Bamberger Basketballer:Wie Freak City den FC Bayern zerlegt

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Bradley Wanamaker konnte sich gegen die Bayern oft durchsetzen - der Amerikaner glänzte mit 18 Punkten. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Das beste deutsche Basketballteam kommt derzeit aus Bamberg: Die Brose Baskets demonstrieren mit Siegen gegen Berlin und Bayern ihre Stärke - dabei haben die Verantwortlichen zuletzt den kompletten Verein umgekrempelt.

Von Jonas Beckenkamp

Wer in Bamberg schon einmal ein Basketballspiel besucht hat, kennt das: Es ist verdammt laut in der selbsternannten Freak City. Die Fans veranstalten einen solchen Höllenlärm, dass verantwortungsbewusste Eltern ihren Kindern in der Halle gerne Baustellen-Kopfhörer überstülpen. Wer kommunizieren will, muss schreien - und genau das tat auch Andrea Trinchieri, der Trainer der Brose Baskets im Spiel gegen den FC Bayern. Obwohl seine Mannschaft eine beeindruckend aufgeräumte Vorstellung zeigte und längst zweistellig in Führung lag, plärrte der Italiener in Richtung seiner Spieler.

Er wollte verhindern, dass sie nachlassen, denn es ging um einen süßen Sieg. Das 80:63 (42:32) gegen die Münchner war das zweite, dicke Statement der Franken hintereinander, nachdem sie zwischen den Jahren bereits Alba Berlin zerlegt hatten. Bamberg, Berlin, Bayern - diese Dreifaltigkeit prägt mit wechselnder Führung seit einigen Jahren den deutschen Basketball. Nach der Hälfte dieser Saison liegen die Berliner auf Platz eins der Tabelle, dahinter haben die Bamberger nun den FC Bayern aus dem Weg geräumt, sie sind jetzt Zweiter.

Mit einer Serie von sieben aufeinanderfolgenden Siegen hat Trinchieris Mannschaft den Betrieb durcheinandergewirbelt, da wäre eigentlich ein wenig Euphorie angebracht. Doch nicht bei Trinchieri, dem Wuschelkopf mit dem kugelrunden Bauch und den dicken Pausbäckchen: "Wir haben heute hart gespielt und eine gute Verteidigung gezeigt. Glänzen konnten wir zwar nicht, aber es ist schon sehr schwer, gegen eine Mannschaft wie die Bayern spektakulär zu spielen", sagte er, als er nicht mehr brüllen musste.

"Der Sieg ändert nichts an der Ausgangslage. Wir sind immer noch der Herausforderer, München die Mannschaft, die es zu schlagen gilt." Dass seine Männer das ambitionierte Meisterteam aus dem Süden so auseinandernahmen, wollte der Trainer nicht zu wichtig nehmen. Die Saison dauert noch ein paar Monate, richtig spannend wird es erst in den Playoffs im Mai.

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Die Profis aus der ersten Liga zeichnen zwei Münchner aus - auch ein Augsburger tut sich hervor. Dirk Nowitzki nähert sich der nächsten Bestmarkte. Die deutschen Handballer legen einen starken Jahresauftakt hin.

Trotzdem liefern die vergangenen Wochen reihenweise positive Erkenntnisse für die Bamberger. Nach einer Radikalkur im Sommer haben es die Brose Baskets wieder einmal geschafft, ein wuchtiges, lernfähiges und enthusiastisches Team aufzubauen: Es lässt sich ohne Übertreibung sagen: Besseren Basketball spielt derzeit in Deutschland keine andere Mannschaft. Gegen die Bayern zeigte sie eines ihrer besten Saisonspiele. Hinten verrammelte eine Möbelpacker-Verteidigung den Münchnern den Weg, vorne profitierte man von der puren Athletik und Treffsicherheit von Akteuren wie Josh Duncan (22 Punkte) oder Bradley Wanamaker (18).

"Es war heute nicht einfach, wir mussten alles zeigen, das ist uns gelungen", erklärte Duncan, "Der Schlüssel war, dass wir gut zusammengehalten haben." Den Teamspirit zu entwickeln, war eine der großen Aufgaben Trinchieris. Als der 47-jährige Mailänder im Sommer auf den langjährigen Trainer Chris Fleming folgte, fand er einen Kader im Umbruch vor. Bis auf Karsten Tadda, Elias Harris und Daniel Schmidt waren alle Spieler des Vorjahres gegangen - dazu hatte sich die ewige Bamberger Vereinsseele Wolfgang Heyder (Geschäftsführer und Sportdirektor) verabschiedet. Der Klub war kaum wiederzuerkennen.

Mit Rolf Beyer heuerte ein neuer Geschäftsführer an, der im Verbund mit Trinchieri und Geldgeber Michael Stoschek alles umkrempelte. Über echtes Basketballwissen verfügte Beyer laut eigenen Aussagen nicht, aber als Finanzmann aus Stoscheks Fahrzeugteile-Firma konnte er zumindest gestalterisch mitwirken - und am nötigen Kleingeld hapert es in Bamberg nicht. Der Unternehmer Stoschek investierte im Vergleich zum Vorjahr noch einmal 2,5 Millionen Euro mehr in Spielergehälter, schließlich wollte er nach einer enttäuschenden Saison 2013/14 wieder "Basketball mit Herz und Leidenschaft" sehen.

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Trinchieri durfte sich selbst einen Kader zusammenstellen, mit dem er seine Vision eines athletischen, rasanten, defensivstarken Spiels umsetzen konnte. Er holte Profis wie den langen Wurfspezialisten Duncan, den muskelbepackten Regisseur Wanamaker und den Scorer Ryan Thompson. Dazu fanden sich Kämpfer wie der deutsche Nationalspieler Daniel Theis ein, später kamen auch noch der lettische Distanzwerfer Janis Strelnieks und der ehemalige NBA-Center Dalibor Bagaric dazu. Die Voraussetzungen für den Erfolg waren gegeben, aber als Kollektiv brauchte die Mannschaft eine Weile, ehe sie die Philosophie des neuen Coaches verinnerlicht hatte.

Der detailversessene Trinchieri fordert seinen Leuten einiges ab, er ist nie zufrieden, fuchtelt, zetert und hadert - aber seine Idee basiert auf einem Plan. Systemorientiert soll sein Team agieren, mit vielen Freiheiten in der Offensive und hinten knallhart. "Eigentlich sind wir noch gar nicht so weit, wie es die Ergebnisse aussagen", sagte Flügelspieler Harris neulich der SZ, "aber wir haben noch viel Steigerungspotenzial." Nach einigen Problemen zum Start scheinen sich die Spieler jetzt immer besser zurechtzufinden, die Defensive schnappt in wichtigen Situationen zu und der Angriff funktioniert flüssiger als vorher.

Befeuert wird der neue Bamberger Basketball vom Temperament Trinchieris, dem der Klub jetzt sogar noch einen Sportdirektor zur Seite stellt. Am 15. Januar nimmt mit dem Italiener Daniele Baiesi ein Mann seine Arbeit als Wolfgang Heyders Nachfolger auf, der über allerbeste Referenzen verfügt: Zuletzt war er als Chefscout beim NBA-Klub Detroit Pistons tätig. "Wir haben einen erfahrenen Mann gesucht, der zum einen die internationale Basketballszene kennt, zum anderen aber eine Persönlichkeit besitzt, die einen Konterpart zu Andrea Trinchieri darstellt", sagte Geschäftsführer Beyer.

So könnte es in Bamberg eine erfolgreiche Zukunft geben: Mit Trinchieri als stimmgewaltigem Antreiber und seinem Landsmann Baiesi als Planungsweltmeister im Hintergrund. Verstummen wird Freak City nicht so bald.

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