Wie Jugendliche reisen:Nichts wie weg

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Chillen und feiern, Sport und Stadt gehören für Jugendliche zum Urlaub. Am wichtigsten ist Teenagern, die ohne Eltern reisen, dass sie unter sich sind - ob in Rimini, am Goldstrand in Bulgarien oder am Strand von Zrće auf der kroatischen Insel Pag.

Von Stefan Fischer und Annika Brohm

Ganz Deutschland ist in diesem Sommer auf Mallorca. So scheint es jedenfalls zu sein. Doch das täuscht, gibt es doch eine Gruppe Urlauber, die die Baleareninsel mehrheitlich meidet: Jugendliche, die das erste Mal ohne ihre Eltern verreisen.

Das mag auf den ersten Blick überraschen. Denn sowohl Mallorca als auch das benachbarte Ibiza haben einen Ruf als Partyinseln - und Partys zu feiern, ist ein Hauptinteresse jugendlicher Urlauber. Oder, wie es Ralf Olk formuliert, Vorstandsmitglied im Reisenetz, dem Fachverband für Jugendreisen: "Die Hauptmotive sind, Spaß zu haben, woanders zu sein - und zwar ohne Eltern." Ibiza ist für Teenager jedoch schlicht zu teuer. "Auszugehen ist dort mit einem üblichen Taschengeldbudget nicht bezahlbar", sagt Kristina Oehler, Sprecherin von Ruf, mit 73 000 Gästen im Jahr Deutschlands größter Jugendreiseveranstalter. Auch auf Mallorca richtet sich das Partyangebot überwiegend an Ältere. "Das beginnt bei der Musik", sagt Oehler. "Zudem empfinden Jugendliche die Après-Ski-Stimmung in den Party-Hochburgen oftmals eher als peinlich."

Chillen und feiern, das reicht vielen nicht. Auch Sport und Stadt gehören zum Urlaub

Am wichtigsten ist Teenagern, die ohne Eltern oder Großeltern reisen, dass sie unter sich sind. Mitunter haben nicht einmal die Lebensrealitäten von 14- und 17-Jährigen viel miteinander gemein. Vom Alter der Heranwachsenden hängt oft auch ab, wohin die Reise geht. Rimini ist bei 15-Jährigen beliebt, dort sind die Partys eher soft. An Bulgariens Goldstrand oder den Partystrand Zrće auf der kroatischen Insel Pag reisen vor allem Jugendliche an der Schwelle zur Volljährigkeit. Am stärksten nachgefragt ist aber auch bei Teenagern Spanien, vor allem die Costa Brava. Speziell in Lloret und Calella "sind die Bars und die Shopping-Möglichkeiten auf die jugendliche Zielgruppe abgestimmt", sagt Oehler.

Sonne und Strand, chillen und feiern sind für die meisten jungen Reisenden unerlässlich. Sie sind jedoch auch unternehmungslustig. Die Costa Brava und die Adria sind auch deshalb attraktiv, weil Barcelona respektive Florenz nah und Tagesausflüge dorthin möglich sind. Viele minderjährige Kunden legen Wert auf Sportangebote und kreative Betätigung. Weshalb es viele spezialisierte Anbieter gibt mit zum Teil hochwertigen Programmen. Go Jugendreisen etwa bietet Sprachreisen an, kombiniert mit Theater- oder Sportkursen. Der Verein für Erlebnispädagogik Aventerra veranstaltet Wildniscamps und Kanuwochen. Über das Ferienportal Funilo kann man einen Aufenthalt bei einem Jugendfilmcamp in Sachsen-Anhalt buchen, bei dem die Teilnehmer eigene Filme drehen.

Allein dem Reisenetz gehören rund 100 Mitglieder an, darunter "fast alle Marktführer", so Ralf Olk. Zusammen generieren sie 400 Millionen Euro Umsatz im Jahr, Tendenz steigend. Die Gründe dafür seien, so Olk, steigende Haushaltseinkommen sowie die rapide zunehmende Mobilität der Teenager. Angesichts von immer mehr Familien, in denen beide Elternteile berufstätig sind, steige auch die Notwendigkeit von Betreuungsangeboten in den Ferien.

Ralf Olk beobachtet, und das mag überraschen, dass die Ansprüche der Eltern an die Betreuungsintensität sinken. Das liegt offenbar daran, dass Jugendliche mehr Freiheiten haben und auch einfordern als noch vor zehn Jahren. Sie sind auch reiseerfahrener als frühere Teenager-Generationen. "Überdies sind Eltern wie Kinder nie weiter weg als die Tastatur des Smartphones", sagt Olk. Das gebe ein Gefühl der Sicherheit, zumal Eltern die Geräte ihrer Kinder und damit einen Teil ihrer Aktivitäten überwachen können. Nichtsdestotrotz weist das Reisenetz auf seiner Website reisenetz.org in einer Broschüre sämtliche Qualitätssiegel für Jugendreisen aus.

© SZ vom 27.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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