Abstiegskampf:#Mainzbleibt1

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Glaubt an sich, seine Spieler - und den Klassenverbleib: Martin Schmidt. (Foto: Alexander Scheuber/Bongarts/Getty Images)

Beim 1:0 gegen Berlin entdeckt Mainz in der Not die einstigen Tugenden wieder.

Von Tobias Schächter, Mainz

"Ich glaube, es war heute die Zeit, in der man Altes besiegt und Neues entstehen lässt. Ich glaube, heute ist ein neuer Glaube entstanden." Wer vermutet, diese Worte seien Bestandteil der Predigt während der Eucharistiefeier am Ostermontag im Mainzer Dom gewesen, der irrt. Gesagt hat sie der Fußballtrainer Martin Schmidt, 50, ein bekennender Katholik. Fünf Mal hintereinander hatte Schmidts Mannschaft zuletzt verloren, am Samstag aber gewann Mainz 05 mit 1:0 gegen Hertha BSC Berlin. Der Trainer stellte erleichtert fest: "Es ist gut, wenn die Fastenzeit vorbei ist." Die Mainzer Fußballer feierten gegen die Hertha, nun ja, eine Art Wiederauferstehung im Abstiegskampf.

Fans, die an Erfolge für die Nullfünfer glauben, haben zuletzt harte Zeiten durchlebt. Eine Führungskrise erschütterte den Klub, die Debatte um die jahrelang geheim gehaltene Bezahlung des ehrenamtlichen Präsidenten Harald Strutz führte zu dessen Rücktritts-Ankündigung. Im achten Erstligajahr in Serie pilgern nicht mehr so viele Anhänger ins Stadion. Und in der sportlichen Krise wuchsen die Zweifel am Trainer. Aber statt den Trainer zu wechseln, verkündete Manager Rouven Schröder vergangene Woche, die Saison mit Schmidt zu Ende zu spielen.

Vielleicht war die Hertha der richtige Gegner zum richtigen Zeitpunkt, auswärts ist Berlin harmlos wie die Brillenpinguine im Hauptstadt-Zoo. Mainz benötigte zwar ein Eigentor von Hertha-Verteidiger John Anthony Brooks zum Siegtreffer (45.+1), aber der Erfolg war verdient. Denn Mainz spielte wie Mainz in besten Zeiten: zweikampfstark, mutig und zielstrebig nach Balleroberung. "Wir haben gewusst, wir müssen die alten Tugenden zeigen", erklärte Schmidt. In der Krise hatte er sich anhören müssen, seinen Spielern keine spielerische Alternative zum Umschaltfußball antrainiert zu haben. Dabei wurde er vor zweieinhalb Jahren dafür gefeiert, als Nachfolger von Kasper Hjulmand die Mainzer Tugenden wieder geweckt zu haben. Er führte Nullfünf in den Europapokal, war erfolgreicher als seine berühmten Vorgänger Jürgen Klopp und Thomas Tuchel. Die Wucht der Debatte um seine Position ertrug er stoisch, reagierte gelassen auf Kritik und Lob. "Ich bin Profi", erklärte er.

Manchmal ist es seltsam: Ein Basta des Managers - und eine zuvor heftig geführte Trainerdebatte gibt es plötzlich nicht mehr. Das Kalkül Schröders, aus der Krise etwas Positives zu gestalten, ging gegen Berlin auf. Zum Abschlusstraining waren Hunderte Fans gekommen, 20 000 kostenlos verteilte rote T-Shirts mit der Aufschrift "#Mainzbleibt1" fanden reißenden Absatz, die Stimmung im gut gefüllten Stadion am Samstag erinnerte an alte Bruchweg-Zeiten. "Vielleicht war es so, dass wir den Klassenerhalt in den letzten Jahren zu locker geschafft haben und dadurch die Ansprüche zu hoch geworden sind", analysierte FSV-Kapitän Stefan Bell: Und vielleicht sei es ja ganz gut, dass eine solche Situation eingetreten sei, damit alle wieder gemeinsam für ein Ziel kämpfen können. Die Beendigung der Trainerdiskussion habe auf jeden Fall Ruhe reingebracht. Bell sagte: "Es gibt keine Ausreden mehr."

Nach trostlosen Wochen ist der Glaube bei den Rheinhessen zurück. Aber die Sünden der Vergangenheit wiegen schwer, nur das bessere Torverhältnis trennt Nullfünf vom Relegationsplatz - und am kommenden Samstag geht's zum FC Bayern. Doch Schmidt sagt: "Wir waren da in den letzten Jahren nie chancenlos. Der Glaube macht vieles wahr."

© SZ vom 18.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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