20. August 2009:Ein Minister, der sich selbst entmachtet

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Karl-Theodor zu Guttenberg verlässt sich auf Berater, die an der Finanzkrise eine große Mitschuld tragen. Die SZ-Leser diskutieren.

Zu Berichten über Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, der ein Gesetz von einer Anwaltskanzlei schreiben ließ ("Guttenbergs Großkanzlei", 8. August) schreiben die Leser:

Die Leser kritisieren den Wirtschaftsminister und die Vergabe von Gutachten. (Foto: Foto: dpa)

"Was geht in der Bundesregierung vor? Soll die Demokratie abgeschafft werden? Sicher ist es für einen Minister einfacher zu regieren, wenn er das Gesetzgebungsverfahren kurzer Hand privatisiert. Dann hat er auch den Rücken frei, seine Wiederwahl zu organisieren. Doch dabei spielt das Gemeinwohl nur noch eine untergeordnete Rolle. Leider ist Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg nicht der Erste, der die Verursacher der Finanzkrise mit der Formulierung von Gesetzesentwürfen zur Bankenrettung beauftragt.

Nicht nur die Verschwendung von Steuergeldern durch den Minister ist dabei das Problem. Der wahre Skandal ist, dass die Bundesregierung sich weiterhin von sogenannten Beratern helfen lässt, die zwar die Krise verursacht haben, dennoch aber weiter auf die alten Rezepte drängen: Deregulierung der Banken und Finanzmärkte.

Die Anwaltskanzlei Linklaters, die Guttenberg mit der Formulierung des Gesetzesentwurfes zur Zwangsverwaltung maroder Banken beauftragt hatte, ist bekannt als Lobbyisten-Kanzlei für hochriskante Finanzprodukte. So arbeitet Linklaters für True Sale International, einen Bankenzusammenschluss, der 2004 von 13 großen Banken gegründet wurde und mit Stiftungskonstruktionen eben jene Verbriefungen in großem Stil auf den Weg brachte, die als Auslöser der Finanzkrise gelten.

Einer der Gründer von True Sale International ist übrigens Jörg Asmussen, der heute als Staatssekretär im Innenministerium eine zentrale Rolle bei der Krisenpolitik der Bundesregierung spielt. Linklaters und Asmussen sind keine Einzelfälle. Krisenverursacher mit der Erstellung von Gesetzesentwürfen zum Thema Bankenrettung zu beauftragen, gehört zur Routine der Bundesregierung. So stammt der Text für das bereits verabschiedete Gesetz zur Verstaatlichung der Hypo Real Estate (HRE) aus der Feder von Freshfields Bruckhaus Deringer:

Die internationale Kanzlei ist unter anderem verantwortlich für Public-Private-Partnership-Modelle und die berüchtigten Cross-Border-Leasing-Verträge, die derzeit zahlreiche deutsche Kommunen zu ruinieren drohen. Beteiligt am HRE-Entwurf war auch die deutsche Kanzlei Hengeler Müller. Sie arbeitet zugleich für die Deutsche Bank und den Großaktionär der HRE, J.C. Flowers.

Skandal? Ja! Mir bleibt nur die Forderung an die Bundesregierung, die Vergabe jeglicher Aufträge an die Verursacher der Finanzkrise zu beenden. Zusätzlich müssen sich diese Verursacher an der Schadenswiedergutmachung beteiligen. Und zwar nicht mit sogenannter "Expertise", sondern mit barem Geld.

Wir brauchen öffentliche Untersuchung der Krisenursachen. Die Banken müssen gezwungen werden, ihre Karten offenzulegen. Diesen Druck auszuüben zählt zu den Aufgaben einer Regierung. Schon ich allein kenne genug Menschen, die es als bürgerschaftliche Aufgabe sähen, in einem öffentlichen Tribunal oder Bürgerforum zur Bankenüberwachung mitzuarbeiten. Vielleicht sollten gewisse Aufgaben ohnehin in Bürgerhand gehen angesichts der zunehmenden Selbstentmachtung von Regierung und Parlament, zu der auch Minister Guttenbergs Fehltritt gehört."

Justus Dallmer Bad Aibling

Eine Frage der Zuständigkeit "Das Problem ist mitnichten, dass Guttenberg sich externen Sachverstand holt, wenn er meint, ihn zu brauchen. Schlimm wäre, wenn auch bei Bedarf nicht auch auf außerhäusiges Wissen und Können zurückgegriffen würde. Eine Verschwendung ist aber, Gesetzentwürfe schreiben zu lassen, für die man nicht zuständig ist."

Thomas Viehmann Bonn

Gesetze aus der Feder von Lobbyisten "Es ist erschreckend zu erfahren, welchen Einfluss Außenstehende auf unsere Gesetzgebung haben. Ich halte es für höchst undemokratisch, dass Beschäftigte aus Konzernen in Ministerien an Gesetzen arbeiten (Beispiel Tabakindustrie) und Texte der Lobbyisten fast unverändert übernommen werden.

Haben wir in der Ministerialbürokratie nur unfähige Mitarbeiter? Bei komplizierten Fragen ist externer Sachverstand hin und wieder notwendig , aber dass jetzt sogar ein Gesetzesentwurf komplett von Externen geschrieben wird, ist ein Skandal.

Minister Guttenberg scheint mit Steuermitteln locker umzugehen. Er ist aber nicht nur der Wirtschaft, sondern auch den übrigen Steuerzahlern verpflichtet. Mich würde interessieren, wie viel Steuermittel für das "Outsourcing" der Gesetze aufgebracht werden. Die Kosten für Frau Schmidts Spanienreise, die in den Medien hochgespielt wurden, sind dagegen wohl "Peanuts"."

Erika Krauth-Bromm Sprockhövel

© SZ vom 20.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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