29.Januar 2009:Eine klare Linie

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Tridentinische Messe, Karfreitagsliturgie und die Aufhebung des Schismas: Der Papst missachtet das Zweite Vatikanische Konzil.

Papst Benedikt XVI. hat vier Bischöfe der 1970 von Marcel Lefebvre gegründeten konservativen Priesterbruderschaft Pius X. rehabiliert. Unter ihnen ist auch Richard Williamson, der den Holocaust leugnet. Zur Berichterstattung in der SZ schreiben Leser:

Der britische Bischof Richard Williamson leugnet den Holocaust. (Foto: Foto: dpa)

Was in Rom geschehen ist, liegt auf einer klar definierten Linie: Wiedereinführung der tridentinischen Messe, Karfreitagsliturgie, Aufhebung des Schismas gegenüber den Anhängern Lefebvres. Und dies alles, obwohl sie wesentliche Inhalte des II.Vaticanums ablehnen. Man fragt sich, wie man das gegenüber denen, die gerade dieses Konzil als wegweisend ansehen, vertreten kann? So ist zu fragen, ob der Papst nicht seinerseits die Inhalte des II. Vaticanums dadurch in Frage stellt. Beides kann man nicht haben. Man kann nicht das I. Vaticanum als allein bindend ansehen und das II. Vaticanum ablehnen und damit all das, was es für die Religionsfreiheit, den Status der Laien und den Offenbarungsbegriff gebracht hat, als Irrtum deklarieren, wie es die Anhänger von Lefbreve tun und dennoch den Anspruch stellen, Mitglied dieser Kirche zu sein.

Wenn nun der Papst diese Gedankengut mit der Aufhebung des Schismas honoriert, so ist zu fragen, ob er damit für alle anderen Gläubigen, die das II. Vaticanum als bindend ansehen, noch lehramtliche Kompetenz beansprucht? Es wäre doch sinnvoll, zuerst eine Forderung nach unbedingter Treue zu den Beschlüssen dieses II. Vaticanums zu verlangen, als dieses erst nach der Aufhebung des Schismas zu postulieren. Es bleibt also ein Hiatus, der diese Aufhebung schwer verständlich macht. Und dies unabhängig von den Äußerungen des gesagten Bischofs. Diese sind nicht nur dumm, sondern stellen eine eklatanten Widerspruch zu jeder christlichen Verpflichtung dar, wie ein Christ sich gegenüber Juden verhalten soll und darf. Sie sind nicht nur ahistorisch, sondern pure Ideologie eines Antijudaismus, der nun katholischerseits auch noch gedeckt wird.

Heinrich von Westphalen Köln

Barmherzigkeit ja, aber bitte für alle

Zugegeben, Barmherzigkeit zu üben, steht uns Christen gut an. Aber, katholisch sein heißt, umfassend sein. Wo also bleibt die umfassende Barmherzigkeit für gedemütigte Befreiungstheologen und ihre Option für die Armen? Für gedemütigte Geistliche, die Mitchristen anderer christlicher Kirchen zur gemeinsamen Kommunion einladen? Für geschiedene, wiederverheiratete Mitchristen? Für Priester, die den Zölibat nicht leben konnten und ihre Familien? Für Mitchristen in konfessionsverschiedenen Ehen, die ihren Glauben nicht gemeinsam leben können? Für Mitchristen, die ihre Partnerschaft nach ihrem Gewissen leben und nicht nach "Humanae vitae"? Für Mitchristen, die sich für "Donum vitae" engagieren? Für Mitchristen, die die Institution Kirche verlassen, aber ihren Glauben behalten haben und auch leben?

Hanns Peters München

Gräben statt Brücken

Die Entscheidung des Papstes, die Exkommunikation von vier ultrakonservativen Bischöfen der Pius-Priesterbruderschaft wieder aufzuheben, kann doch nur denjenigen überraschen, der nicht über Jahre hinweg die Orientierung des Herrn Ratzinger zum erzkonservativen Rand hin verfolgt hat. Dass unter diesen Bischöfen auch ein Holocaust-Leugner ist, der sich in Deutschland dafür strafbar machen würde, erzürnt vor allem Vertreter des Judentums zu Recht, zumal sich der deutsche Papst hierzu noch nicht einmal distanzierend äußerte. Es ist noch keine zwei Jahre her, als Benedikt XVI. den Protestanten absprach, als Kirche zu gelten, weil sie den Papst als Oberhaupt und Nachfolger Jesu nicht anerkennten. Die einzige wahre Kirche sei die katholische! Und dann soll im Mai 2010 in München der Zweite Ökumenische Kirchentag stattfinden! Wozu? Benedikt reißt doch immer neue Gräben auf, anstatt Brücken zu bauen.

Dietmar Holzapfel Taufkirchen

Wo bleiben Reue und Umkehr?

In dieser Auseinandersetzung geht es keineswegs nur um "Latein als offizielle Liturgiesprache", wie Julius Müller-Meiningen unrichtigerweise schreibt, sondern um die alte so genannte Tridentinische Liturgie Roms, die Papst Benedikt XVI. in seinem Motu Proprio "Summorum Pontificum" vom 7. Juli 2007 wieder für die ganze Weltkirche als zweiten und außerordentlichen Ritus freigegeben hatte. Latein war und ist als Liturgiesprache immer zugelassen. Die Tridentinische Liturgie dagegen, und das ist der entscheidende Punkt, ist eine Gottesdienstform, die nicht dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) entspricht. Und hierin liegt ja genau das Ärgernis, dass die Pius-Priesterbruderschaft nach wie vor nicht das Zweite Vatikanische Konzil anerkennen will. Deshalb halte ich den scheinbar so barmherzigen Akt des Papstes für einen großen Fehler - denn dies hätte Reue und Umkehr vorausgesetzt.

Christian Weisner Dachau

So heult die Hölle

Ihre wutschäumende Reaktion auf das Dekret Roms, das die ungerechte Exkommunikation der vier Bischöfe der Priesterbruderschaft St.Pius X. aufhebt, beweist mir als gläubigem Katholiken, dass der Papst offensichtlich alles richtig gemacht hat. So heult die Hölle nur auf, wenn sie richtig getroffen wurde.

Udo Borkner Ansbach

Eine versöhnliche und fortschrittliche Kirche

Die Rehabilitierung ist weder ein Rückfall noch ein Rückschritt ins Negative, sondern ein moderner Versöhnungsakt, ein Fortschritt! Zeigen Sie mir ein Beispiel in der Geschichte, einen Staat, eine Institution, in der so offen und selbstkritisch mit der Vergangenheit umgegangen wird, wie es die katholische Kirche seit Johannes Paul II. praktiziert! Dass unter diesen Bischöfen nun einer ist, der den Holocaust leugnet, hat nichts mit der Rehabilitation des Papstes zu tun. Wenn ein Katholik Unsinn redet, hat dies nicht der Papst zu verantworten. Dem Papst dadurch etwas zu unterstellen, ist nicht nur böswillig, sondern auch dumm. Denn wer sich die Reden und den Besuch des Papstes in Auschwitz in Erinnerung ruft, weiß um dessen Ansichten.

Christiane Lambrecht Murnau

Die Aufgabe des Heiligen Vaters

Wer von einem "Sündenfall" des Papstes redet, verkennt die Aufgabe des Heiligen Vaters völlig. Er ist eben nicht primär "der Versöhnung mit dem Judentum und dem Gespräch der Religionen" verpflichtet, sondern der Einheit der katholischen Kirche. Mit der Aufhebung des Exkommunikations-Dekretes hat er einen mutigen und begrüßenswerten Schritt in dieser Richtung getan, zu dem ihm jeder gläubige Katholik zu tiefem Dank verpflichtet sein muss. Wenn Organisationen wie "Wir sind Kirche", die sich in wichtigen Fragen (Frauenordination, Zölibat) meilenweit von der Lehrmeinung der katholischen Kirche entfernt haben, darüber in Wut geraten, so wird das sicher weder Benedikt XVI. noch die Mehrheit der Katholiken sonderlich beeindrucken. Und wie der Sprecher des Vatikans gesagt hat, die Aufhebung der Exkommunikation und die Äußerungen des Bischofs Williamson haben nichts miteinander zu tun.

Gert Ziegler München

© SZ vom 29.01.2009, sh - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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