Mein Deutschland:Apfelpuffer zum Abschied

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Ein Stück Mauer mit Graffiti der East Side Gallery, einem Abschnitt der ehemaligen Berliner Mauer, während der Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer. Am 9. November 1989 wurde die Mauer in Berlin geöffnet und Menschenmassen stürmten über die Grenzen. (Foto: Getty Images)

Vor 25 Jahren fiel die innerdeutsche Grenze. Agnieszka Kowaluk erinnert sich daran, wie viele Ostdeutsche auch über Polen den Weg in die Freiheit suchten.

Eine Kolumne von Agnieszka Kowaluk

Deutschland feiert nächstes Jahr "25 Jahre Wiedervereinigung". Meine Ikone dieser bewegten Zeit bleibt eine der Nebenfiguren im polnischen Dokumentarfilm "Tschüss DDR" von Krzysztof Czajka über die Ereignisse im September 1989. Auch in die Warschauer Botschaft strömten Menschen aus der DDR, auf der Suche nach dem Weg in die Freiheit. Polen hatte bereits seit einem Monat den ersten nicht kommunistischen Premierminister. Tadeusz Mazowiecki erzählt im Film, wie entschlossen Polen sich weigerte, die Flüchtlinge auszuliefern, trotz einer Vereinbarung mit der DDR. Dass bald die Mauer fallen würde, hatte damals noch niemand geahnt.

Die Geflohenen verbrachten Wochen in Polen, untergebracht in Erholungsheimen, oder sie campierten tagelang vor dem Zaun der deutschen Botschaft, bevor auch von hier aus zwei "Züge der Freiheit" nach Westdeutschland rollten. In Archivaufnahmen, die im Film eingeblendet werden, winken die Menschen, manche weinen.

In Czajkas Film lächelt eine ältere Warschauerin, die in der Nähe der Botschaft wohnte, in die Kamera. Sie erinnert sich, wie sie eine Mutter mit zwei Kindern zu sich nach Hause zum Tee und zum Duschen einlud. Sie ist stolz auf die leckeren Apfelpuffer, die sie für die Familie gebraten hat. "Man hat gesehen, wie sie sich entspannen", sagt sie zufrieden nach Jahren.

(Foto: N/A)

Ich kenne den Zaun der deutschen Botschaft. Auch ich stand hier im Gedränge, nur ein Jahr später, aber schon in einer neuen Epoche. Ich brauchte ein Visum, um Mitte Oktober 1990 zu meinem ersten Auslandssemester nach Deutschland zu reisen. An diesem Zaun brachte der deutsche Botschafter vor einigen Tagen feierlich eine Tafel an, die an die Ereignisse vor 25 Jahren erinnert und ein symbolisches Dankeschön an die Bevölkerung Warschaus ist: für all diejenigen, die den Flüchtlingen geholfen und ihnen Mut gemacht haben.

Im Oktober 1990 bekam auch ich zu Hause ein Abschiedsfrühstück, Freunde und Familie verabschiedeten mich am Bahnhof. Ich fühlte mich unendlich frei. Eine lange Reise ins Ungewisse sollte man immer nach einem Frühstück antreten, am besten mit Apfelpuffer und reichlich Zucker, auch wenn sie von wildfremden Menschen gebraten wurden.

Agnieszka Kowaluk ist freie Journalistin und Übersetzerin. Sie lebt in München.

© SZ vom 04.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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