Österreich:Alte Muster

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Kein guter Test: Gegen die nicht für die EM qualifizierten Holländer um Riechedly Bazoer (r.) verliert David Alaba mit Österreich 0:2. (Foto: Christian Bruna/dpa)

In Österreich herrscht Fußball-Euphorie, eigentlich. Doch die in der EM-Qualifikation noch so starke ÖFB-Mannschaft offenbarte jüngst Formschwächen.

Von Johannes Kirchmeier, München

In dem Moment, in dem das Lied in den Refrain wechselt, tritt plötzlich eine unerwartete Ruhe ein: Der Sänger der Band schweigt, der Bassist hält seinen Ton, nur der Schlagzeuger drückt rhythmisch aufs Fußpedal. Es scheint so, als bliebe die Zeit einen Moment lang stehen, bevor sich die ganze Anspannung löst, David Alaba im Musikvideo zum Jubelsprung ansetzt, die Stimmung steigt. Und Klaus Eberhartinger stolz schmettert: "Niemals stärker, niemals härter, niemals besser. Ja, das sind wir."

"Wir", damit ist in diesem Fall die österreichische Fußball-Nationalmannschaft gemeint. Das Lied "Ja, das sind wir" ist der "offizielle ÖFB-Song" für die Europameisterschaft in Frankreich. Die Österreicher sind wieder stolz auf ihr Nationalteam. Der Wechsel von der ruhigen Strophe zum lauten Refrain wirkt ja so, als hätten sich die Songschreiber gedacht, sie wechseln vom ÖFB-Team vor dieser EM-Qualifikation zum ÖFB-Team danach. In diesem Moment der Stille, der Qualifikationszeit, blieb es unbesiegt und kehrte ihr Selbstverständnis um: von der unterlegenen Fußballnation zum EM-Geheimfavoriten.

Erhebliche Schwächen in der Verteidigung

Der allerdings, seitdem das Lied am 27. Mai veröffentlicht wurde, plötzlich wieder in alte Muster verfällt - beide EM-Vorbereitungsspiele endeten in Enttäuschungen. Nach dem knappen 2:1-Sieg gegen Malta, bei dem David Alaba ein Slapstick-Eigentor schoss, verloren die ÖFB-Jungs 0:2 gegen die nicht für die EM qualifizierten Niederländer. Besonders in der Verteidigung offenbarten die Österreicher erhebliche Schwächen, sie spielen nun wieder mehr wie in den ruhigen Strophen. Besonders bitter: Der Auftritt gegen die Niederlande war ja so angelegt, dass er das Gruppenduell mit EM-Favorit Portugal simulieren sollte. Er misslang. Kapitän Christian Fuchs sagte dennoch nach dem Spiel: "Wir sind gefestigt genug. Wir wissen, dass wir eine gute Mannschaft sind." Ihre gute Laune aus der Qualifikation wollen sie sich partout nicht nehmen lassen.

So wie die Fans im ausverkauften Ernst-Happel-Stadion, dieser riesigen Stadionschüssel, zumindest anfangs: Sie zeigten sich vor der Partie in EM-Stimmung und trällerten vor dem Anpfiff gemeinsam mit Eberhartinger "Niemals besser. Ja, das sind wir". Ihre Begeisterung wich, es wurde ruhig, so als sänge Eberhartinger plötzlich "niemals stiller" aus den Lautsprechern in die Happel-Schüssel. Trainer Marcel Koller dürfte sich in seiner ÖFB-Zeit zwar niemals grimmiger und niemals gestikulierender gezeigt haben. Dennoch betonte auch Koller: "Wir wollen uns nach oben keine Grenzen setzen."

Seinen größten Kampf hat er bereits hinter sich. Als Schweizer wurde Koller schon beim Amtsantritt von großen österreichischen Fußballhelden wie Toni Polster oder Herbert Prohaska etwas argwöhnisch beäugt, die Kritiker hat er aber schnell überzeugen können. "Koller hat einen Klassejob gemacht", lobte Polster nun. Mit ihrem Schweizer Nationaltrainer hat sich Österreich erstmals für eine EM qualifiziert. 2008, bei der einzigen EM-Teilnahme zuvor, war der ÖFB als Gastgeber bereits vorqualifziert. Prohaska räumte in der Kleinen Zeitung ein: "Heute muss ich sagen: Keiner von uns hat Recht gehabt. Der ÖFB hat die richtige Entscheidung getroffen, Marcel Koller liefert eine super Arbeit ab." Darauf hoffen sie natürlich auch in Frankreich.

© SZ vom 09.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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