheiten und Bräuchen des hiesigen Sportbetriebs kennt er sich schon aus. Also schnappte sich der Basketballprofi aus Italien am Donnerstagabend ein Megafon, stellte sich damit vor die Fantribüne und brüllte hinein: "Gebt mir ein H! Gebt mir ein U! Ein M! Ein B! Ein A!" Und dann fingen alle fröhlich an zu hüpfen und zu singen: Humba, humba, humba, täterä! Täterä! Täterä!

Der Karnevalsschlager des singenden Dachdeckermeisters Ernst Neger aus Mainz erfreut sich seit einigen Jahren wieder großer Beliebtheit in deutschen Sportstadien und -hallen, wenn die heimische Mannschaft gewonnen hat. Und der deutsche Meister Brose Baskets Bamberg hatte an diesem Abend einen "großen Sieg" errungen, wie ihr Trainer Andrea Trinchieri meinte, einen "riesigen Sieg" sogar, wie der Profi Darius Miller fand.

Die Bamberger hatten gerade in der Euroleague-Zwischenrunde der besten 16 Klubs den FC Barcelona 74:70 (35:32) bezwungen und ihre Bilanz ausgeglichen; sie weist nun 3:3 Siege auf, die der Gäste 2:4. Nach den Erfolgen über Zalgiris Kaunas (96:63 zu Hause) und Olympiakos Piräus (77:72 auswärts) war es schon der dritte über einen früheren Europa-Champion, von denen Bamberg zwei weitere in seiner Achtergruppe hat: Titelverteidiger Real Madrid sowie ZSKA Moskau.

Dass der deutsche Meister inmitten dieser Konkurrenz so gut dasteht, hat viel mit Nicolò Melli zu tun, dem gerade 25 Jahre alt gewordenen Flügelspieler, der vor dieser Saison vom italienischen Rekordmeister Emporio Armani Mailand nach Bamberg gekommen ist. Zwar erzielten Janis Strelnieks (16) und Darius Miller (15) die meisten Punkte gegen Barcelona; Trainer Trinchieri lobte auch Elias Harris ("neun Punkte in acht Minuten!"), Daniel Theis (elf Punkte, acht Rebounds) oder Leon Radosevic für deren Einsatz. Aber die wohl entscheidende Aktion der Partie war Melli gelungen, wieder einmal.

Zu Beginn des Schlussviertels schickten sich die Gäste aus Spanien an, die Partie zum Kippen zu bringen, Barcelonas Flügelmann Stratos Perperoglou hatte bei einem Gegenstoß die Chance, sein Team auf 54:55 heranzubringen. Doch gerade als der Grieche den Ball lässig in den Korb legen wollte, flog Melli von der Seite heran, streckte seinen linken Arm über Perperoglous Kopf und wischte den Ball beiseite. Mit diesem Block stoppte er Barcelonas Schwung - und gab den Impuls zum wegweisenden Lauf seiner Bamberger, den er später selbst mit zwei Freiwürfen zum 70:58 (37.) vollendete.

Brose-Geschäftsführer Rolf Beyer sagt, Melli sei "so ein bisschen der Klebstoff der Mannschaft", gemeinsam mit dem zu Saisonbeginn ebenfalls neu dazugekommenen Griechen Nikos Zisis, 32. Die beiden sind jedenfalls die einzigen in Trinchieris Kader, die international schon Erfahrung auf dem Top-16-Niveau haben. Melli kann mit so einem Lob wenig anfangen, er verzieht ein wenig das Gesicht, als er das hört und sagt dann: "Ich versuche, der Mannschaft bestmöglich zu helfen, ihr das zu geben, was sie gerade braucht." In seinem Fall ist das keine Phrase.

Als sich die Bamberger während der ersten Gruppenphase im November mit vier Siegen in Serie vorzeitig für die besten 16 in Europa qualifizierten, da hatte Melli einmal 26 Punkte beigesteuert, das andere Mal zwölf Rebounds, zwischendurch vier Blocks, dann wieder zehn Assists - außergewöhnlich viele für einen 2,05-Meter-Mann, der offiziell als Power Forward firmiert, weil es den Begriff des Finesse Forwards noch nicht gibt. Die Euroleague zeichnete Melli jedenfalls als Spieler des Monats aus. Wäre das Bild nicht etwas schief, könnte man den Italiener mit einem Schweizer Armeemesser vergleichen, so vielseitig verwendbar ist er. "Unser Spielsystem hilft ungemein, am richtigen Ort zu sein", erklärt er lapidar.

Nach dem Erfolg über den FC Barcelona ist in Bamberg und Umgebung die Hoffnung gewachsen, dass die Franken den europäischen Viertelfinal-Einzug schaffen, als erste deutsche Mannschaft überhaupt. Trainer Trinchieri sagt: "Der Sieg ändert wenig am Gesamtbild - wir sind immer noch das Aschenputtel in unserer Gruppe." Der Coach erinnerte an die jüngsten Strapazen, an die beiden Reisen nach Moskau zu Khimki (61:78) und ZSKA (70:91) binnen einer Woche mit einem Zwischenstopp in Ludwigsburg zum Pokal-Viertelfinale (71:58). "Danach haben wir ausgesehen wie Leichen am Straßenrand", sagte der Italiener in seiner gewohnt bildhaften Sprache: "Jetzt haben wir das Gefühl, wieder zu atmen."

Auch Melli, der die Euphorie unmittelbar nach der Partie geschürt hatte mit seiner Humba-Einlage, sagt: "Von uns ist nichts zu erwarten, außer maximaler Einsatz in jedem Spiel."

© SZ vom 06.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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