6. Februar 2009:Die Kirche braucht ein neues Konzil

Lesezeit: 4 min

Rom muss den Mittelweg finden zwischen wörtlicher Bibelauffassung und fortschrittlicher Vernunft, finden einige SZ-Leser.

Zu Berichten und Kommentaren über die Rehabilitierung der Piusbruderschaft sowie der Kritik von Bundeskanzlerin Angela Merkel am Papst schreiben Leser:

Papst Benedikt. (Foto: Foto: dpa)

Man droht zurückzufallen auf den vorkonziliaren Standort der Intoleranz mit dem Grundsatz "Es gibt nur eine wahre Kirche und außerhalb dieser gibt es kein Heil", und man wirft den wissenschaftlich-theologischen Status hinter sich auf die kindlich-naive Position, dass jedes Wort und jeder Nebensatz der Bibel auf die direkte Eingebung Gottes zurückgehe. Statt also zu fragen, wie die göttliche Substanz im Predigen und Handeln des historischen Jesus von Nazareth herauszuinterpretieren ist - das wären seine Gottunmittelbarkeit, die Nächstenliebe, die Feindesliebe, eine Jenseitsgewissheit, Trost und Gnadenvermittlung -, unterliegt man dem Missverständnis der wortwörtlichen Bibelauffassungen.

Der katholischen Kirche soll also geraten werden, den jetzigen Eklat um das Verhalten des Papstes und die Rehabilitierung von zwar frommen, aber theologisch zurückliegenden Leuten zu nutzen, wie die Substanz der biblischen Geschichten, das Sakraments- und Liturgieverständnis und die fortgeschrittene Vernunft sowie durchaus das echte religiöse, hoffende und ahnende Gefühl des modernen Menschen in Einklang zu bringen sind. Nur ein gewiss vorsichtiges, aber mutiges Vorwärts kann die Katholische Kirche als eine wirklich akzeptierte Trägerin von Heil in die Zukunft bringen. Ein neues Konzil zum Thema "Glaube und wissenschaftliche Exegese" ist dringend nötig.

Dr. Fritz Wambsganz Uffing

Fragen des Glaubens - nicht der Gesinnung Die unsäglichen Äußerungen des Bischofs Williamson sind schlichtweg indiskutabel. Dennoch sollte man die Kirche im Dorf lassen. Entscheidungen über die Exkommunikation, oder eben auch deren Aufhebung, fußen auf Glaubensfragen der katholischen Kirche, nicht auf Fragen der politischen Gesinnung oder der mangelnden weltanschaulichen Bildung. Ob der Zeitpunkt klug gewählt war, darüber lässt sich sicherlich streiten. Die Kirche als Abbild der Gesellschaft hat sicherlich noch mehr Mitglieder auch mit stark rechter Gesinnung - müssen die jetzt auch alle exkommuniziert werden?

Karin Koch München

Was das Zugehen auf die Piusbruderschaft bedeutet

Es ist nicht die Piusbruderschaft, die nach Anerkennung durch den Papst strebt. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Die Piusbruderschaft, die sich nach wie vor als in der vollen Wahrheit stehend betrachtet, im Gegensatz zum abgefallenen Rest der Kirche, erkennt den Papst an, insofern er sich mit seinen Schritten des Entgegenkommens allmählich auf den in ihren Augen rechten Weg macht. Da die Piusbruderschaft ihre ganze Identität aus der Ablehnung des zweiten Vatikanums und aller damit zusammenhängenden Reformen schöpft, kämen jegliche Zugeständnisse ihrer Seite einer Aufgabe ihrer Wahrheit gleich. Wer also mit diesen Leuten Gemeinschaft haben will, wird diese letztlich nur um den Preis der Unterwerfung unter ihre Auffassungen bekommen. Papst Benedikt XVI. scheint dazu bereit zu sein.

Markus G. Grimm München

Entscheidend sind die Texte des Vaticanums

Wäre ich der zuständige Bischof, würde ich ernsthaft erwägen, den Theologieprofessoren, die gegen die Aufhebung der Exkommunikation der Lefèbvre-Bischöfe gewettert haben, die Lehrbefähigung abzuerkennen. Und zwar nicht, weil sie gemotzt haben; daran hätte ich mich als Bischof, wenn auch bedrückt seufzend, schon lange gewöhnt. Sondern wegen Inkompetenz, freilich gepaart mit überbordender Erregungs-Bereitschaft. Die Herren wissen offenbar nicht, dass laut Kirchenrecht die Aufhebung der Exkommunikation eines Bischofs weder die rückwirkende Anerkennung der Legitimität der Bischofsweihe ("gültig" war sie so oder so) noch die Erlaubnis beinhaltet, als Bischof tätig zu werden. Ein exkommunizierter Bischof ist eo ipso suspendiert; die Aufhebung der Exkommunikation beinhaltet nicht die Aufhebung der Suspendierung. Exkommunikation ist eine Kirchenstrafe, die vor allem die Verweigerung der Zulassung zur Kommunion nach sich zieht.

Dass Herr Kollege Küng das - gewiss medienpolitisch höchst unglücklich verlaufene - Ereignis zum Anlass nimmt, seinen vormaligen Kollegen Ratzinger zu beschimpfen, erstaunt nicht. Er hat sich ja schon immer auf einen undefinierbaren "Geist des Konzils" anstatt auf die verbindlichen Texte des Zweiten Vaticanums berufen. Solche Texte sind weder "restriktiv nach rückwärts" noch, was Herr Küng offenbar vorziehen würde, fortschrittlich zu deuten. Sie sind für einen Katholiken verbindlich, so wie das Konzil sie eben - jeweils mit überwältigender Stimmenmehrheit - verabschiedet hat.

Prof. Dr. Nikolaus Lobkowicz Starnberg

Gefangen in der Hierarchie

Wer wird als kritischer Theologe heute noch Professor, wenn vom Vatikan die Erlaubnis zur Professorenernennung kommt? Und die vom Papst ernannten Bischöfe kontrollieren die Seelsorger vor Ort. Solange es dieses hierarchische System in der römisch-katholischen Kirche gibt, sehe ich als Theologe mit Skepsis auf die weitere Entwicklung der römisch-katholischen Kirche: Sie hat sich in ihrem besonders im 19. Jahrhundert entwickelten System selbst gefangen. Aus dieser Falle kommt sie so schnell nicht heraus.

Axel Stark Passau

Küngs Kirche der Weltbeglückung

Küngs Kirche liefe auf eine Unterorganisation der Uno hinaus, die auf der Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners aller Religionen ein Weltbeglückungsethos verbreiten sollte. Seine Kritik am Ersten Vaticanum ("Restaurationskonzil") soll erlaubt sein, die der Piusbrüder am Zweiten Vaticanum aber verboten. In einem sind sich beide übrigens gleich: in der Selbstgerechtigkeit.

Prof. Dr. Lothar Roos Bonn

Der Papst ist kein Diktator

Ist es nur zu loben, wenn Obama dem iranischen Präsidenten ein Gesprächsangebot offeriert, wenn dieser den Holocaust leugnet und den Staat Israel verschwinden lassen möchte? Ist es gleichzeitig nur zu tadeln, wenn der Papst einen abtrünnigen Bischof in die Kirche zurückholen will, dessen Antisemitismus im Vatikan leider nicht hinreichend bekannt war? Müsste nicht Küng beiden Vorgängen kritisch gegenüberstehen? Obama und der Papst scheinen bemüht, langwierige Feindschaften zu überwinden, wenn zugleich beiden zu raten ist, den Antisemitismus ihrer Kontrahenten sehr ernst zu nehmen. Auch das Verständnis des Papsttums, wie Küng es ausführt, finde ich befremdlich und unhistorisch: Der Papst ist nicht mit einem "uneingeschränkten Regierungschef", also einem Diktator zu vergleichen, da es sein Amt ist, alle Entscheidungen im Rahmen der kirchlichen Tradition zu treffen. Als katholische Christin bin ich sehr damit einverstanden, dass der Papst nicht, "wenn er wollte, über Nacht" wichtige Entscheidungen anordnen kann, sondern jede Entscheidung in der Regel langwierig abgestimmt wird.

Dr. Christiane Geisthardt Hildesheim

© SZ vom 06.02.2009/pfau - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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