Mein Deutschland:Halloween früher und jetzt

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Auf "Süßes oder Saures" kam in Deutschland nur ein lautes "Oh Gott!".

John Lambert

Felix (v.l.), Leonard, Louisa und Sophia posieren in Rastede hinter Halloween-Kürbissen. Am 31. Oktober wird Halloween gefeiert - Kinder ziehen als Geister oder Monster verkleidet von Haus zu Haus und bitten um Süssigkeiten. (Foto: dapd)

Spinnen ohne Ende. Gruseldekos in Hülle und Fülle. Mit künstlichem Blut beschmierte Verkäuferinnen. Bei so viel Umsatzrummel sind meine Bemühungen, hier in Berlin die wahre Freude von Halloween unseren Kindern - und Nachbarn - beizubringen, oft an Missverständnissen gescheitert: Als beispielsweise vor einigen Jahren eine Nachbarin ihre Tür aufmachte und meine Tochter als Hexe und mich als Begleitpirat sah, stieß sie als Antwort auf unser wohlgemeintes "Süßes oder Saures!" nur ein lautes "Oh Gott!" aus - und knallte die Tür sofort wieder zu. Spätestens in diesem Moment wurde mir klar, dass das, was mit der Halloween-Mode über den Atlantik gesprungen ist, wenigstens in dem Haus, in dem wir wohnen, noch etwas Erklärung bedarf.

Denke ich an meine Kindheit zurück, fallen mir die Zeiten ein, als die Straßen im kanadischen West Vancouver mit Nachbarskindern überflutet waren, die unbesonnen durch die Gegend hetzten und allerlei Süßigkeiten sammelten. Ich erinnere ich mich auch daran, wie mein Vater Feuerwerke im Garten knallen ließ, die wir so langsam müde werdende Zwergmonster mit Freude ansahen. Mein Vater wiederum erzählte davon, wie er als kleiner Junge in Schottland "All Hallows' Evening" - Allerheiligenabend also - feierte: Nicht auf der Straße, sondern zu Hause wurden von seinen Eltern Spiele für ihn und seine Freunde vorbereitet. Apfeltauchen beispielsweise, und Scone jumping , wobei Letzteres darin bestand, ein vom Wäschetrockner hängendes, in Rübensirup getunktes Küchlein zwischen die Zähne zu bekommen, während sein Vater es mithilfe eines Seils hoch und runter bewegte. Im Laufe des Spiels kamen andere, unbekannte Kinder zur Tür, die - manchmal auch übertrieben - hübsch gekleidet waren, mit Kostümen und Krawatten und angeklebten Schnurbärten, und die auch mitspielen durften, nachdem sie ein Lied gesungen oder ein Gedicht vorgetragen hatten. Belohnt wurden sie mit einem Apfel oder einem Stück Karamell.

Was dieses Halloween angeht, hatten wir Glück: Eine Nachbarin hat sich doch tatsächlich bis vor unsere Tür getraut, die wir - ganz stolz - mit blutigen Händeabdrücken versehen hatten. Etwas schüchtern teilte sie uns mit, unser (zugegeben: nicht ganz schwarzer) Kater stehe draußen im Flur, bevor wir sie mit Schokoladen überschüttet und - zusammen mit der kleinen, kreischenden Hexenpuppe meiner Tochter - herzlich begrüßt haben: Happy Halloween!

Der Kanadier John Lambert ist Final Editor der englischen iPad-Ausgabe des Monopol Magazins. Er lebt in Berlin.

© SZ vom 03./04.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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