Andy Murray in München:Umgarnen, hofieren und tüchtig zahlen

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Attraktion: Andy Murray in München (Foto: dpa)
  • Die BMW Open in München sind nur ein kleines ATP-Turnier. Dennoch schlägt hier Andy Murray auf.
  • Wie viel die Veranstalter dem Weltranglisten-Dritten gezahlt haben, ist nicht bekannt. Doch es lässt sich erahnen.
  • Ergebnisse aus dem Tennis gibt es hier.

Von Gerald Kleffmann, München

Bunte Hütchen sind auf der einen Seite des Platzes verteilt, wie ein Mensch-ärgere-dich-nicht-Brett sieht Court 2 des MTTC Iphitos aus. Auf der anderen Seite steht ein Tennisprofi. Er schlägt auf. In die Mitte, Richtung eines grünen Hütchens. Nach links, mit Schnitt, wo gelbe stehen. "Da! Da ist Murray", sagt eine ältere Dame zu ihrem Partner. Als stünden sie vor einem echten Picasso, bestaunen sie diesen Sportler, der aufschlägt. Andy Murray ist seit Sonntag in München, er hat viel trainiert, die Muskeln mit Gummibändern gedehnt, sich die Schuhe gebunden, Autogramme gegeben. Am Dienstag sah er live das Pokal-Aus des FC Bayern München. Wo er war, die Menschen reckten die Hälse. Als er auf einem künstlichen Grün vor dem VIP-Zelt einen Golfball einlocht, wird das zum Fünf-Minuten-Ereignis.

Das sind diese kleinen Momente, in denen Michael Mronz weiß: Er hat viel richtig gemacht. Denn dass am Rande des Englischen Gartens ein Profi aus den Top 10 der Weltrangliste aufschlägt, einer gar, der zu den Big Four mit Novak Djokovic, Roger Federer und Rafael Nadal zählt, hat es hier gefühlt seit der Steinzeit nicht gegeben.

Mronz, ein erfahrener Eventmanager, verantwortet im zweiten Jahr die Veranstaltung der 250er Serie; das ist die kleinste Kategorie auf der ATP Tour, in der die Allerbesten selten geballt auftauchen. Bezeichnend war, dass sich Murray nicht daran erinnerte, wann er sein letztes 250er spielte. Und doch ist er hier, der Mann, der Olympia-Gold gewann, der 2013 Wimbledon-Sieger wurde als erster Brite seit 77 Jahren, der im April im Schotten-Kilt heiratete und zum Staatsereignis wurde. Am Donnerstag tritt er, nach einem Freilos, gegen den Deutschen Mischa Zverev an. Britische Tennisreporter kommen fast nie nach München. Diesmal sind gleich mehrere angereist. Das sind die größeren Momente, die Murrays Wert verdeutlichen.

Seine Verpflichtung hat mit einem Jubiläum zu tun, die Internationalen Meisterschaften von Bayern jähren sich zum 100. Mal. Für die Tennisinteressierten ist Murray ein Präsent. Für die Veranstalter der BMW Open war es ein Kraftakt, ihn zu bekommen. Finanziell, strategisch. Im Hintergrund lief es wie bei House of Cards ab, nur ohne Intrigen. Die Münchner Macher mussten zweigleisig fahren: das Geld organisieren - und Murray umhegen und für die Vorstellung begeistern, dass sich ein Stopp in Bayern lohne. Murrays Verpflichtung begann vor acht Monaten. Patrik Kühnen, der Außenminister, nahm Kontakt zu Murrays Manager Ugo Colombini auf, wie er ein Ex-Profi, sie kennen sich. Bei den US Open folgten Gespräche. Andere Topspieler dieser Liga hatten abgelehnt. "Wenn ein Spieler nicht will, kann man sich querlegen", sagt Kühnen, "für den Spieler auf diesem Niveau geht es auch darum, dass das Turnier in den Turnierplan passt. Und dass er Wertschätzung erfährt."

Diese kann auf zwei Arten vermittelt werden. Summen von Antrittsgeldern nennt Mronz, der Innen- und Finanzminister, nicht. Dafür hat kürzlich Marseilles Turnierchef Jean-François Caujolle, wo auch ein 250er stattfindet, verraten, wie das abläuft. Ganz früher habe Roger Federer noch 75 000 Euro gekostet. Nadal hätte Jahre später 300 000 verlangt, Djokovic 400 000. Nun sei keiner der Top-4-Spieler für "weniger als eine Million zu haben".

Um Murray zu finanzieren, musste deshalb ein Extratopf gebildet werden, neben den Gesprächen mit dem Lager des Schotten stimmte sich Mronz permanent mit seinen Alliierten ab, den Wirtschaftspartnern. Was könnt ihr beitragen? Wollen wir diesen Spieler? Wo ist die Schmerzgrenze? In der Welt von Mronz ist der Begriff USP ein wichtiges Kriterium, Unique Selling Proposition, ein Alleinstellungsmerkmal, das einen Marktvorteil verschafft.

In Istanbul findet gerade erstmals ein 250er statt. Dort ist Roger Federer der USP-Zuständige. Für die mittelfristige Zukunft liebäugelt Mronz etwa mit einem zeitgleichen Männer- und Frauenturnier, einem "combined event", wie es nur 18 weltweit gibt und keines in Deutschland. Aber in der Gegenwart ist Murray in einem guten Spielerfeld der USP-Faktor, für den Mronz als Veranstalter den größten Anteil übernahm. Von Sponsorenseite leistete Presenting Sponsor FWU am meisten, deren Chef Manfred Dirrheimer hat sein Engagement mal wieder ausgeweitet. Tennis in Deutschland hat oft mit Einzelinitiativen zu tun, siehe das viel gelobte Rasenturnier in Halle um die Modefamilie Weber. Der Titelsponsor beteiligte sich natürlich maßgeblich, andere Partner halfen auch. Jeder Posten war interne Verhandlungssache.

Die endgültige Einigung mit Murray erfolgte spät, Mitte März erst war das, es gab ja noch einen Termin, der ebenfalls sehr USP-verdächtig war. Murray hat am 11. April geheiratet. Neun Tage spielte er kein Tennis, seitdem kein Turnier mehr, und nach München folgt das Masters Event in Madrid, ein 1000er Turnier, das wie München hoch liegt, über 500 Meter Normalnull. Der Ballflug ist länger. "Es ist gut, sich hier schon an die Höhe zu gewöhnen", sagt Murray, der auf "einige gute Matches" hofft. Vom Sieg sprach er nicht.

Aber das nimmt ihm keiner übel. "Wir freuen uns riesig, dass er da ist", sagt Kühnen grundsätzlich. Die Freude bringen sie zum Ausdruck. Bei einer Gala erhielt Murray den jährlich vergebenen "Iphitos Award" - ohne zuvor jemals in München gespielt zu haben. "Man tut alles, um den Spieler zu bekommen", sagt Kühnen. Das Hofieren gehört dazu, wobei er betont: "Murray ist ganz bodenständig. Er will überhaupt keine Extradinge." Sogar das bayerische Bier hat er höflich abgelehnt.

© SZ vom 30.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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