Baltimore gewinnt die Super Bowl:Sein Name ist Flacco! Joe Flacco!

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Joe Flacco: Ruhig trotz Hektik um ihn herum. (Foto: REUTERS)

Vor dem Finale der NFL hat sich kaum jemand um Joe Flacco gekümmert. In der Super Bowl führt der Spielmacher die Baltimore Ravens trotz Stromausfalls und Aufholjagd der San Francisco 49ers zu einem 34:31 - und wird aufgrund seiner herausragenden Leistung zum wertvollsten Spieler gewählt.

Von Jürgen Schmieder

Als die Lichter ausgingen im Superdome in New Orleans, da wurden die Menschen für einen Moment lang panisch: Was war passiert? Warum geht es nicht weiter? Warum ist es so dunkel? Die Trainer der San Francisco 49ers und der Baltimore Ravens liefen hektisch auf dem Spielfeld herum, die Spieler sahen sich ratlos an oder absolvierten Dehnübungen. Nur Joe Flacco stand da, als hätte ihm jemand Valium verabreicht. Inmitten dieser Hektik blieb er ruhig, gelassen und ohne Emotionen.

Joe Flacco ist der Spielmacher der Baltimore Ravens, und nicht wenige hatten vor diesem Finale in der nordamerikanischen Football-Liga NFL behauptet, dass sein Verein nicht wegen, sondern trotz seiner Leistungen im Endspiel stehen würde. Wer nicht regelmäßig Football sieht, der dürfte sich gefragt haben: Wer ist denn überhaupt der Quarterback der Ravens.

Nun haben die Ravens dieses Finale gewonnen, zum zweiten Mal in der Vereinsgeschichte - und sie haben es wegen Joe Flacco mit 34:31 gewonnen. Und wer immer noch nicht weiß, wer der Quarterback der Ravens ist: Sein Name ist Flacco! Joe Flacco!

33 Mal warf Flacco den Ball im Finale, 22 dieser Pässe konnten seine Mitspieler fangen und dadurch einen Raumgewinn von 287 Yards erzielen. Allein in der ersten Halbzeit gelangen ihm drei Touchdown-Pässe. Die Ravens kontrollierten die Partie, sie führten zur Halbzeit mit 21:6 - und direkt nach der Pause lief Jacoby Jones 108 Yards weit, er trug den Anstoß aus der eigenen Endzone in die gegnerische. 28:6 für die Ravens - was sollte da noch passieren?

Es passierte tatsächlich etwas: Plötzlich wurde es dunkel im Stadion, dann gingen ein paar Lichter wieder an, aber nicht alle. Außerhalb des Stadions war offenbar ein Kabel gerissen - und es dauerte 36 Minuten, ehe die Partie fortgesetzt werden konnte. Das freilich sorgte für reichlich Verwirrung im Stadion. John Harbaugh, Trainer der Ravens, beschwerte sich darüber, dass die Gegner eine zusätzliche Ruhepause bekamen. Sein Bruder Jim, Chefcoach der 49ers, beruhigte seine Akteure, die kurz davor waren, die Nerven zu verlieren.

Es war in der Tat so, dass die 49ers diese unerwartete Pause zunächst nutzen konnten. Sie erzielten rasch zwei Touchdowns und ein Field Goal, plötzlich stand es am Ende des dritten Viertels nur noch 28:23 für die Ravens - die in diesem Moment einen brauchten, der sie beruhigte und anführte.

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Ray Lewis war es nicht, jener Lautsprecher und selbsternannte Anführer der Ravens. Der hatte vor den Playoffs verkündet, nach der Saison seine Karriere nach 17 Jahren in der NFL (und 17 Jahren bei den Ravens) beenden zu wollen. Er war in goldenen Schuhen auf den Platz gekommen und hatte seine Kollegen vor dem Spiel mit einer dramatischen Ansprache angefeuert. Während des Spiels jedoch blieb Lewis unauffällig - und auch bei der Aufholjagd der 49ers hielt er sich erstaunlicherweise zurück.

Nach dem Spiel war Lewis natürlich sofort wieder mit markigen Worten zur Stelle. "Es gibt keinen besseren Weg, als hier als Champion mit diesem Team abzutreten", sagte der 37-Jährige, der bereits 2000 beim ersten Super-Bowl-Sieg der Ravens auf dem Platz stand.

Es war Flacco, gewiss kein Lautsprecher und ganz gewiss kein selbsternannter Anführer, der die Ravens schließlich im Spiel hielt. Er führte die Offensive der Ravens ruhig und ohne Hektik nach vorne, er kontrollierte die Uhr und erreichte eine Position auf dem Feld, aus der Kicker Justin Tucker das Spielgerät noch zwei Mal durch die Torstangen prügeln konnte.

In den beiden Wochen vor dem Finale, da kümmerte sich kaum einer um diesen Joe Flacco. Bei Interviewterminen standen gerade einmal ein paar Journalisten bei dem 28 Jahre alten Spielmacher. Zum Vergleich: Für seinen Kontrahenten, Colin Kaepernick von den 49ers, wurde eine Bühne aufgebaut, die Journalisten pressten sich auf eine Fläche, die so groß war wie ein halbes Footballfeld. Ray Lewis hätte bei seinen Auftritten vor der Presse auch den Superdome füllen können.

Dieser Joe Flacco gehört wohl zu den unterschätztesten Sportlern weltweit. Seine Statistiken waren stets überdurchschnittlich, doch wurde er in seiner fünf Jahre dauernden Karriere noch nie für die Pro Bowl nominiert - die Auswahl der besten Spieler am Ende einer Saison. Ihm wurde vorgehalten, dass er noch nie mehr als 4000 Yards Raumgewinn in einer Spielzeit schaffte und dass er bei wichtigen Spielen stets unterdurchschnittlich agieren würde.

Flacco hat in den Playoffs dieser Saison elf Touchdown-Pässe geworfen, keiner seiner Würfe landete in den Armen eines Gegenspielers, in den drei Playoff-Partien war seine Passquote - eine in den Vereinigten Staaten wichtige Statistik - jeweils über 106, was einen ganz formidablen Wert darstellt. Flacco gab sich in den Wochen vor der Super Bowl bescheiden, aber doch selbstbewusst. Auf die Kritik an seiner Spielweise sagte er nur: "Viele haben keine Ahnung, wovon sie reden."

Nun hat Flacco das Endspiel gewonnen mit einer herausragenden Leistung, er wurde zu Recht zum wertvollsten Spieler gewählt. Sein Trainer John Harbaugh sagte danach: "Es war nicht unbedingt schön, aber das ist Baltimore, das sind wir. Das Ende des Spiels war das Schlimmste, was ich jemals erlebt habe." Wenige Sekunden vor dem Ende hatten die 49ers nämlich noch die Chance, die Partie zu ihren Gunsten zu entscheiden.

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Die Baltimore Ravens gewinnen die Super Bowl: Davor singt Alicia Keys fehlerfrei, währenddessen liefert Beyoncé Knowles eine ordentliche, aber gewiss nicht mitreißende Show ab - und wer darauf gewettet hatte, dass der südkoreanische Rapper Psy einen Auftritt haben würde, der sollte recht behalten.

Das gelang ihnen nicht, weil der 25 Jahre Colin Kaepernick nicht nur insgesamt unauffällig blieb, sondern in diesen entscheidenden Situationen fahrig wirkte. Joe Flacco dagegen war ruhig, wie in den zwei Wochen zuvor auch. Sein Vertrag läuft nach dieser Saison aus. Er hat sich mit dieser Leistung im Endspiel nicht nur Respekt erspielt, sondern auch herausragende Argumente für einen gut dotierten Kontrakt. Doch so wie er in dieser Partie und den Playoffs insgesamt agierte, wird er auch in die Verhandlungen mit den Ravens ruhig und ohne Hektik gehen.

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