Mein Deutschland:Im Boot mit Grillo und Berlusconi

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Der italienische Nationalflagge (links) und die Flagge der Europäischen Union (EU) flattern an der Rückseite des Palazzos Montecitorio im Wind. Der Palast in Rom (Italien) ist seit 1871 Sitz der Abgeordnetenkammer des italienischen Parlaments. (Foto: Bloomberg)

"Mehr Italien, weniger Deutschland" war auf Plakaten zur EU-Wahl in Italien zu lesen.

Eine Kolumne von Giovanni Maria Del Re

Am 25. Mai 2014 sind auch meine Landsleute, die Italiener, zur EU-Wahl aufgerufen, aber in ihren Köpfen ist sehr wenig Europa: Der Wahlkampf war ganz auf die Innenpolitik konzentriert. Wenn aber die EU doch angesprochen wurde, war prompt von Deutschland und Bundeskanzlerin Angela Merkel die Rede. Die von Berlin diktierte "Austerität" müsse endlich aufhören, meinen alle Parteien unisono. Premierminister Matteo Renzi erklärte, zwar werde Italien seine Budgetverpflichtungen nicht brechen, der Stabilitätspakt sei aber veraltet, und die im Juli beginnende italienische EU-Ratspräsidentschaft werde darüber eine Diskussion in Gang setzen.

Von Silvio Berlusconi und dem Ex-Komiker Beppe Grillo waren freilich ganz andere Töne zu hören. Der erste hat überall Plakate aufstellen lassen, auf denen "Mehr Italien, weniger Deutschland" zu lesen ist. Und Grillo beschuldigte vor ein paar Tagen Renzi, er habe Berlin nur besucht, um "vor Frau Merkel zu kriechen". "Wir werden den Fiskalpakt in Stücke reißen! Was soll Frau Merkel ohne uns machen?", fragte er. Grillo und Berlusconi, das gilt es zu betonen, könnten bei den Europawahlen zusammen mehr als 45 Prozent der Stimmen bekommen. Natürlich ist es nicht so, dass alle Italiener diese antideutsche Hetze teilen. Aber die meisten sind wirklich überzeugt davon, dass Deutschland Südeuropa einen strangulierenden Kurs aufgezwungen habe. Kein Politiker klärt sie auf, dass unsere wirtschaftliche Misere hauptsächlich hausgemacht ist. Gut nur, dass Confartigianato, der Verband der kleinen handwerklichen Betriebe, diese Woche daran erinnert hat, dass Italien in 42 Kategorien von 50 - von der Bürokratie bis zur Korruption - unter dem Euro-Zonen-Durchschnitt liegt. Eine Tendenz, die sich schon seit 1995 zeigt.

Eines ist aber auch wahr: In diesem angespannten Klima hilft es nicht, dass die Bundesregierung trotz sprudelnder Steuereinnahmen die deutschen Haushalte nicht entlasten oder mehr Investitionen tätigen will, um die Binnennachfrage zu stimulieren. Für die ganze Euro-Zone inklusive Deutschland wäre genau das aber eine große Hilfe, wie vor wenigen Tagen selbst der IWF betont hat. Schließlich sitzen wir alle im selben Boot. Ob man will, oder nicht.

Giovanni Maria Del Re ist Europa-Korrespondent der italienischen Tageszeitung Avvenire. Er lebt in Brüssel.

© SZ vom 24./25.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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